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Ich heiße Lugdwig Schläfli.
Ich bin ein Schweizer Geometer.
Ich habe im 19. Jahrhundert gelebt
und ich werde Ihnen das Tor in die vierte Dimension öffnen!
Wir wollen uns nicht durch Worte beeindrucken lassen, denn ich bin ein Visionär.
Ich war einer der Ersten, denen bewusst geworden ist,
dass hochdimensionale
Räume existieren und dass wir
an ihnen die Geometrie studieren können.
Die Wesen, die in der Ebene leben,
können sehr wohl die Existenz dreidimensionaler Polyeder begreifen.
Warum sollten wir also nicht die vierdimensionalen Polyeder verstehen können?
Einer meiner größten Beiträge bestand darin,
alle regelmäßigen Polyeder in Dimension 4 beschrieben zu haben.
Was ist die vierte Dimension?
Viel ist darüber geschrieben worden.
Die Science-Fiction-Autoren ergötzen sich geradezu daran.
Ich werde Ihnen die Dinge an der Tafel erklären.
Wie Sie sehen werden, ist diese Tafel ein klein bisschen magisch.
Das Wichtigste ist die Bereitschaft
von der uns gewohnten Welt zu abstrahieren,
um uns eine Welt vorzustellen,
zu der uns unsere Augen und unsere Sinne keinen direkten Zutritt geben.
Wir werden eine List benutzen müssen, genauso wie die Reptilien.
Ich werde auf einen Aussichtspunkt steigen,
der für Sie leider nicht sichtbar ist,
aber ich werde versuchen Ihnen zu beschreiben, was ich sehe.
Aber vorher zeichne ich eine Gerade auf die Tafel.
An dieser Stellen lege ich den Ursprung.
Jeder Punkt auf dieser Geraden
lässt sich eindeutig beschreiben durch seinen Abstand zum Ursprung,
behaftet mit einem Minus, falls der Punkt links vom Ursprung liegt
oder mit einem Plus, falls er rechts davon liegt.
Wir bezeichnen diese Zahl gewöhnlicherweise mit x
und nennen sie die x-Koordinate.
Weil die Lage eines Punktes auf einer Geraden
durch nur eine Zahl beschrieben ist,
sagen wir, dass die Gerade Dimension 1 hat.
Jetzt zeichne ich eine zweite Achse,
die senkrecht auf der ersten steht.
Jeder Punkt in der Tafelebene wird jetzt vollständig durch
zwei Zahlen beschrieben, die wir üblicherweise
mit x und y bezeichnen. Die x- und die y-Koordinate.
Die Ebene ist also zweidimensional.
Müssten wir einem Wesen, das auf einer Geraden lebt, beschreiben,
was ein Punkt in einer Ebene, die es ja nicht aus eigener Erfahrung kennt, ist,
so könnten wir ihm einfach sagen:
Ein Punkt in einer Ebene ist die Angabe eines Zahlenpaares.
Lassen Sie uns zur dritten Dimension übergehen.
Die Kreide schreibt in den Raum und zieht eine dritte Achse,
die senkrecht auf den zwei Vorigen steht.
Ein Raumpunkt wird durch drei Zahlen beschrieben:
x, y und z.
Wir könnten also den Reptilien,
die wissen wollten wie unsere Welt aussieht,
sagen "ein Punkt im Raum, das sind einfach drei Zahlen."
Gehen wir zur vierten Dimension über.
Wir könnten versuchen, eine vierte Achse einzuzeichnen,
die senkrecht auf den anderen stünde, aber das ist unmöglich!
Deshalb müssen wir anders vorgehen.
Natürlich könnten wir einfach sagen,
dass ein Punkt im vierdimensionalen Raum
durch die vier Zahlen x,y,z,t gegeben wird.
Aber dies ist nicht sonderlich erhellend!
Wir werden trotzdem versuchen
eine Intuition dieser Geometrien zu entwickeln.
Eine erste Verständnismethode
ist es, einer Analogie zu folgen.
Hier ein Geradensegment...
... dann ein gleichschenkliges Dreieck...
und schließlich ein regulärer Tetraeder.
Unsere magische Tafel erlaubt es uns in den Raum zu zeichnen.
Wie könnte man die Folge in Dimension 4 fortsetzen?
Wir sehen, dass die Strecke, das Dreieck und der Tetraeder
jeweils 2, 3 bzw. 4 Eckpunkte besitzen.
Wir können also versuchen mit fünf Ecken fortzufahren!
Versuchen wir es.
Bei der Strecke, dem Dreieck und dem Tetraeder
sind zwei Eckpunkte jeweils durch eine Kante verbunden.
Wir müssten die 5 Eckpunkte paarweise verbinden.
Wir zählen
eine Kante,
2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9 und 10 Kanten.
Beim Tetraeder berandet
jedes Tripel von Kanten eine dreieckige Seite.
Wir gehen genauso vor,
was uns eine Dreiecksseite,
2,3,..., 10 Seiten gibt.
Aber wenn wir mit der Analogie fortfahren,
dann müssen wir auch einen Tetraeder
für jedes Viertupel von Ecken einfügen.
Davon finden wir 5.
So. Wir haben unser vierdimensionales Objekt fertigkonstruiert.
Wir wollen es auf den Namen "Simplex" taufen!
Und wir wollen es so im Raum drehen,
wie wir den Tetraeder rotiert haben.
Natürlich muss man sich vorstellen, dass der Simplex
sich im vierdimensionalen Raum dreht und
dass das, was wir sehen, lediglich die Projektion auf die Tafel ist.
Das, was die Dinge etwas kompliziert macht, ist,
dass die Seiten sich durchkreuzen und sich vermischen.
Jaja, man braucht schon etwas Erfahrung, um in der vierten Dimension zu sehen.
Wir können den Simplex nehmen,
der in der vierten Dimension liegt
und ihn so verschieben, dass er langsam
unseren dreidimensionalen Raum durchquert.
Auf die gleiche Art, auf die die Reptilien
ein Vieleck sahen, das auftauchte und später wieder verschwand,
so würden wir einen dreidimensionalen Polyeder sehen,
der auftaucht, sich verformt und schließlich verschwindet.
Voila! Der Simplex hat unseren dreidimensionalen Raum durchquert.
Jetzt werden wir auch andere
vierdimensionalen Polyeder kennenlernen,
die unseren dreidimensionalen Raum durchfahren.
Hier ist der Hyperwürfel, der die Familie verallgemeinert,
die mit dem Segment, dem Quadrat und dem Würfel beginnt.
Man muss sich eingestehen, dass es ziemlich schwierig ist, sich ein intuitives Bild
durch die Methode der *** zu machen, die wir bisher benutzt haben...
Ich habe die Entsprechung zum Ikosaeder und zum Dodekaeder entdeckt.
Sie haben schwierige Namen, aber ich nenne sie einfach
die 120 und die 600,
denn der Erste hat 120 Seiten und der Zweite 600.
Betrachten Sie die 120, wie sie unseren Raum durchquert.
Und hier die 600.
Natürlich rede ich, wenn ich sage, dass ein vierdimensionaler
Polyeder 600 Seiten hat, von seinen dreidimensionalen Seiten.
Ja, diese 600 Seiten sind also ebensoviele Tetraeder.
Und die 120, sie setzt sich aus 120 Dodekaedern zusammen!
Wir werden sie etwas später besser kennenlernen.
Um diese vierdimensionalen Objekte
mit unseren dreidimensionalen Augen betrachten zu können,
kann man sich ihrer Schatten bedienen.
Die Objekte liegen im vierdimensionalen Raum
und wir projezieren sie auf unseren dreidimensionalen Raum, genauso
wie ein Künstler eine Landschaft auf seine Leinwand projeziert.
Das ist auch, was wir schon mit dem Simplex gemacht haben.
Hier der Hyperwürfel.
Natürlich dreht er sich,
damit wir seine Details begutachten können.
Wir sehen zum Beispiel, dass der Hyperwürfel 16 Ecken hat.
Eine kleiner Neuling.
Meine schönste Entdeckung.
Ein Objekt, das ich die 24 nenne
und das keine Entsprechung im Dreidimensionalen kennt.
Eine rein vierdimensionale Kreatur.
Ich bin sehr stolz darauf, sie entdeckt zu haben.
Staunen Sie! 24 Ecken, 96 Kanten, 96 Dreiecke und 24 Oktaeder.
Ein Wunder!
Hier ist der Schatten von der 120
in ihrer ganzen Majestät!
In ihrer komplexen Majestät, muss man wohl sagen!
Stoßen wir in ihr Inneres vor und untersuchen wir die Struktur.
Schauen Sie: 600 Ecken, 1200 Kanten.
An jeder Ecke treffen sich 4 Kanten.
Eine vollständig regelmäßige Struktur.
Alle Ecken, alle Kanten haben die gleiche Rolle.
Und trotzdem zerstört die Projektion die Gleichmäßigkeit des Gegenstands.
Strengen Sie Ihre Vorstellungskraft etwas an.
Stellen Sie sich das Objekt im vierdimensionalen Raum vor,
wo eine riesige Rotationsgruppe
all seine Kanten und Ecken vertauscht.
Das ist also der Champ, die 600.
Was für ein riesiges Makromolekül
mit seinen 720 Kanten und 120 Ecken.
Zwölf Kanten laufen aus jeder Ecke.
Aber unser Abenteuer mit den vierdimensionalen Polyedern
wird hier noch nicht zu Ende gehen,
denn wir wetten dass die stereographische Projektion
uns eine wesentlich bessere Intuition gibt.