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Unser erstes Album hatte relativ kontrovers eingeschlagen in Deutschland
und wurde viel diskutiert. „Was kommt danach von Rammstein?"
Und dann kam eben „Sehnsucht".
Und „Sehnsucht" war ja fast sofort noch erfolgreicher,
gerade mit der ersten Auskopplung „Engel".
Das war schon eine relativ große Produktion.
Bei dem Video „Engel" haben wir überlegt:
Wo soll die Reise hingehen? Was kann es sein?
Wir haben uns immer inspirieren lassen von Filmen, von Klassikern.
Das war, glaube ich, zu der Zeit, als „From Dusk Till Dawn" in den Kinos war.
Von dieser Szene waren wir extrem inspiriert.
Ich war damals noch nicht Regisseur, sondern Konzepter.
Ich habe diese Idee genommen und daraus den Ablauf gebaut.
Da hat auch noch Daniel Lwowski, ein Kollege von mir, mitgeholfen.
Wir haben alle geholfen und sind dann nach Hamburg gefahren
und haben dort das Video gedreht.
Die Atmosphäre am Dreh war toll, weil die Location, diese Bar in Hamburg,
sehr eigen ist und eine wunderschöne Atmosphäre hat.
Das ist der Hamburger Hafen und das war so ein kleiner, geiler SM-Club.
Es hat einen guten Look und eine Unverwechselbarkeit
und vor allem das Singen der beiden Kinder ist ein totaler Aufhänger.
Die Käfigkinder waren nicht aus unserem Bekannten- oder Freundeskreis.
Die wurden von dem Regisseur gecastet.
Das war alles aus dem Umkreis von dieser „Prinzenbar".
Da waren teilweise Angestellte, Kellnerinnen, Besucher der „Prinzenbar".
Die ist oder war ja bekannt für ihre wöchentliche SM-Veranstaltung.
Da waren dann auch ein paar Mädels mit bei.
Das war eine sehr illustre Runde. Das hat Spaß gemacht.
Meine Wahrnehmung ist, dass Rammstein
eine ziemlich schräge Sache ist, musikalisch und textlich.
Die Texte erinnern mich an deutschen Expressionismus der 10er- und 20er-Jahre.
Das hat etwas ganz schräg, surreal, verdreht, blutig Erotisches.
Wenn diese schräge, kantige, brockige Angelegenheit
im Abseits von Berliner Avantgarde geblieben wäre,
dann hätte man sich auch nicht gewundert.
Und das kommt nun und wird Weltmusik, trotz deutscher Texte.
Das ist ein unglaublicher Vorgang, der bis zum heutigen Tage fasziniert.
Die Schlangenfrau, die war cool.
Die Kontaktlinsen von der Frau sind immer verrutscht.
Das war unheimlich nervig.
Bei Schlangenaugen ist der Schlitz immer aufrecht,
aber eine Kontaktlinse dreht sich immer.
Damit haben wir am Set gekämpft.
Die hatte einen Metall-Bikini an. Das fand ich sehr beeindruckend.
Der war komplett aus Metall gebastelt, irgendwie zusammengehäkelt.
Die war auch sehr hübsch.
Und dann sollte oder durfte Flake über das Bein und den Fuß
den Champagner oder den Tequila trinken, oder was auch immer das war.
Ich weiß, dass Flake so nervös war und schon
sehr zittrig, diese sehr lustige Szene auch wirklich gut umzusetzen.
Aber es kommt total gut rüber und sehr authentisch.
Ich glaube, er hatte wirklich Angst.
Sie kam dann mit der Schlange auf ihn zu
und goss dann über ihr Bein echten Tequila in seinen Mund.
Und dann durfte er vom Nektar naschen. Das fanden alle sehr, sehr geil.
Er war davon nicht so angetan, das ist nicht so sein Ding.
Obwohl er ein kleiner *** ist, aber das fand er nicht so gut.
Nimm mal den Fuß einer hübschen Frau einfach so in den Mund.
Der Fuß wurde besonders gestylt,
übergepudert und auch noch mal ganz sorgfältig gewaschen.
Das war wirklich ein Highlight.
Ich weiß noch, für Paul war es ganz schlimm,
dass er den gesamten Dreh am Schlagzeug sitzen musste
und nicht mitreden konnte.
Paul ist so ein Typ, der gern mit dabei ist und
gerne auch mal Ratschläge gibt ungebetener Art.
Vor allem dem Regisseur zu sagen, was er machen und nicht vergessen soll,
ob das hell genug ist und ob man nicht besser von hier filmen sollte.
Er hat immer Extra-Ideen, die er von dort hinten schwer einbringen konnte.
Er war wie gefesselt an diesem Platz und es war für ihn echte Quälerei,
den gesamten Tag dort in dieser sehr limitierten Position zu verbringen.
Das ist ein bisschen verwirrend,
dass nur ein Teil der Band performt und auch singt.
Wir haben die Band in zwei Gruppen geteilt: Eine spielt die Band
und die anderen spielen Besucher, die zur Party gehen.
Das war in dem Fall blöd. Entweder der Sänger singt das oder gar keiner.
Das war der erste Fehler, dadurch ist das so komisch, so klemmig.
Richard und Olli können das nicht so singen, wie man es singen müsste.
Da fehlt schon mal die erste Energie.
Und Till und Schneider und Flake, die Besucher,
sind nicht richtig beleuchtet und sitzen verklemmt rum.
Heute hätte ich es wahrscheinlich besser gefunden,
wir hätten alle performt und gespielt und das dann zusammengeschnitten.
Damals war es uns total wichtig, dass es keine Handlungsstränge gibt,
die theoretisch nicht zugleich passieren können.
Da gab es so eine Szene, wo wir drei Jungs
quasi in diese Bar gehen.
Da mussten wir eine Wand hochspringen und da war ein Nagel drin.
Da gerade gedreht wurde, konnte ich nicht „Aua" schreien.
Ich musste in den Nagel greifen und mich da hochziehen.
Ich habe eine Riesen-Narbe hier.
In einer Szene schmeiße ich eine Snare, eine kleine Trommel, runter.
Wir haben den Größten im Publikum gefragt: „Kannst du die mal auffangen?"
Denn das war Schneiders echte Snare, die wollten wir nicht kaputt machen.
Der hat die aufgefangen und ab da war er unser Security für die nächsten Jahre.
Der hieß „Herman the German".
Und weil er so beeindruckend aussah, der war oder ist Wrestler,
haben wir ihn mitgenommen. Das war eine lustige Zeit.
Wir haben auch gemerkt, dass der Assistent Philipp Stölzl gut ist.
Sie hatten mich so ein bisschen wahrgenommen als Kreativen
hinter diesem Video, was mich natürlich gefreut hat.
Und beim nächsten Video, ich hatte noch nie ein Video gemacht,
haben sie gesagt: „Mach du doch mal", so auf ihre schnoddrige Art.
Ihm haben wir dann im nächsten Video, bei „Du hast", die Chance gegeben.
Oder sagen wir mal so, wir dachten, dass er ein guter Regisseur wäre.
Das hat sich auch bestätigt.
Ich glaube, das war ein gutes Video. Das hat gepasst.
Das war ein guter erster kommerzieller Auftritt für Rammstein.
Aber am Ende ist das natürlich ein Wahnsinns-Teil, der Song selber.