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Vorbereitungen zu einer Krebstherapie. In einem Kasten aus abschirmenden
Bleiplatten wird das Medikament hereingeschoben.
Anfassen darf man es nicht. Es ist stark radioaktiv.
Auf dem Bildschirm sieht der Arzt, wie sich die radioaktive Substanz im Organismus
verteilt.
Sie soll dort Tumore und Metastasen zerstören.
Damit sie nicht auch gesunde Zellen schädigt,
greifen die Wissenschaftler zu einem Trick:
Sie binden die radioaktive Substanz an Moleküle,
die an bestimmte Rezeptoren von Krebszellen andocken.
„So kommt es zu einer sehr gezielten Bestrahlung dieser Tumore
unter größtmöglicher Schonung des gesunden Körpergewebes."
Hier kommt die Substanz her,
die Krebszellen zerstört: aus der Forschungs-Neutronenquelle in Garching
bei München.
Sorgsam verpackt ein Mitarbeiter die Ampulle mit dem Bestrahlungsgut.
Per Rohrpost wird das Röhrchen nun ins Innerste der Neutronenquelle geschickt.
Mehrere Tage lang wird es dort intensiv mit Neutronen beschossen.
Es ist eine Just-in-Time Produktion. Denn das Medikament hat nur eine kurze
Lebensdauer. Bereits nach sechs Tagen ist die Hälfte zerfallen.
Das ist das Ausgangsmaterial: Ytterbiumoxid.
Bestrahlt man Ytterbium-176 mit Neutronen,
wird daraus Lutetium-177, die aktive Substanz des Krebsmedikaments.
Radiochemiker der Technischen Universität München haben einen Weg
gefunden, das Lutetium aus dem entstehenden Gemisch in
medizinischer Qualität abzutrennen.
„Die Herausforderung besteht darin, dass die Elemente Ytterbium und Lutetium sich
chemisch sehr ähnlich sind. Die Trennung gelingt nur
durch eine Kombination von Komplexbildner
und Säulenharz."
Sechs Tage später ist eine genügende Menge an Lutetium-177 entstanden.
24 Stunden muss die Kapsel noch im Abklingbecken bleiben, denn sie ist jetzt
hoch radioaktiv.
Eine dicke Wasserschicht schützt die Mitarbeiter vor der Strahlung.
Am nächsten Tag sind die kurzlebigeren Nebenprodukte zerfallen.
Nun beginnt ein Wettlauf gegen die Uhr, denn möglichst viel von dem
entstandenen Lutetium soll den Weg zu den Patienten schaffen.
Noch immer hat die Kapsel eine hohe Aktivität.
Angefasst und bearbeitet werden kann sie nur mit sogenannten Manipulatoren hinter
dicken Schutzscheiben aus Spezialglas.
Trotz Zeitdruck müssen alle Handgriffe absolut präzise sitzen.
Ein falscher Griff, und Lutetium für 50 Patienten wäre verloren.
Die Neutronenquelle der Technischen Universität München ist eine von sehr
wenigen Anlagen weltweit, die solche Medikamente zur Strahlentherapie
herstellen können.
Alle *** werden detailliert dokumentiert.
Das gehört zur Qualitätssicherung.
Ein Mitarbeiter bringt das Lutetium aus dem Forschungsreaktor.
Ein schwerer Bleibehälter schirmt während des Transports die
Strahlung ab.
Nur wenige Hundert Meter sind es bis zur nächsten Verarbeitungsstation.
Das Ziel des Transports: Die Isotope Technologies Garching,
ein Unternehmen, das sich auf radioaktive Isotope für die Medizin spezialisiert hat.
Medikament nur gegen Unterschrift. Sicherheit hat oberste Prioritä
Im Reinraum von ITG wird es noch komplizierter.
Zusätzlich zum Strahlenschutz müssen hier noch die Regeln der
Pharmaproduktion eingehalten werden.
Vor dem Einschleusen wird daher alles desinfiziert.
Hier nun kommt die von den Radiochemikern der TU München
entwickelte Methode zum Einsatz.
Diese Säulen machen die eigentliche Arbeit: Ein spezielles Harz und ein
genau ausgefeiltes Lösungsmittelgemisch.
Ein Roboter füllt schließlich die fertige Lutetiumlösung
in Fläschchen ab.
Im Krankenhaus empfängt ein Radiochemiker den Transportbehälter.
Im Labor dosiert er das Medikament.
Jeder Patient
erhält eine individuell für ihn berechnete Menge.
„Es gibt noch viel versprechende Ansätze, um die
Effektivität der Therapie zu steigern beispielsweise durch Medikamente,
die die Strahlenwirkung im Tumor verstärken können,
aber auch Methoden,
mit denen man sozusagen mehr
von diesem Lutetium-Dotatat in den Tumor hinein bekommt,
beispielsweise wenn sie an Leber-Metastasen denken, dass man beispielsweise dieses Lutetium-Dotatat
direkt in die Leberarterie spritzt und damit eine höhere Konzentration im
Tumor erreicht."
Und während in den Labors die Forschung weiter geht, bedeuten die
Forschungsergebnisse der Münchener Wissenschaftler für die ersten Kranken,
dass die Diagnose Krebs nicht mehr unbedingt ein Todesurteil sein muss.