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Guten Tag. Danke für diese Präsentation.
Also, ein Physiker, das ist ein Mann
oder eine Frau –
bei einer Frau handelt es sich vielmehr um eine Physikerin –
jedenfalls ist es jemand,
der zwei Probleme zu lösen hat:
Das erste Problem ist,
den existierenden Zusammenhang
zwischen den Theorien herzustellen, die er verwendet, um die Realität,
die Natur, die physikalische Welt
und schließlich diese wahrnehmbare Welt zu beschreiben.
Sagen diese Theorien
etwas über die Natur aus?
Treten sie in Kontakt mit ihr?
Vereinen sie sich sogar stellenweise?
Oder sind sie nur Unsinn?
Sind sie zu undeutlich ausgedrückt?
Zur Beantwortung dieser Frage
führen die Physiker Experimente
in allen Größenordnungen durch,
manchmal in einem sehr großen Umfang,
um herauszufinden, ob ihre Theorien
teilweise oder ganz
der wahrnehmbaren Realität entsprechen.
Aber es gibt noch ein zweites Problem, über das weniger gesprochen wird,
nämlich den Zusammenhang, den es herzustellen gilt,
zwischen dem, was wir Physik nennen,
und der alltäglichen Sprache.
Wie können wir das ausdrücken, was wir wissen?
Seit Galilei ist die natürliche Sprache der Physik
die Mathematik.
Physiker schreiben also Gleichungen.
Für viele von uns ist die Mathematik
eine Art Fachchinesisch,
und Lacan hat es sehr treffend ausgedrückt:
„Nicht jeder hat das Glück, Chinesisch als seine Muttersprache zu sprechen.“
Wenn wir also das Wissen für die Öffentlichkeit übersetzen wollen,
das wir dank der Physik erworben haben,
müssen wir uns mehr mit der Sprache beschäftigen,
um eine Art Fremdsprache in sie zu integrieren,
die uns als Mittel dienen wird,
um mit der Sprache, nachdem wir sie bearbeitet haben, das auszudrücken,
was wir durch die Physik erlernt haben.
Und diese Fragestellung interessiert mich heute.
Ich werde sie unter dem Thema „Der Ursprung des Universums“ behandeln.
Sprechen wir wirklich vom Ursprung des Universums?
Rechtfertigen unsere Worte über ihn das,
was wir vom Ursprung des Universums wissen?
Diese Frage ist schon fast eine politische Frage,
da, wie Sie wissen,
den Ursprung des Universums zu benennen,
immer mit einem gewissen Machtanspruch über die Menschen verbunden ist.
Einige sprechen vom Ursprung des Universums, als kämen sie
direkt von dort mit einer Raumfähre zurück.
Wie sprechen wir also nun vom Ursprung des Universums?
Wie Sie wissen, hat man im 20. Jahrhundert
herausgefunden, dass das Universum eine Geschichte gehabt hat
und weiterhin eine haben wird.
Und wenn ich Universum sage, dann spreche ich vom ganzen Universum.
Ich spreche nicht nur von einem Teil davon.
Ich spreche vom Universum als solches,
also als physikalisches Objekt.
Lange hat man gedacht, dass das Universum sozusagen die Hülle aller physikalischen Elemente sei.
Im Grunde ist es selbst ein physikalisches Element.
Es ist ein physikalisches Objekt, das universelle Eigenschaften hat,
die nicht auf lokale Eigenschaften reduzierbar sind.
Und wie haben wir das herausgefunden?
Durch die Aufeinanderfolge von zwei sehr bedeutenden Ereignissen.
Das erste ist die Ausarbeitung von Einstein im Jahr 1915.
Im Grunde hat er zwischen 1907 und 1915
an einer neuen Gravitationstheorie gearbeitet,
die als Allgemeine Relativitätstheorie bezeichnet wird.
Das ist die Theorie, die wir zur Beschreibung des Universums benutzen
– da ja eine hohe Gravitation herrscht –
und die es uns ermöglicht – also die Theorie –,
dem Universum als solchem
physikalische Eigenschaften zuzuschreiben.
Zum Beispiel eine Erdkrümmung, die durch ihre Masse
und ihre Energie bestimmt ist.
Das zweite Ereignis ist eine Entdeckung,
die aus einer Beobachtung resultierte, welche von einem Astronom namens Hubble gemacht wurde.
Er hat die Bewegung von Galaxien beobachtet
und Ende der 1920er Jahre festgestellt,
dass sich die Galaxien umso schneller voneinander fort bewegen,
umso weiter sie voneinander entfernt sind.
Und wenn Sie diese beiden Ereignisse zusammen nehmen
und in der Zeit zurückgehen,
wenn Sie also die Zeit einmal umgekehrt betrachten,
wenn Sie mehr und mehr in der Zeit zurückgehen,
stellen Sie fest, dass das Universum,
je weiter Sie zurück gehen, winziger,
dichter und heißer war.
Und wenn Sie bis zum Anfang zurückgehen,
dann stoßen Sie auf etwas, das als Anfangssingularität bezeichnet wird.
Also ein punktuelles Universum,
aber nicht punktuell in dem Sinne, dass es an einem bestimmten Zeitpunkt passiert ist.
Sondern, dass es die Größe von einem Punkt hatte.
Es hatte die Größe von einem Punkt, seine Dichte war unendlich
und seine Temperatur war unendlich.
Und diese Anfangssingularität, die oft mit einem Zeitpunkt Null in Verbindung gebracht wird,
wird als Urknall bezeichnet.
Ein Ausdruck, der in den 1950er Jahren geprägt wurde
und den jeder von Ihnen sehr wohl kennt.
Doch was jetzt kommt, ist interessant,
weil diese wissenschaftliche Entdeckung in einer Kultur
– in der unsrigen –
gemacht wurde, die daran glaubt, dass das Universum erschaffen worden ist.
Es gibt also eine Art Zusammentreffen
von unserem Kulturerbe – das Universum ist erschaffen worden –
und von einer wissenschaftlichen Entdeckung,
die uns sagt, dass das Universum durch eine Anfangssingularität entstanden ist,
dank dieser dann auch wiederum alles andere entstanden ist:
der Raum, die Zeit, die Materie, die Strahlung, die Energie, etc.
Und als diese Mischung einmal entstanden war,
wurden metaphysische Fragestellungen aufgeworfen:
Was war vor dem Zeitpunkt Null?
Wie ist das Universum aus dem Nichts entstanden?
Hat Gott oder ein transzendentales Wesen dabei eine Rolle gespielt?
Wer hat die Rolle des „kosmischen Streichholzes“ übernommen? Etc.
Eine spannende Frage, die nicht unbedingt hinderlich ist,
weil sie das Denken anregt.
Aber sie ist noch verfrüht.
Verfrüht in dem Sinne, da diese Frage nicht
von der heutigen Kosmologie gestellt wurde.
Es muss gesagt werden, dass, wenn ich in der Zeit zurückgehe
und auf diese Anfangssingularität treffe,
im Grunde bevor ich auf sie stoße,
treffe ich auf physikalische Eigenschaften – enorme Energie,
auf Partikel, die mehr Energie als ein Hochgeschwindigkeitszug haben,
enorme Temperatur –
die Partikel, die in diesem Universum sind,
anderen Kräften als der Gravitation ausgesetzt sind.
Sie sind elektromagnetischen Kräften ausgesetzt.
Sie sind nuklearen Kräften ausgesetzt.
Nun beschreibt die Allgemeine Relativitätstheorie,
die ich zur Schlussfolgerung verwende,
aber nicht diese Kräfte,
sondern sie beschreibt nur die Gravitationskraft.
Sie wird zwar als Allgemeine Relativitätstheorie bezeichnet,
ist im Grunde aber eine Theorie speziell auf die Gravitation ausgerichtet.
Und im Grunde komme ich an einem Moment an,
an dem die Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie nicht mehr stimmen.
Nicht, weil sie mathematisch falsch sind,
aber weil sie nicht die wahrnehmbare Welt beschreiben,
die den physikalischen Bedingungen entsprechen, die ich gerade erwähnt habe.
Diesen Moment, von dem an ich nicht mehr schlussfolgern kann,
wird als Plancksche Mauer bezeichnet.
Sie befindet sich ganz am Anfang.
So dass ich nicht weiß, dass ich nicht sagen kann,
was vor der Planckschen Mauer war.
Selbst die Vorstellung der Raum-Zeit wird problematisch
und ich kann auch nicht mehr von einem Zeitpunkt Null sprechen.
Aber die Geschichte ist hier noch nicht zu Ende,
weil seit geraumer Zeit, seit mehr als 20 Jahren,
viele theoretische Physiker
versuchen, einen theoretischen Rahmen zu finden,
der es ihnen ermöglicht, die Plancksche Mauer zu erklimmen.
Sie versuchen eine Theorie oder neue physikalische Konzepte zu erarbeiten,
durch die wir alles in einem –
die Gravitation, die elektromagnetischen und die nuklearen Kräfte – beschreiben können.
Und wenn wir eine solche Theorie haben,
sind wir sozusagen intellektuell gewappnet,
um die Plancksche Mauer zu überwinden
und zu sagen, was davor war.
Vielleicht haben Sie schon von der Superstringtheorie gehört,
die zu dieser Art Forschung gehört,
welche versucht, die Plancksche Mauer zu erklimmen,
die mehr als 4 Raum-Zeit-Dimensionen in Betracht zieht –
man rechnet mit 10 Raum-Zeit-Dimensionen.
Es gibt noch andere Theorien, die davon ausgehen,
dass die Raum-Zeit kleinmaßstäblich nicht glatt und durchgehend ist, so wie man es lange betrachtet hat,
aber das ist granulös.
Das ist unzureichend, wie man so sagt.
Kurz gesagt, es gibt mehrere Ideen, die getestet worden sind,
die es aber nicht ermöglichen, das Ur-Universum ganz genau zu beschreiben,
weil, wenn man zum Beispiel die Stringtheorie nimmt,
bei der die Partikel durch „Strings“ beschrieben werden,
die „Strings“ so sehr verwickelt sind, dass Berechnungen unmöglich sind.
Wir bringen es nur fertig, Schätzungen anzustellen.
Wir vereinfachen die Gleichungen.
Das ermöglicht es uns, Szenarios zu konstruieren.
Wenn man sich zum Beispiel das Szenario anschaut, das mit der Superstringtheorie zusammenhängt,
dann erkennt man, dass diese Theorie vorhersagt,
dass das Universum in keinem Moment seiner Geschichte
und an keinem Punkt seines Raums
eine enorme Temperatur mit einem Höchstwert,
der sehr hoch, aber nicht unendlich war, gehabt haben kann.
Das heißt, dass die Anfangssingularität,
die man mit der ersten Urknalltheorie verbindet,
in dem nicht die Gravitation mit Einsteins Theorie berücksichtigt wurde,
im Falle der Stringtheorie gar nicht mehr existiert.
Sie ist verschwunden und man könnte sagen, dass es in diesem Rahmen
dem Zeitpunkt Null, den man mit dem Urknall in Verbindung bringt,
richtig an den Kragen geht.
Lustig ist, dass Sie,
wenn Sie beobachten, was bei den anderen Theorien,
bei den anderen theoretischen Ansätzen, geschieht,
immer wieder zum gleichen Schluss kommen.
Die Singularität verschwindet und der Urknall, den man sich erdacht hat,
wird von einem sogenannten Phasenübergang ersetzt.
Das heißt, dass es ein zusammenziehendes Universum gibt.
Es zieht sich zusammen, wird dichter und dichter,
erreicht die Höchsttemperatur, was die „Strings“ ermöglichen,
und wenn es diese einmal erreicht hat, kann es offensichtlich nicht mehr dichter werden,
also prallt es von sich selbst ab – es gibt keine Singularität mehr,
es gibt keinen Zeitpunkt Null mehr, es gibt keinen Urknall im eigentlichen Sinne mehr.
Also die Schlussfolgerung ist,
dass wir keinen wissenschaftlichen Beweis dafür haben,
dass das Universum einen Ursprung hat,
wenn man seine eigentliche Bedeutung nimmt,
das heißt, dass aus dem Nichts das Sein wurde.
Wir haben keinen Beweis, dass es das Nichts gegeben hat.
Und die zweite Schlussfolgerung ist,
dass dies auch nicht beweist, dass das Universum keinen Ursprung gehabt hat.
Das beweist einfach nur, dass er für die Wissenschaft nicht greifbar ist.
Und wir können uns die Frage stellen: Wenn das Universum einen Ursprung hat,
wären wir dann in der Lage, über ihn zu sprechen?
Wären wir in der Lage, ihn zu denken?
Wären wir in der Lage, ihn zu erklären?
Meine Antwort lautet : Nein.
Denn um den Ursprung erklären zu können,
also wie aus dem Nichts oder aus dem Nicht-Sein
das Sein werden konnte,
um dies erklären zu können,
müssen wir dem Nichts
Eigenschaften zuordnen, die dann aber das Nichts zu einem „Etwas“ werden lassen.
Man muss dort eine Art Ei hineinlegen,
das eine andere Sache außer sich selbst erzeugen kann.
Aber ein Ei, das man ins Nichts hineinlegt,
ist ein Ei.
Also enden wir in Aporien,
die wiederum in Aporien enden, wie uns die griechischen Philosophen schon daran erinnert haben,
und die uns heute, im Jahr 2011, buchstäblich vor dem Gesicht explodieren,
aufgrund der heutigen Kosmologie.
Das ist meine Schlussfolgerung.
Eine Anekdote.
Vor einigen Jahren gewährte der Papst Johannes Paul II.
dem Astrophysiker Stephen Hawking eine Audienz im Vatikan.
Man erzählt sich, dass Johannes Paul II. am Ende des Gesprächs
zu Stephen Hawking gesagt haben soll:
„Herr Hawking,
wir sind uns doch einig, nach dem Urknall
seid ihr zuständig,
und für alles davor, wir.“ (Gelächter)
Ich denke, nach allem, was ich Ihnen gerade erzählt habe,
dass diese Anektode, die sehr lustig ist – Sie haben alle gelacht –,
es wert ist,
noch einmal hinterfragt zu werden.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Applaus)