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Warum küssen wir? Ganz einfach: Es fühlt sich gut an. Aber warum?
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Küssen ist seltsam. Wir machen es gerne, aber mal ehrlich: Es ist seltsam. Man reibt seinen offenen
Mund an dem offenen Mund eines anderen Menschen. Es muss also einen guten Grund geben, dass wir es tun.
Wissenschaftler sagen, dass es tatsächlich viele gute Gründe gibt, und es beginnt mit den Augen.
Und diese Augen schauen die Lippen an.
Menschliche Lippen sind einzigartig in der Tierwelt - sie sind nach außen gewandt.
8 von 10 Frauen nutzen heutzutage Lippenstift, häufig in einem roten Ton. Und Männer, tja, die sagen
dass sie vollere, rotere Lippen anziehender finden. Unsere nähesten Verwandten werden auch von rosafarbenen
Tönen angezogen, allerdings an anderen Stellen. Während unserer Entwicklung zu einem aufrechten Gang begannen wir
unsere Fruchtbarkeit auf Gesichtshöhe zu bewerben.
Wenn ein Kuss beginnt werden 5 unserer 12 Hirnnerven aktiviert, und mehr als Dutzend
Gesichtsmuskeln. Eine dieser Muskeln, der Ringmuskel des Mundes, erlaubt es uns, unseren Mund ringförmig zu kräuseln, in
derselben Form wie ein Baby das gestillt wird. Das ist der erste Hinweis auf den Ursprung der Küsse. Das Stillen ist
neurologisch gesehen eine unglaublich angenehme Erfahrung, es führt zu der Freigabe von Wellen des Hormons Oxytocin,
welches die Verbundenheit und die Liebesgabe der Mutter an das Kind stärkt. Diese Verbundenheit ist so stark, dass
man mit einer Wahrscheinlichkeit von zwei Drittel den Kopf beim Küssen nach rechts dreht. Der Grund dafür könnte sein dass
80% der Mütter ihre Babies nach links halten, daher sind wir daran gewöhnt unseren Kopf
nach rechts zu drehen um es bequem zu haben, und unseren Mund nach oben zu kräuseln.
Wenn man sich näher kommt, wird es Zeit, die Nase zu nutzen. Die ältesten bekannten Bezüge zum Küssen stammen
aus Texten in vedischer Sprache aus dem Jahr 1500 vor Christus, die es als "Schnüffeln" oder "Geruch" bezeichnen. Und
in vielen Kulturen ist das Küssen immernoch hauptsächlich eine Erfahrung für die Nase.
Der Atem kann uns Hinweise auf die Gesundheit eines potenziellen Parners geben, vielleicht können wir sogar eine gute
genetische Kompatibilität riechen. In einem berühmten Experiment haben Frauen an T-Shirts gerochen, die von verschiedenen Männern getragen worden waren,
und haben dann den Geruch nach Präferenz bewertet. Überwiegend bevorzugten die Frauen den Geruch von Männern
mit Genen im Immunsystem die verschieden von ihren eigenen waren. Es ist fast als würden wir die Kompatibilität
mit einem Kuss testen.
Zuletzt, die Berührung. Unsere Lippen gehören zu den dünnsten Hautstellen in unserem Körper, und sind von vielen Nerven durchzogen,
und in der Körperfühlsphäre in unserem Gehirn ist mehr Platz unseren Lippen gewidmet als
unseren Genitalien. Das Gefühl des Küssens sendet Signale direkt zu dem Vergnügungs-
und Belohnungzentrum in unserem Gehirn, und setzt ein ganzes Spektrum an Neurotransmittern und Hormonen frei.
Obwohl keine einzige Chemikalie in unserem Gehirn allein für so etwas komplexes wie das Küssen verantwortlich sein kann, können wir
fühlen, dass einige von ihnen daran beteiligt sind. Ein erster Kuss führt zu einem Reiz des Neuen, während eine Flut von Dopamin
auf dieselben Belohnungszentren in unserem Gehirn wirkt das durch Drogen wie Kokain angesteuert werden. Es kann sogar
zu Gefühlen von Entzug und Abhängigkeit führen.
Dank Adrenalin und Noradrenalin schlägt unser Herz schneller, und wir fühlen eine Welle von
mit Sauerstoff angereichterm Blut in unser Gehirn fliessen, und unsere Pupillen erweitern sich, und vielleicht ist das der Grund warum wir unsere
Augen schließen, wenn wir uns küssen. Die Hypophyse und der Hypothalamus können Wellen von Endorphinen freisetzen, die
zu Gefühlen von Euphorie fühlen. Trotz all diesen Geschehnissen im Verlauf von Mikrosekunden kann es sich so anfühlen
als ob die Zeit stillsteht. Während die Minuten des Kusses sich in Tage und Wochen verwandeln, produziert
der Körper geringere Mengen des Stresshormons Cortisol. Es scheint als wenn das Küssen
gut für die langfristige Gesundheit ist.
In Umfragen stufen Frauen im Vergleich zu Männern das Küssen durchweg als wichtiger für Beziehungen ein.
Vielleicht ist der Grund dafür, dass sie die Kinder austragen, und dadurch
biologisch gesehen ein bisschen mehr durch die Dinge beeinträchtig werden, die nach dem Küssen kommen.
So wichtig wie das Küssen auch für den Geschlechtsverkehr ist, diese beiden Dinge sind oft auch komplett voneinander getrennt.
Nicht nur dass Menschen das Küssen oft als intimer empfinden als den Geschlechtsverkehr selbst, Forscher
sagen dass Menschen sich oft mehr an ihren ersten Kuss erinnern, als an
ihr erstes Mal.
Es ist offensichtlich, dass wir das Knutschen sehr ernst nehmen. Die Römer haben das Teilen von Besitztümern
in einer Ehe darauf basierend beglaubigt, ob die Verlobten sich bereits geküsst hatten, und im Mittelalter
konnten Männer die weder lesen noch schreiben konnten einen Vertrag besiegeln, in dem sie ein geschriebenes "x" küssten, ein Symbol
das wir noch heute benutzen.
Obwohl Küssen im entstehungsgeschichtlichen Sinn nicht notwendig zur Fortpflanzung ist, machen mehr als 90%
der menschlichen Kulturen es auf die eine oder andere Art. Wir nennen es schnäbeln, rummachen,
busseln, knutschen und mehr. Vielleicht haben wir so viele Wörter für das Küssen, weil
das Küssen so viele Dinge sein kann. Küssen hat sich von seinem biologischen Ursprung zu einer
komplexen, diversen menschlichen Handlungsweise entwickelt, welche oft nicht dasselbe für zwei Menschen bedeutet,
selbst wenn diese beiden Menschen einander küssen.
Obwohl wir kleine Teile der Wissenschaft des Küssens verstehen ist es gefährlich,
etwas mit sovielen Facetten, etwas das so verschieden ist wie die Leute die es tun, zu verallgemeinern. Die meiste
Forschung die sich mit Kissen beschäftigt ist fokussiert auf heterosexuelle, cisgender Paare, oft
Studenten, aber es gibt so viele Arten von Küssen in der Welt. Wie in vielen Forschungsgebieten
haben wir noch viel zu lernen über die Wisschenschaft des Küssens. Vielleicht ist das der Grund, dass wir es
immer wieder tun. Bleibt neugierig!
Wenn du noch mehr über die beeindruckende Wisschenschaft des Küssens wissen willst, schau dir das Buch
"The Science of Kissing" von meiner Freundin Sheril Kirshenbaum an, der Link ist in der Beschreibung.