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Bulgarische Handwerke
Die Kinder erlangen bei der Entwicklung ihrer Fähigkeiten Sicherheit,
die Völker tun das mittels der Handwerke.
Bei den Bulgaren blühte das traditionelle Handwerk
in der Zeit der Wiedergeburt auf.
Die Ästhetik war funktional und elegant zugleich.
Das Erlernen eines Handwerks begann in frühester Jugend,
wobei die Feinheiten des Gewerbes von Vater auf den Sohn
und von Mutter auf die Tochter übertragen wurden.
Das wahre Können musste vor Vertretern der Zunft unter Beweis gestellt werden.
Nur nach einer Meisterprüfung konnte man ein Geschäft eröffnen
und darin seine selbst hergestellten Waren verkaufen.
Die Traditionen des Töpferhandwerks in Bulgarien haben tiefe Wurzeln
und gehen auf die Thraker und Römer zurück.
Die Töpfe, Kannen, Schüsseln und Teller
sind wahre Meisterwerke aus Ton.
Die Formen sind simpel, gleichzeitig vollendet,
weil sie der Natur entlehnt sind.
Dieses Handwerk ist zu einer wahren Kunst geworden,
in der sich die verschiedensten Stile und Epochen verquicken.
Die Muster auf den Gefäßen werden eingeritzt,
aufgemalt oder als Applikation angebracht.
Das Töpferhandwerk ist nicht nur vielseitig, es erzählt auch Geschichten –
über das warme Gericht in der Schüssel,
das erfrischende Wasser in der Kanne
und das Mädchen mit dem langen Zopf,
dass zur Quelle geht, um Wasser zu holen.
Wenn die Töpferei für die Bulgaren eine Kunst ist,
dann ist die Holzschnitzerei für sie eine wahre Leidenschaft.
Bezeichnend dafür ist eine Geschichte des Daskalov-Hauses in Tryavna.
Anfang des 19. Jahrhunderts meinte eines Tages
der reiche Händler Christo Daskalov, dass sein Haus
seinen Vorstellungen nach unvollendet sei –
es fehle die Innendekoration.
Er rief die zwei angesehensten Meister
Dimitar Oshanetsa und Ivan Bochukovetsa,
die sich gegenseitig zu übertrumpfen versuchten.
Die Holzdecken, die sie im Daskalov-Haus schufen
suchen bis heute ihresgleichen.
Die Bulgarin ist eine geschickte Weberin.
In der Wiedergeburtszeit erlebte jedoch auch die Herstellung von Besatzschnüren eine Entwicklung.
Mit den geflochtenen Schnüren wurden vor allem
Kleidungsstücke aus grobem Wollstoff verziert.
Zuerst wurden sie in Handarbeit von Spinnerinnen angefertigt.
Mit dem Aufkommen von speziellen Maschinen für Besatzschnüre
ging man zur Massenproduktion über.
Die Bulgaren überraschen gern ihre Gäste mit Dingen,
die handwerkliches Geschick und Phantasie abverlangen.
Die Teppiche aus Chiprovtsi, Samokov und Kotel
zeichnen sich durch einen eignen Stil aus.
Sie bestehen meist aus Schafswolle,
die mit natürlichen Farbstoffen kräftig gefärbt ist
und auf dem Handwebstuhl verarbeitet wird.
Die Ornamente sind vielfältig, vor allem geometrisch
und sind streifenartig oder im Schachbrettmuster angeordnet.
Man trifft auf stilisierte Blumen, Pflanzen, Vögel und andere Tiere –
Motive, die seit alters her als Kunst anerkannt sind.
Im verhältnismäßig kleinen Bulgarien
gibt es eine große Vielfalt an Handwerksberufen –
Messerschmiede, Viehglockenhersteller, Kesselschmiede
und eine Reihe anderer bekannter, aber auch fast vergessener Handwerke.
In Bulgarien gibt es etliche Handwerkszentren,
wie die Samovodksa-Handwerks- und Handelsstraße in Veliko Tarnovo,
der ethnographische Komplex „Etara“ bei Gabrovo,
wie auch in Dobrich und in einer Reihe anderer Städte.
Alle bulgarischen Handwerke sind Ausdruck des Geistes unseres Volkes,
seinem Streben nach Schönheit und Vervollkommnung,
das genetisch der bulgarischen Nation eigen ist.
Außer der schönen Erinnerung an die Zeit,
als die Handwerke untrennbarer Teil des Alltags der Menschen waren,
sind sie heute Teil der Tourismusindustrie
und damit eine liebe Erinnerung an jeden Bulgarienaufenthalt.