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Chögyam Trungpa Rinpoche (1937-1987) war ein bedeutender buddhistischer Gelehrter und einer der ersten tibetisch-buddhistischen Lehrer im Westen, die auf Englisch unterrichteten.
Er ist der Autor mehrerer klassischer Werke über Meditation und den Weg des Buddhas, unter anderem "Spirituellen Materialismus durchschneiden" und "Das Buch vom meditativen Leben".
Trungpa Rinpoche war zudem ein Künstler und Poet. Viele seiner Vorträge befassen sich mit der Beziehung von Kunst, Meditation und Alltagsleben.
Sein Todestag ist am 4. April. Zum Gedenken an sein Ableben bieten Shambhala Archives diesen Auszug aus seinen Lehren an.
Parinirvana 2010. Vidyadhara Chögyam Trungpa Rinpoche: Grundlegendes Gutsein und Harmonie.
Teil 4 des Visual Dharma Seminar, Boulder, Colorado, Juli 1978.
Unsere Leidenschaft ist etwas Wunderbares. Es ist wunderbar,
dass wir nicht nur aus Aggression gemacht sind.
Wir haben so etwas wie Anmut und Güte, eine versöhnende Qualität. Das ist fantastisch.
Wir können der Vision der Großen Östlichen Sonne
unsere Dankbarkeit zollen.
Ohne Leidenschaft kann nichts erlebt oder erfahren werden.
Egal woran wir arbeiten wollen,
wir spüren ständig diese Aggression, die auf negativen Gefühlen uns selbst gegenüber beruht.
Dann fühlen wir uns entweder ungeheuer rechtschaffen, und nur wir allein sind im Recht,
oder wir sind total angepisst, weil jemand kommen und uns fertigmachen könnte;
das ist ziemlich armselig.
Und es hält uns davon ab, das Grundlegende Gutsein zu sehen, von dem wir sprachen.
Dieses Grundlegende Gutsein ist wie dieses [zeigt auf die Blumen] Arrangement hier.
Es hat seine eigenen Gegensätze und seinen eigenen Zusammenhang. Es ist vollkommen so wie es ist.
Gleichzeitig ist es auch einladend, und hat etwas Furchtloses.
Und Grundlegendes Gutsein - und das hier ist auf Grundlegendem Gutsein gewachsen, wenn ich so sagen darf [Lachen im Publikum] -
und es hat einen inneren Zusammenhang, der ohne vorherige Planung zustandekam,
einfach so, an Ort und Stelle. Grundlegendes Gutsein.
Ich bin heute die Berge hinaufgestiegen, um diesen Baum herzubringen.
Der Baum hat einfach so dagestanden und darauf gewartet, dass wir ihn einsammeln. Und ich sagte: "Ah, der sieht gut aus."
Wir mussten ein bisschen Arbeit reinstecken für den Abtransport, aber das war dennoch ein Beispiel dafür, wie sich Grundlegendes Gutsein ausdrückt,
dafür, wie die Dinge zusammenhängen könnten. Alles könnte so einfach ablaufen.
Grundlegendes Gutsein ist natürlich auch das Zusammentreffen von Aspekten, die dem Himmel, der Erde und dem Menschen eigen sind;
das Grundlegende Gutsein des Himmels, des Menschen
und der Erde spielen alle eine Rolle dabei.
Grundlegendes Gutsein hat etwas mit Großzügigkeit zu tun.
Und mit der Großzügigkeit...
geht eine gewisse Kühnheit einher,
und auch ein Gefühl dafür [bewegt den Fächer im Kreis], dass die ganze Sache rund ist
wie bei einem Mandala.
Das Ganze funktioniert, weil sich diese Elemente gegenseitig beeinflussen.
Alles hängt sehr schön zusammen.
Und dann fangen wir an, uns selbst so zu fühlen - zu fühlen, dass Grundlegendes Gutsein in uns ist,
und darum haben wir keine Angst vor unserer Welt, und wir sind nicht deprimiert in unserer Welt.
Wir fühlen uns so gut, wir haben ein gutes Gefühl, was unsere Kunst angeht,
und das regt uns wiederum zu neuen Ideen an.
Wir versuchen oft, Ideen aus uns herauszupressen, als hätten wir Verstopfung
und säßen auf der Toilette, und würfen gelegentlich einen Blick aufs Toilettenpapier,
mit dem Wunsch, etwas möge dabei herauskommen. [Gelächter]
Manche Künstler gehen auf diese Weise vor,
und das Ergebnis ist sehr eigen und sehr technisch.
Man verlässt sich dabei ausschließlich auf Technik und Äußerlichkeiten, und versucht, etwas aus ihnen herauszuholen,
aber man hat überhaupt kein gutes Gefühl dabei.
Worüber wir hier sprechen, ist so ziemlich das Gegenteil davon.
Wir wollen zwar keinen Durchfall, [Lachen]
aber einen gewissen "Flow", eine Situation, in der Sie sich frei fühlen
und Ihrer Fähigkeit vertrauen, etwas zu erschaffen.
Wenn Sie anfangen, haben Sie vielleicht noch keine Ideen - darüber sprachen wir gestern abend -
aber mittendrin haben Sie dann möglicherweise eine Idee, oder auch nicht
[Störgeräusch vom Mikrofon] ich habe nichts angefasst [Lachen im Publikum]
Aber wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihnen alle Ideen ausgegangen sind,
und Sie dann eine kurze Pause machen,
und fast soweit sind, aufzugeben - dann geht die Große Östliche Sonne in Ihnen auf.
Das ist keine Idee, sondern ein sehr konkreter Vorgang in unserem Geist.
Und der hat mit Großzügigkeit zu tun, mit einem Gefühl dafür, dass wir uns selbst vertrauen können.
Aus diesem Gefühl des Vertrauens
entsteht Harmonie.
Es gibt keine Harmonie ohne Vertrauen.
Es sagt sich so leicht, dass alles in Harmonie miteinander ist, und dass wir damit arbeiten sollten;
das ist so eine Art Lippenbekenntnis dazu, irgendetwas zu tun,
aber in Wirklichkeit tut niemand etwas.
Das erinnert mich an einige religiöse Tagungen, die ich an verschiedenen Orten miterlebt habe.
Die erste fand in Indien statt, die Harmony Conference in Neu-Delhi.
Und dann gab es kleinere Harmonietagungen in Kalifornien,
zu denen die Rabbis und die Bhikshus [buddhistische Mönche] und die Priester eingeladen wurden - die ganze Truppe.
Alle redeten über Harmonie. Nun, immerhin fingen sie keinen Streit untereinander an,
da sie ja über Harmonie redeten, aber es kam überhaupt nichts dabei heraus.
Nicht im Geringsten. Es passierte überhaupt nichts.
Sie kamen zur Tagung so wie sie waren. Sie verließen die Tagung so wie sie waren.
Sie gehen zurück und sagen, "wir haben an dieser Harmonietagung teilgenommen,
und daher ist unsere Organisation nun besser, als sie vorher war".
Aber wo soll diese Verbesserung hergekommen sein?
Das ist sehr traurig, und es hat sehr viel mit der Sonnenuntergangswelt zu tun,
sogar mit ihrer primitiven Seite, noch nicht mal mit ihrer gehobenen Variante.
Harmonie hat mit einer gewissen Üppigkeit und Fülle zu tun,
das ist ein Aspekt von Harmonie.
Der andere Aspekt der Harmonie ist eine gewisse Weite und Offenheit.
Der üppige, füllige Aspekt der Harmonie ist fast wie eine jüdische Mutter,
da ist Überfluss, Reichhaltigkeit, unter der sich der Tisch biegt, sozusagen.
Und die Qualitäten von Weite und Offenheit -
das ist wie ein japanisches Haus. Die Einrichtung ist sehr einfach, es gibt keine Möbel,
jedenfalls keine großen oder viktorianischen Möbel, nur Matten.
Und wenn man schlafengeht, legt man den Kopf auf einen Holzklotz, oder gar einen Stein, das ist das Kopfkissen.
Diese beiden Arten von Harmonie, das jüdische Haus und das japanische Haus zusammengenommen,
einfach so, wie es gerade passt,
das nennt sich hier ein Shambhalahaus,
oder ein Haus im Sinne der Großen Östlichen Sonne.
Und Ihr Kunstwerk könnte genau so sein.
Wenn sich diese Art Harmonie ergibt, vollkommen und vollständig,
dann verspürt man eine gewisse Freude.
Denn Sie schaffen pure Harmonie, ganz mühelos,
und gleichzeitig erschaffen Sie die erleuchtete Gesellschaft.
Und eine erleuchtete Gesellschaft kann nur aus einer gewissen Harmonie und Neugier heraus existieren
und aus all den anderen Dingen heraus, über die wir sprachen.
Vielen Dank dafür, dass Sie die Erinnerung an den Vidyadhara, Chögyam Trungpa Rinpoche, gemeinsam mit uns begehen.
Dieses Video stammt aus dem Programm zum Erhalt der Lehrvideos, das von Shambhala Archives ins Leben gerufen wurde. Weitere Informationen finden Sie unter www.archives.shambhala.org, wo Sie uns auch mit Ihrer Spende unterstützen können. Vielen Dank!