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Jedes Jahr am 24. Dezember stellen Kinder überall auf der Welt Milch und Kekse bereit
in der Hoffnung, einen sagenumwobenen dicken Mann in ihr Haus zu locken, der Geschenke dalässt,
bevor er ins Haus nebenan schleicht.
Woher stammt eine so komische Tradition?
Schuld daran ist zum Großteil Nordeuropa, wo das Winterwetter kalt und dunkel
und deprimierend ist.
Und der kälteste, dunkelste und deprimierendste Tag ist der der Wintersonnenwende, der 21. oder 22. Dezember,
an dem die Sonne nur ein paar Stunden lang schwach scheint - wenn überhaupt.
Diese vom Lichtmangel geplagten Leute erfanden magische Wesen, die sie besuchten
und mit Geschenken und Festen die Stimmung aufhellen sollten.
Diese Wesen reichten von Elfen über Götter bis hin zu Ziegenböcken, doch zwei Figuren
sind besonders interessant für die moderne Geschichte.
Die erste ist St. Nick, in den Niederlanden. St. Nick ist dünn und vielleicht ein bisschen ernst,
bringt den Kindern aber trotzdem Anfang Dezember Geschenke. Er ist wie ein Bischof gekleidet, in rot und weiß
und mit einem Stab und reitet auf einem Pferd namens Amerigo, für den die niederländischen Kinder
eine Möhre hinlegen sollen. St. Nick heißt Sinterklaas auf Niederländisch.
Die zweite Figur ist Father Christmas aus England. Father Christmas ist ein dicklicher, fröhlicher Heide,
mit grünem Mantel und einem Kranz aus Stechpalmenzweigen auf dem Kopf.
Traditionell ist er weniger mit Kindern und Geschenken beschäftigt als viel mehr mit Essen und Wein
und Feierlichkeiten und ist vermutlich am besten bekannt als einer der drei Weihnachtsgeister,
die Scrooge terrorisieren. (Anm.: siehe C. Dickens "Eine Weihnachtsgeschichte")
Als die Europäer die Kolonien gründeten, begannen St. Nick und Father Christmas
und die anderen Figuren sich zu vermischen.
Aus diesem Grund hat die US-Version so viele Namen. Santa Claus ist die US-amerikanische Variante von Sinterklaas,
aber er wird auch St. Nick, Father Christmas oder Kris Kringle genannt,
was aus Deutschland kommt.
In der Alten Welt waren es alles unterschiedliche Figuren, aber in der Neuen Welt wurde aus ihnen mit der Zeit
eine einzige, wovon alte Geschichten zeugen.
Aus dem 1823 in New York erschienenen Gedicht "The Night Before Christmas" stammt zum Beispiel
die Legende, dass Santa Claus auf dem Dach landet und die Strümpfe mit Spielzeug füllt.
Doch dieser Santa ist ein Elf, ähnlich denen der nordischen Länder. Er ist sehr klein
und hat einen Mini-Schlitten mit winzigen Rentieren - was wesentlich mehr Sinn ergibt,
wenn die Stellenbeschreibung beinhaltet, dass man in Schornsteine passen muss.
Das Wort "Santa" taucht auch nirgendwo in dem Gedicht auf. Der Originaltitel ist "A visit from St. Nick"
(Anm.: "Ein Besuch von St. Nick").
Im Verlauf des 19. Jahrhunderts entwickelte sich ein dicker, menschlich aussehender, unsterblicher Santa zum Standard
unter US-amerikanischen Autoren. Erst in den Staaten bekam er seine Elfen-Arbeiterschaft und eine Ehefrau.
Um die Jahrhundertwende hatte Santa seinen heutigen Kultstatus entwickelt. Man beachte,
dass entgegen dem allgemeinen Glauben Coca-Cola Santas Farben nicht gemäß ihrem Firmenauftritt verändert hat,
sondern den praktischerweise rot-weiß gekleideten Santa im Jahr 1931 nutze, um mit seiner Hilfe mehr Limonade
außerhalb der Saison zu verkaufen.
Obwohl Coca-Cola ihn nicht erschuf, trug ihre allgegenwärtige Werbung vermutlich dazu bei, ihn als den
Einzig Wahren Santa in den Köpfen von Millionen von Menschen zu verankern und ihn rund um den Globus
vielen Kulturen ohne winterliche Geschenke-Tradition nahezubringen.
Dieser US-amerikanische Weihnachtsmann beeinflusste wiederum seine Verwandten in Nordeuropa,
die ihm zunehmend ähnlicher wurden, wenn auch nicht immer zur Freude der lokalen Bevölkerung.
Vor allem der britische Father Christmas wurde vollständig in den kollektiven Weihnachtsmann umgewandelt,
so sehr, dass viele Briten gar nicht wissen, dass es je zwei verschiedene gab.
In den Niederlanden dagegen besteht St. Nick erfolgreich als individuelle Figur.
Das einzige Detail bezüglich des modernen Weihnachtsmanns, über das noch diskutiert wird, zumindest zwischen
den Nationen, ist, wo genau er wohnt.
Ende des 19. Jahrhunderts war er am magnetischen Nordpol unter den Nordlichtern zuhause.
Zwar wäre dies die diplomatischste Lösung, doch seitdem ist der magnetische Nordpol weg vom Polareis
und hinaus auf den Ozean gewandert - ein recht ungeeigneter Ort für eine Spielzeugfabrik.
Also behauptet Kanada, seine Werkstatt befände sich irgendwo in Nunavut, und hat ihm sogar eine Postleitzahl
und - kein Witz - offiziell die kanadische Staatsbürgerschaft gegeben.
Die Antwort der USA ist, dass der Nordpol sich nicht auf eine eindeutig unwirtliche,
unbewohnbare Eisscholle bezieht, sondern auf die kleine Stadt North Pole in Alaska.
Dänemark behauptet, er wohnt in dessen ehemaliger Kolonie, Grönland. Und Grönland - kaum eine Überraschung -
stimmt dem zu.
Die nordischen Länder streiten über den genauen Ort, doch Finnland ist der klare Sieger dieses Streits
mit der Werkstatt in Rovaniemi auf dem Nördlichen Polarkreis.
Weitere Beweise: Man kannt tatsächlich hin fahren, den Weihnachtsmann besuchen und die Elfen, Spielsachen,
Rentiere und die Post besuchen, wodurch Finnlands Behauptung sehr glaubwürdig wird. Der Weihnachtsmann
ist sogar außerhalb der Saison da.
Doch wo auch immer er wohnen mag, der Weihnachtsmann schafft es trotzdem einmal rund um die Welt
in nur einer Nacht, um alle Geschenke zu verteilen... und alle Kekse zu essen.