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"Ich Endesunterzeichnete, Miche..."
"Ich Endesunterzeichnete..."
- "Micheline..." - Ja.
"Ich teile Ihnen hiermit mit..."
Sie haben Mühe mit Lesen. Ich werde es Ihnen vorlesen.
Dann besprechen wir es,
und Sie können mir sagen, ob es immer noch Ihrem Wunsch entspricht.
"Ich Endesunterzeichnete, Micheline B., wohnhaft in Paudex,
beantrage hiermit bei EXIT ADMD Hilfe,
um meinem Leben ein Ende zu setzen.
Ich bin seit dem 4. Oktober 2004 Mitglied Ihres Vereins und
stelle dieses Gesuch entschlossen und im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte.
Die Krankheit, an der ich leide, ist unheilbar.
Meine körperlichen und geistigen Beschwerden sind unerträglich.
Meine Lebensqualität ist mir unzumutbar geworden.
Ich bin nach reiflicher Überlegung zu diesem Entscheid gelangt.
Die Menschen, die bei meinem Freitod anwesend sein werden,
haben mit dieser meiner Wahl nichts zu tun."
- Sie möchten Sterbehilfe von uns? - Ja.
Sie sind sich also im Klaren, dass wir von Ihrem Lebensende sprechen?
Dass Sie selbst diese unwiderrufliche Tat ausführen?
Ich weiss.
Ich glaube aus tiefster Seele, dass es das Beste für sie ist.
Nach allem, was wir die letzten fünf Monate durchgemacht haben...
Sie will ja nicht ins Pflegeheim.
In gewissen sozialmedizinischen Institutionen wären Sie nicht allein.
Sie wären von sympathischen Menschen umgeben...
- Das wäre noch möglich! - Aber dort hat es nur Alte.
Ich bin zu jung für so ein Pflegeheim.
Man könnte auch sagen, dass Sie zu jung für den Tod sind.
Das ist was anderes.
- Inwiefern? - Es ist einfach was anderes.
Sie kann das Alleinsein hier nicht mehr ertragen.
Sie sagt: "Was ist das für ein Leben? Ich gehe ins Café, komme zurück,
um dann den ganzen Tag allein zu sein?"
Das ist doch kein Leben.
Ich will nur noch sterben.
Ihr Hausarzt hat mir gesagt, er wäre bei Ihrem "Abschied" dabei.
Ihre Freundin Magali ebenfalls.
Möchten Sie eventuell sonst noch jemanden dabeihaben?
Huguette will nicht kommen.
Sie kommt schon am Freitagabend vorbei.
- Das genügt ihr sicher. - Dann können Sie sich verabschieden.
Möchten Sie sich sonst noch von jemandem verabschieden?
- Wie haben Sie es geplant? - Bei mir daheim, mit meiner Mutter.
Sie ist Mitglied Ihres Vereins. Mein Mann wird auch dabei sein.
Wir behandeln es wie Weihnachten und Neujahr.
Wir werden Karten spielen. Das mag sie. Wir tun, was wir können.
- Ängstigt Sie diese Reise nicht? - Nein.
Haben Sie eine Hoffnung für "nachher"?
Ich werde meine Eltern wieder sehen.
Ja, man sagt, man sehe die Menschen wieder, die man lieb gehabt hat.
- Ich versprach Ihnen meine Hilfe. - Danke.
Entspricht das von Ihnen gewählte Datum Ihrem Wunsch?
Ja, der zweiundzwanzigste.
Zweiundzwanzig ist eine gute Zahl.
Sie spielte gern im Kasino. Vielleicht benützte sie diese Zahl.
- War die 22 Ihre Glückszahl? - Nein, eigentlich nicht.
- Nun, es ist eine Zahl. - Ja, es wird meine sein.
- Hallo?
- Ja, gern.
Ich leide seit sechs Jahren an einer schweren Depression.
Morgens finde ich das Leben besonders schwierig.
Ich habe mir gedacht... Ich kann das nicht am Telefon sagen.
Ich muss sofort etwas klarstellen.
- Wie bitte?
Wenn Sie während dem Gespräch herausfinden wollen, ob...
- Sie mir etwas verabreichen können...
Wir mischen uns im Fall "nur" einer Depression nicht ein...
- Selbst in schwerwiegenden Fällen?
- Guten Tag.
- Ja.
Ich will seit einer Weile Mitglied Ihres Vereins werden.
Ich habe es immer wieder aufgeschoben. Ich bin nicht krank, soviel ich weiss.
Aber ich gehe oft paragliden.
Kollegen verunfallen und sterben oft oder sind ihr Leben lang behindert.
Querschnittlähmungen sind eine recht häufige Folge.
- Das kann zwar auch bei einem Autounfall passieren.
Kann man bei Ihnen eine Erklärung ausfüllen, dass man nach einem Unfall
nicht um jeden Preis am Leben erhalten werden will...?
- Krebs.
- Ich habe nicht mehr lange zu leben.
Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass wir so viele Anfragen haben...
Wer nicht rechtzeitig Mitglied wurde... Wir berücksichtigen die Schmerzen
eines Menschen, aber es gibt Grenzen. Wir haben nicht genug Begleiter.
Wir könnten weder nächste noch übernächste Woche einschreiten.
Sie müssen uns ein bisschen mehr Zeit geben.
- Ich bin zu empfindlich.
Sie sind zu empfindlich. Aber sind Sie denn krank?
- Ich habe Multiple Sklerose.
Sie möchten also unserem Verein beitreten,
um ein Ende zu vermeiden, das schwierig sein könnte.
Alles soll geregelt sein. Eigentlich möchte ich mich nicht sofort umbringen.
Ich würde gern eines natürlichen Todes sterben.
Aber mein Zustand ist so schwierig, dass ich manchmal gern...
- Ich will über alles verfügen...
Man droht mir mit einem Pflegeheim oder gar...
Ich weiss, Schmerzmittel sind bald unvermeidbar...
Wie geht das also bei Ihnen?
Ein Sterbehelfer kommt auf ein erstes Gespräch vorbei.
Meistens noch ein 2. Dann setzen Sie ein Datum, einen Tag, eine Stunde, fest.
Dann kommt derselbe Begleiter mit der tödlichen Substanz zu Ihnen.
Der Begleiter bleibt bei Ihnen, bis Sie... aus der Welt scheiden.
- Ich bin noch nicht ganz bereit.
Es ist gut, diese Fragen zu stellen.
Ich plane gerne voraus. Es ist so schwierig, wenn man allein ist.
- Richtig.
- Ich habe viele Sterbende begleitet.
Ich sollte mutiger sein, aber es ist einfach so schwer.
- Wenn man bei klarem Verstand ist.
- Guten Tag, Pierrette. - Tag, Marianne!
- Schön, dich zu sehen! - Ebenfalls!
Ich bin ganz ausser Atem nach dem Treppensteigen! Zwei Stockwerke!
- Das hält dich in Form! - Hübsch siehst du aus heute!
Danke. Bitte komm doch herein!
- Wie geht es unserem lieben Bernard? - Tag, Marianne!
Und dem süssen kleinen Hund?
- Zuerst der Hund. - Ja, natürlich!
- Tag, Bernard, wie geht es dir? - Na ja... Könnte besser gehen.
Besser?
- Ja, und das Morphium? - Hör auf. Dem geht es gut.
Lindert es die Schmerzen?
Samstagabend dachte ich, ich müsse ins Spital.
Ich war völlig blockiert, konnte mich nicht mehr bewegen.
Ich schrie um Hilfe, weil Pierrette schlief. Ich war hier.
Dann brach sie vor mir zusammen, weil sie zu schnell aufgestanden war.
- Wenn du hier gewesen wärst... - Wann war das?
- Am Samstag. - Ich war zu Hause.
Samstagmorgen um 1 Uhr. Es war unerträglich.
- Du kannst mich immer anrufen. - Mitten in der Nacht...
Das ist schon vorgekommen. Ich schlafe leicht wieder ein.
Ich leide an Schlaflosigkeit.
Es macht mir nichts aus.
Es wäre gut gewesen, mit dir zu reden, ein verständnisvolles Ohr zu finden.
Ich habe mehrere Patienten begleitet. Nur wenige haben die Arznei getrunken,
weil sie gute Schmerzmittel erhielten.
Zum Beispiel eine Frau, die gut betreut wurde. Sie hatte den Tag gewählt.
Ihre Tochter teilte mir mit, sie liege im Koma. Also besuchte ich sie.
- Dich besuchte ich auch. - Ja, stimmt.
Ich sagte ihr, es sei unnötig,
in einen Wachzustand zurückzukehren, nur um die Arznei zu trinken.
Wenn sie sie schlucken konnte.
Sie verstarb 15 Minuten nach meinem Weggang.
Ohne die Arznei einzunehmen?
- Ja, sie lag doch im Koma. - Richtig.
Ihre Angehörigen waren bei ihr. Ich hatte sie zuvor nur einmal gesehen.
- Hattest du die Arznei dabei? - Ja, klar.
Warum hast du sie nicht hier gelassen?
Weil du dann nicht mehr hier wärst, um uns darüber zu berichten.
Ich hätte gewartet, bis sie mich besucht hätte.
Ja, du möchtest einen kleinen Besuch.
Selbst wenn es mir miserabel ginge, würde ich es nie tun,
wenn meine Töchter, du und meine Frau nicht anwesend wären.
Und zuvor ein feines Essen. Das ist so klar wie Klossbrühe.
Und wenn ich liegend essen muss!
Nicht unbedingt ein "Fest", aber...
Wenigstens eine gute Flasche Wein...
Mit meinen Kindern, meiner Frau und dir.
Daran liegt mir. Das letzte Mal, dass ich mich vollaufen lasse.
Das ist doch kein Problem, oder?
- Kein Problem? - Überhaupt nicht.
- Sogar mehrere Gläser? - Im Gegenteil.
Es ist ja ein Barbiturat. Essen solltest du hingegen nicht so viel...
Dann trink ich und schau euch beim Essen zu.
Bereitest du dich darauf vor?
Es mag grässlich klingen, aber wenn er "morgen" sagt, dann wird es morgen sein.
Ja, ich bin bereit, sei es heute oder in zehn Jahren.
Er darf aber nie mehr so leiden wie am Samstag, das wäre zu schlimm.
Wie er vor dem Bett stand und sagte: "Ich kann einfach nicht mehr."
- Wir haben es besprochen. - Du hast es akzeptiert.
Trotz all unseren gemeinsamen Jahren gehört sein Leben nicht mir.
- Ich bin seine Frau. - Seine Schmerzen...
Es sind seine Schmerzen. Er muss sie aushalten.
Die kann ich ihm nicht abnehmen, trotz allem, was ich sonst für ihn tun kann.
- Der schönste Liebesbeweis. - Absolut.
Ich will damit nicht sagen, dass es leicht sein wird.
Ich weiss, ich kann mich auf meine Töchter und auf dich verlassen.
Ich weiss, dass Bernard uns um sich haben will.
Nicht mit einem Taschentuch, sondern mit einem Glas in der Hand,
sagen wir ihm, dass dies sein Wunsch ist.
Dass er da, wo er hingeht, keine Schmerzen mehr haben wird.
- Hat er gelitten? - Nein, aber er war sehr schwach.
Er litt vor allem psychisch. Es frustrierte ihn,
dass er nicht mehr gehen konnte...
Er konnte sich nicht mehr selbst waschen. Er war wirklich sehr schwach.
Es dauerte nur eine halbe Stunde. Er verstarb fast auf der Stelle.
- Er entschlief sanft. - Ein würdevoller Tod. Wie schön.
- Guten Tag. Danke. - Sie haben Ihre Mitgliedskarte? Gut.
- Tag, Sie können hineingehen. - Jemand begleitet mich.
Sie sind nicht Mitglied? Würden Sie uns bitte Ihre Adresse hinterlassen?
Meine Damen und Herren!
Ich begrüsse Sie bei der Jahresversammlung
von EXIT ADMD - Welsche Schweiz.
Der erste Punkt der Tagesordnung:
die Genehmigung des Protokolls der letzten Jahresversammlung.
Genehmigen Sie es, indem Sie jetzt Ihre Hand erheben.
- Heb deine Hand, Louise. - Danke.
Der neue Freitod-Ratgeber steht Ihnen ab sofort zur Verfügung,
dank der Arbeit von Vizepräsident Denervaux
und Dr. Strasser. Ich danke beiden aufrichtig.
Ganz besonders möchte ich mich
bei unserem kleinen Sterbehelferteam bedanken,
das dieses Jahr Beträchtliches geleistet hat.
Schwierige, jedoch für unseren Verein so wichtige Arbeit.
Unsere Begleiter
haben 35 Mitgliedern in aller Offenheit Sterbehilfe geleistet.
Im Namen aller Anwesenden möchte ich ihnen wärmstens danken.
Es freut mich, dass Frau Denise Voser, die anwesend ist,
ihre Ausbildung als freiwillige Sterbehelferin abgeschlossen hat.
Sie arbeitet jetzt allein und ich möchte ihr herzlich gratulieren.
Es gibt immer mehr Sterbehilfegesuche. Viel Zeit muss investiert werden,
um eine qualitativ hochwertige Begleitung zu erzielen.
Es ist möglich, dass wir bald zu viele Anfragen
und zu wenige Begleiter haben.
Ein 85-jähriges, lediges EXIT-Mitglied
will seinen Lebensabend auf keinen Fall in einem Pflegeheim verbringen.
Kann er darauf zählen, von EXIT die geeignete Arznei zu erhalten?
Er bräuchte keinen EXIT-Begleiter, sondern nur die Arznei.
Meine Antwort: Falls dieser Patient an einer Krankheit leidet
und die von uns festgelegten Kriterien aufweist, d.h.:
er ist voll urteilungsfähig, hat sein Gesuch mehrmals eingereicht
und leidet an einer Krankheit, die ihm grosse Schmerzen bereitet.
In diesem Fall können wir ihm helfen.
Das bedeutet aber, dass wir an seiner Seite sind und die Arznei mitbringen.
Wir sind dafür verantwortlich. Wir verschicken sie nicht per Post.
Die Person könnte sie einnehmen oder jemand anderem übergeben.
Es handelt sich um ein tödliches Gift.
Es ist irgendwie wie eine Waffe.
Sterben zu wollen bringt einen fast um!
Wenn Sie erlauben, noch eine letzte Frage:
Stimmt es, dass EXIT einen Prozentsatz
des Erbes verlangt, wenn der Verein dieser Person beim Freitod beisteht?
Wenn das der Fall wäre, dann hätten wir sicher nicht
über eine Erhöhung der Mitgliederbeiträge abgestimmt!
Sonst wäre ich nicht eingeschritten.
Ich hatte letzten Monat vier Anfragen. Alle waren äusserst dringend.
Jetzt sind alle wieder beruhigt. Sie wissen, es gibt eine Lösung.
Sie wissen, dass ich ihnen helfen könnte. Aber es ist nicht nötig.
Sie wollen ja gar nicht sterben.
Entweder wir machen psychosoziale Betreuung, was nicht unsere Aufgabe ist,
oder wir überprüfen den Zustand und die Urteilsfähigkeit der Patienten.
Dann handeln wir.
- Sanft, ruhig, freundlich... - Manchmal muss es auch schnell gehen.
- Wir dürfen sie nicht im Stich lassen. - Auf keinen Fall!
Ich hatte einen Fall im Dezember. Ein Kollege unterschrieb die Todesurkunde.
Multiple Sklerose. Sein Zustand verschlechterte sich rapide.
Drei Wochen nach der Diagnose
konnte er kaum noch sprechen.
Ich komme aus Genf, und da geht alles sehr schnell. Man ruft die Bullen an,
sagt ihnen, sie sollen ohne Sirene und Blaulicht kommen.
Bei ihrer Ankunft sehen sie, dass nicht Blut von den Wänden tropft.
Also rufen sie die Sicherheitspolizei an.
Ein Inspektor kommt vorbei, der dann den Gerichtsmediziner anruft.
Das ist witzig, denn der Genfer Gerichtsmediziner ist Äthiopier.
Er kennt sich nicht so gut aus. Also warten wir...
Nach seiner Ankunft zerreisst er meine Todesurkunde.
Er stellt eine neue aus. Danach kommen die Leichenbestatter. Das ist alles.
Es ist heutzutage ganz einfach.
- Das Wichtigste: keine Schmerzen. - Richtig.
Die Gesichter sind entspannt. Die Patienten sind ruhig.
Manchmal will die Familie nicht dabei sein.
Sie sagt: "Wir überlassen das Ihnen. Sagen Sie uns, wenn es vorbei ist."
Andere wiederum möchten dabei sein.
Wenn Sie ihn dazu bringen könnten, den Tod als etwas...
...ganz Natürliches zu sehen? Nicht nötig, das tut er bereits.
In dem Fall kann alles ganz sanft über die Bühne gehen.
Er verbrachte letztes Wochenende zu Hause. Am Montag fuhr er wieder ab.
Als er aufs Taxi wartete, sagte er zu mir:
"Es wäre wirklich besser, wenn ich stürbe, für dich und für mich.
Warum hat man mich nicht sterben lassen? Ich bin 79 Jahre alt.
Das Geld hätte jüngeren Menschen mehr genützt."
Das Pflegeheim ist extrem teuer. 1'400 Franken pro Tag.
Natürlich zahlt die Versicherung, aber das kommt aufs Gleiche heraus.
Das finde ich auch...
Wir werden es akzeptieren. Er ist unglaublich hellsichtig. Und...
...äusserst praktisch. Das war er schon immer.
Er ist nicht gläubig. Darum geht es hier gar nicht.
- Das ist gut! - Vielleicht, vielleicht nicht.
Sobald er Mitglied von EXIT war, blühte er fast auf.
Das ist ganz natürlich.
Er sagte sich: "Jetzt bin ich mein eigener Boss, kann tun, was ich will."
Ich gehe jetzt. Schön, dass ich Sie getroffen habe. Das hilft mir.
Vielleicht sehen wir uns wieder. Wann Sie wollen.
Wiedersehen. Machen Sie es gut. Bravo für alles, was Sie getan haben.
Ich weiss nicht, ob ich so mutig war...
Man glaubt immer, man sei einer Sache nicht gewachsen. Aber man ist es doch.
Es war vor allem danach nötig. Die letzten 4-5 Monate.
- Das glaube ich. - Wir waren ein unverheiratetes Paar.
- Wir lebten 26 Jahre lang zusammen. - Das kommt aufs Gleiche heraus.
Wir waren also kein Zufallspaar...
Vom menschlichen Gesichtspunkt aus muss man es einfach tun.
Aber man hat Schuldgefühle. Man ist nie perfekt genug, um sich zu sagen:
"Ich kann nichts dafür."
Es gibt immer Dinge, die man besser hätte machen können.
- Wiedersehen! Vielen Dank. - Wiedersehen. Bis bald.
Tag, Denise. Hier ist Serge.
Ich hoffe, es geht Ihnen gut.
Mir gehts nicht so gut. Ich habe seit drei Tagen nicht geschlafen.
Meine Schmerzen werden immer stärker. Ich kann nicht mehr...
Ich freue mich auf unser Treffen, damit wir gründlich darüber reden können.
Ich umarme Sie, Denise, und bis bald.
Ich möchte alles behutsam und ruhig vollziehen.
Nicht so, wie ich Menschen 15 Jahre lang begleitet habe.
Sie lagen im Koma. Ich hielt sie im Arm und plötzlich wurden sie steif.
So will ich nicht sterben.
Ich leide seit einem Jahr so wahnsinnig, dass ich an meinen Freitod denke.
Aber ich halte mich zurück...
Eigentlich tue ich das einzig aus Rücksicht auf sie.
Sie wollen Ihrem Leben schon so lange ein Ende setzen.
Nicht weil ich es will, sondern weil ich muss.
Meine Lebensqualität ist unerträglich geworden.
Ich möchte Ihnen eine Frage stellen. Sie müssen sie nicht beantworten.
Was empfinden Sie angesichts seines Wunsches... nein, es ist kein Wunsch.
Es ist eine Notwendigkeit. Ich glaube, er sieht es so.
Er findet es notwendig, es zu beenden.
Der Körper und die Seele können es eine Weile aushalten.
Aber plötzlich ist das nicht mehr möglich. Man stösst gegen eine Wand.
Er macht sich grosse Sorgen um Sie.
Wir haben es lange besprochen. Das ist mir eine grosse Hilfe für die Zukunft.
- Ich sorge mich nicht mehr. - Genau. Ich auch nicht.
Selbst wenn er eines Tages geht, wird er immer noch für mich hier sein.
- Sie würde denselben Entscheid treffen. - Das stimmt.
Man darf Menschen nicht in einem Zustand lassen, mit dem sie nicht fertig werden.
Ich sehe deutlich, dass es für Sie ein Freitod ist.
Selbstmord ist etwas viel Schwierigeres.
Kürzlich sagte mir meine Apothekerin, ich könne es doch einfach daheim tun.
Weil ich so viele Medikamente, z.B. Morphium, hier habe.
Ich kann es mir selber zusammenmischen. Doch nein...
Sie sind ja da. Warum sollte ich mich verstecken?
Was für ein Bild würde ich hinterlassen, wenn ich das täte?
Im Gegenteil! Es ist mein Wunsch, dass es ganz offen geschieht,
ganz frei und mit dem Einverständnis aller Anwesenden. Der Tod eines Menschen
ist doch immer ein grosser Schock, vor allem wenn es ein Selbstmord ist.
Furchtbar. Stellen Sie sich meine Mutter vor, die mich jeden Tag besucht...
Sie öffnet mit ihrem Schlüssel die Türe und findet meine Leiche...
Das ist unmenschlich. Für mich ist das unvorstellbar.
- Guten Tag.
- Ich hätte eine Frage.
Letzten Sommer machte ich...
Ich wusste mir nicht mehr zu helfen und "flippte aus", wie man sagt.
Was haben Sie getan?
Ich war nicht ganz da.
- Doch.
- Ja, aber ich habs verpatzt.
Das ist aber eigentlich nicht das Problem.
Für uns schon. Wenn jemand einen Selbstmordversuch macht,
können wir weder einschreiten noch ihm helfen,
falls er an einer psychischen Krankheit leidet.
Das gibts ja nicht!
Unsere Regeln sind sehr streng. Tut mir Leid...
Selbst wenn ich schon jahrelang Mitglied von EXIT bin?
Ich bin Mitglied geworden, weil ich Multiple Sklerose habe.
Ach so. Darf ich fragen, in welchem Stadium Sie sind?
Seit 96 verschlechtert sich mein Zustand langsam aber sicher.
Wie steht es mit Ihrer geistigen Verfassung? Wollen Sie eines Tages...
- Ich denke, mein Entscheid steht fest.
Ich möchte nicht zu so einem Gemüse werden, wie ich es im Spital sehe.
Dann schicke ich Ihnen eine Erklärung, die Sie abschreiben müssen.
Schicken Sie sie zurück. Ich gebe sie dem Arzt und rufe Sie dann zurück.
- Ja.
- Gleichfalls. Danke. Wiederhören.
- Was muss ich jetzt tun? - Schreiben Sie ein "F", wie hier.
Machen Sie einen Querstrich. Prima!
"...und da ich..."
- Ist es gut so? - Ja.
Gut so.
Wunderbar.
Erinnern Sie sich noch, dass wir vor 2 Jahren über diesen Brief sprachen?
- Sie konnten keinen Stift halten. - Nein, ich erinnere mich nicht.
Als wir uns letztes Jahr wieder trafen, sagten Sie,
dass Sie diese Freitod-Erklärung schreiben wollten.
Wenn der Zeitpunkt käme... Sie sagten mir, Sie seien in Remission.
Aber Ihnen scheint es so viel besser zu gehen als vor 2 Jahren.
Ach was! Der Schein trügt!
Mein Körper sieht aus wie derjenige einer Person meines Alters: 45 Jahre.
Aber ich fühle mich wie eine alte Frau.
Wegen Ihrer reduzierter Mobilität?
Ganz genau. Ich hänge von jedem Menschen ab.
Von jeder Hilfsschwester und jedem Spitalhelfer...
Was würden Sie vorschlagen? Was wäre das Beste für mich?
Ich stelle Ihnen diese Frage,
weil ich diese Möglichkeit gewählt habe...
Was ist die beste Lösung für mich?
Ich kann ein Stück blauen Himmels sehen, aber das ist wohl nur Einbildung.
Es war eine ältere Dame, die unheimlich litt.
So sehr, dass sie die Welt einfach nur noch die Welt verlassen wollte.
Ich fand es sehr beeindruckend, wie sie ging: als verreise sie.
Sie liess die ganze Wohnung von ihrer Putzfrau reinigen.
Wo ist denn der Weg? Da irgendwo, ich weiss nicht.
Sie liess den Kühlschrank ausräumen und hatte das Fernsehkabel herausgezogen.
- Lebte sie allein? - Ja. Alles musste perfekt sein.
Sie hatte sogar den Tag ihres Freitodes hinausgeschoben,
weil der Rollladen repariert werden sollte. Alles sollte tipptopp sein.
Als ginge sie auf eine lange Reise.
Sie umklammerte meine Hand.
Sie trank die Arznei und schlief ein.
Kaum 10 Minuten später war sie entschlafen.
Ihre Freundin schaute mich an. Sie empfand es gleich wie ich.
Wir haben beide gespürt, wie sie ging. Ich fragte mich...
Nein, jetzt nicht mehr. Ich glaube, ich bin wirklich...
Die Seele, der Geist oder wie immer man es nennen will, verlässt den Körper.
Wer die tödliche Arznei trinkt, weiss, was er tut und warum.
Sie bewirkt den Tod. Also gibt es keinen Grund, im Körper zu bleiben.
Ein Mensch, der tagelang im Sterben liegt und dem die Hand gehalten wird,
stirbt oft, wenn die Begleitperson einen Kaffee trinken oder aufs WC geht...
Weil dann die Bindung unterbrochen wird.
Die Liebe zwischen den beiden Menschen hält den Sterbenden vom Sterben ab.
Ich habe festgestellt, dass wenn man sagt: "Es ist, wann Sie wollen...",
die Leute ganz beruhigt und erleichtert sind. Sie können gewisse Sachen regeln.
Sie können den Gedanken an ihren Tod ins Auge fassen.
Über die Hälfte der Leute sterben eines "natürlichen" Todes,
d.h. ohne den Todestrank einzunehmen, weil sie beruhigt sind.
Die meisten wollen ja nicht sterben, sondern keine Schmerzen mehr haben.
Als ich klein war, nahm mich mein Vater mit, um Sterbende zu besuchen.
Wir sagten: "Herr Soundso ist krank, er wird bald sterben."
Die Menschen wussten, dass sie sterben würden.
Sie sagten: "Ich fühle mich müde und verlebt. Ich gehe jetzt."
Heute ist es anders: Die Leute entdecken ihre Sterblichkeit, wenn sie krank sind.
Wie wahr!
Ich habe an mir gearbeitet und mich verändert.
Ich hatte Angst vor dem Sterben. Aber jetzt weiss ich,
dass beim Tod nur der Körper stirbt. Man verliert den Körper.
Der Geist ist immer noch am Leben. Er lebt ewig.
Nur die wenigsten Menschen sind fähig,
Freitodbegleitung zu machen.
Wir können es, weil wir unser eigenes Problem mit dem Tod gelöst haben.
- Offensichtlich! - Das ist von grösster Wichtigkeit.
- Das muss gesagt werden. - Klar.
Du könntest sonst nicht ruhig neben einem Sterbenden sitzen,
weil es dich mit deinem eigenen Tod konfrontieren würde.
Wir versuchten alles, um ihre Schmerzen zu lindern.
Sprichst du von Juliette?
Nein, von einer Frau, die ich letzte Woche besuchte.
Ihr Mann ist sehr verständnisvoll. Das beeindruckt mich immer wieder:
Die Liebe der Angehörigen. Menschen, die es aus Liebe akzeptieren,
ihre Mutter oder ihre Frau sterben zu sehen.
Es berührt mich jedes Mal neu. Wenn "ihr" Tag kommt, werde ich traurig sein.
- Wirklich? - Ich muss lernen, neutral zu bleiben.
- Guten Tag.
Ich habe heute Morgen Ihre ergreifende Karte erhalten.
Ich wollte Sie lieber zurückrufen, statt Ihnen unsere Dokumentation zu schicken.
Ich habe jetzt zum dritten Mal Krebs.
Ich bin also ernstlich mit dem Tod konfrontiert.
Ich möchte keine furchtbare und unnötige Agonie durchmachen.
Das ist verständlich.
Falls möglich... nicht sofort, aber einfach für den Fall...
...ich habe mit meinem Mann und meinen Kindern darüber diskutiert...
Ich hätte gerne eine Freitodbegleitung.
- Ich bin ganz ergriffen.
Ich bin froh, dass Sie mich so schnell kontaktiert haben.
Ich fülle die Formulare aus, sobald ich sie erhalte und bitte meine Familie,
den Mitgliedsbeitrag zu bezahlen. Bin ich erleichtert!
Ich wünsche Ihnen alles Gute. Vielleicht geht alles gut aus.
- Vielleicht.
Aber ich habe solche Schmerzen durchgemacht, dass...
...mich das sehr beruhigt...
Zum Glück leben wir in der Schweiz.
Andere europäische Länder haben keinen Artikel 115 in ihrer Gesetzgebung.
Deshalb ist es bei uns völlig legal.
- Vielen Dank.
- Wiederhören.
Herr Präsident, liebe Freunde! Ich möchte mich
für diesen wundervollen Kongress und für Ihre Einladung bedanken.
Was kann ich über die Schweiz sagen?
Die Schweiz ist ein Land, in dem es sich gut leben lässt.
Wo jedermann Anspruch auf einen würdevollen Tod hat.
"DIE SCHWEIZ UND DER GUTE TOD"
EXIT ADMD - Welsche Schweiz bekämpft seit 20 Jahren erfolgreich
das Tabu, welches die Beihilfe zum Selbstmord umgibt.
Artikel 115 des Schweizer Strafgesetzbuches legt folgendes fest:
"Wer aus selbstsüchtigen Gründen jemandem Beihilfe zum Suizid leistet,
kann mit einer Zuchthausstrafe
bis zu fünf Jahren rechnen."
Fehlen solche selbstsüchtige Motive, dann wird Beihilfe zum Selbstmord
als rechtmässige Handlung erachtet.
Die Beihilfe zum Suizid besteht darin, dem Sterbewilligen
die Mittel zu geben, sich ohne Gewalt den Freitod zu geben.
Unser Verein hat 10'000 Mitglieder in der welschen Schweiz.
Unser jüngstes Mitglied ist 21 Jahre alt,
und das älteste ist 103.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
In Frankreich wird behauptet, es gebe Gegner
dieses "fehlenden Gesetzes" in der Schweiz.
Es gibt Befürworter einer Gesetzesänderung, die festlegen würde,
dass ein Suizid ein Suizid ist und Sie keine Handlungsmacht haben.
Wie sieht in dieser Hinsicht die Zukunft in der Schweiz aus?
In der Schweiz gibt es den Verein "Dignitas",
der Fälle aus dem Ausland annimmt.
Unter dem Vorwand, "Dignitas" von seinen Aktivitäten abzuhalten,
wird versucht, das Gesetz zu ändern...
"Dignitas" war ein Vorwand, gegen uns zu kämpfen.
Aber sie haben bis jetzt verloren und werden auch weiterhin verlieren.
Wir passen diesbezüglich sehr auf.
Emilio Coveri von Exit Italien.
Jérôme, Sie wissen, dass uns die Hände gebunden sind.
Aber ich erhalte jede Woche 10-15 Hilfsgesuche.
Und natürlich können wir niemandem helfen.
Weil die katholische Kirche gegen Euthanasie ist.
Ich wünschte, dass Sie Schweizer
unseren Leuten helfen könnten.
Wir sind ganz wenige Sterbehelfer.
Jemandem Sterbehilfe zu leisten, ist etwas sehr Bewegendes.
Man muss die Person gut kennen und sie begleiten.
Man muss mit ihr und ihrer Familie darüber diskutieren.
Man muss sich selber darauf vorbereiten.
Das ist nichts Mechanisches.
Ein weiterer Punkt:
Da wir so wenige sind, wenn wir jemanden aus Italien empfangen,
müssen wir auch Menschen aus Frankreich, Deutschland, etc. empfangen.
Das ist total unmöglich.
Mögen Ihre Politiker mit so viel Mitgefühl handeln wie wir
und Ihnen die Bewilligung erteilen,
den Menschen in ihrem Heimatland zu helfen.
Was wäre die erste Folge,
wenn der sogenannte "Freitodtourismus"
in Europa bewilligt würde?
Das europäische Parlament würde sagen:
"Wenn das so ist,
dann können wir keine offenen Grenzen mehr haben.
Euthanasie muss im europäischen Gesetz verankert werden."
Im europäischen Parlament ist die überwiegende Mehrheit wirklich
gegen die Legalisierung jeglicher Form von würdevollem Sterben.
Was wir hier gehört haben ist, allgemein gesehen, eher theoretisch.
Wir sind der einzige Verein auf der Welt,
der sich selbst um seine Patienten kümmert.
Keiner der Delegierten hier leistet Sterbehilfe.
Im Bezug auf unseren Verein ist es wirklich aussergewöhnlich,
sich so um die Mitglieder zu kümmern, wie wir es tun.
Tatsächlich sind unsere Begleiter in einer privilegierten Lage.
Es wäre etwas anderes, wenn wir Barbiturate zur Verfügung hätten.
Ohne sie müssen wir andere Lösungen finden.
Nicht wir direkt.
Aber diese Methoden müssen einfach da sein.
In der Schweiz haben wir vom Plastiksack reden hören.
Das erfordert sicher viel mehr Mut von denjenigen,
die diese Methode benützen.
Es ist furchtbar, zu so einer Methode greifen zu müssen.
Selbst wenn es meiner Meinung nach eine zuverlässige Methode ist.
Praktisch heisst das also, dass eine Person
sich einen Plastiksack über den Kopf stülpen muss.
Sie muss aufrecht sitzen bleiben. Mit den Daumen
muss sie die Schlaufen um den Hals zusammenziehen...
Sie muss davor ein Schlafmittel einnehmen,
um einzuschlafen, sobald sie die Schlaufen zusammengezogen hat...
Wenn sie nicht erstickt, muss sie eine Schirmmütze aufsetzen, damit
die Tüte nicht am Mund festklebt.
Liebe Freunde!
Wir haben viel über den Tod diskutiert, aber wir lieben das Leben!
Und wir haben über den Tod diskutiert,
weil wir das Leben lieben... bis ans Ende!
Ich trinke aufs Leben und auf ein langes Leben für Sie alle!
Ich wurde 2000 mit dieser Medaille
in Boston ausgezeichnet.
Es ist eine George-Saba-Medaille.
Für Dienste für das weltweite Recht auf einen würdevollen Tod.
Man gab mir also diese Medaille.
In Sizilien, in Palermo, habe ich
die "Amici dell'euthanasia", die Euthanasiefreunde, entdeckt.
In Afrika beschleunigen AIDS-Kranke ihren Tod,
indem sie Uhrenbatterien schlucken.
Es ist legal. In der Schweiz ist es völlig legal.
Es ist wichtig, dass Sie in der Schweiz wohnen.
In einem Hotel in der Schweiz kann ich Ihnen nicht helfen.
Und wenn ich bei Freunden wohne?
Unmöglich. Sie müssen Ihren Wohnsitz in der Schweiz haben.
- Ein Haus? - Ja.
Sie kämen mich also am Genferseeufer besuchen...
Wir würden zusammen reden.
Um sich zu vergewissern, dass ich nicht beeinflusst werde.
- Nun... es ist eine Möglichkeit. - Es ist wunderbar.
- Können Sie die Arznei beschaffen? - Ich habe sie bereits.
Dann ist es also möglich?
- Ein hübsches Projekt. - Ja!
Meine Kinder werden glücklich sein.
Ich muss Ihre Adresse haben und Sie meine.
Absolut. Das ist eine Verabredung.
Eine Verabredung mit dem Tod.
Guten Abend, Frau Marianne Tendon.
Wie geht es Ihnen? Hören Sie, ich sage meine morgigen Aufgaben
wie in der Schule auf.
Ich frühstücke also um sieben Uhr morgens.
Dann esse ich nichts mehr...
bis es Zeit ist für mein Suppositorium um 14 Uhr 30.
Danach erwarten wir Sie.
Vielen Dank und bis morgen, mañana, domani.
Abend, Marianne. Ich hätte viel mit Ihnen zu besprechen.
Würden Sie mich bitte zurückrufen?
Vielen Dank. Wiederhören.
Tut mir Leid, Sie zu stören. Hier ist Marcel.
Ich glaube, wir können ein Datum festlegen.
Mir reicht es jetzt. Marianne, ich zähle auf Sie.
Ich brauche Sie. Danke.
Liebe Freunde!
Ich möchte Ihnen allen für Ihre Teilnahme am Begleitertreffen danken.
Ich heisse Sie alle willkommen!
Wir stecken in Schwierigkeiten: Leider haben wir momentan
mehr Sterbehilfegesuche als wir bewältigen können.
Wir haben dieses Jahr schon in 45 Fällen Sterbehilfe geleistet, was enorm ist.
Ich möchte Sie auf fünf Dossiers aufmerksam machen.
Das erste ist hier in Genf.
Ein sehr schwieriger Fall.
Ich weiss, dass Sie alle schon überbeschäftigt sind.
Ich selber begleite zwei Patienten bis Ende Jahr. Ich bin überlastet.
Wer im Genfer Team kann mit ihm Kontakt aufnehmen?
Hier habe ich ein weniger dringendes Dossier.
Wer kann diesen Patienten kontaktieren, der seit 1996 Mitglied ist?
Ich will es versuchen.
Das Dossier ist komplett. Vielen Dank.
Hier haben wir jemanden, der 1932 geboren ist. Aus dem Wallis.
Jacqueline?
Wenn der Patient die Arznei schlucken kann... Immer mein grösstes Problem.
Laut den Informationen, die ich habe...
- Er ist dazu imstande. - Gut.
Ich habe einen Trick mit Menschen, die kein Glas mehr halten können.
Kaufen Sie Trinkhalme mit genügend grossem Durchmesser.
Halbieren Sie sie, damit es für den Patienten leichter ist.
Stecken Sie einen ins Glas mit der Arznei
und einen ins Glas mit dem Aprikosensaft oder dem Whisky oder was immer...
Ich habe Ihnen diese Geschichte schon einmal erzählt.
Ich war bei einer Frau mit Multipler Sklerose, die sich hin-und herbewegte.
Es war sehr schwierig.
Der Trinkhalm war nützlich, weil ich das Glas nicht hätte halten können.
Übrigens finde ich, dass es nicht meine Aufgabe war, das Glas zu halten.
Mit einem Trinkhalm
kann der Patient die Flüssigkeit aufsaugen, wenn er noch gut atmen kann.
Es gibt einen Moment des Handelns und einen Moment, wo es zu spät ist.
Vor dem Zeitpunkt ist es zu früh, nach dem Zeitpunkt ist es zu spät.
Selbst wenn die Leute schriftliche Anweisungen hinterlassen.
Ich habe da noch ein Dossier. Ein Patient
mit Lungenkrebs mit fortgeschrittenen Metastasen.
Jürg, könntest du es dir überlegen?
Ich weiss, du hast schon übergenug zu tun. Sterbebegleitung diesen Samstag.
Und andere Begleitungen für EXIT - Ostschweiz...
Ja, es wird langsam zu viel. Ich brauche etwas Abstand...
- Und Sie, Marianne? - Ich nehme keine neuen Fälle mehr an.
Ich habe vier Freitodbegleitungen vor Jahresende.
Eine sollte morgen stattfinden.
Die Person rief mich an und sagte,
alles sei für morgen bereit. Ich sagte ihr, ich sei erschöpft...
Ob wir es auf nächsten Dienstag verschieben könnten? Sie nahm an.
Sie selber hatte es auch immer wieder verschoben.
Für einmal habe ich es also verschoben.
- Ich kann nicht, aus vielerlei Gründen. - Verstehe.
Ich behalte dieses Dossier. Wenn jemand in einem kritischen Krankheitsstadium
in allerletzter Sekunde noch Mitglied werden will,
müssen wir uns eine bestimmte Frist ausbedingen.
Wie bei einem Hausbrand. Wenn Ihr Haus in Flammen steht,
ist es für eine Feuerversicherung zu spät.
Da Sie Sterbebegleiter suchen...
Sie benützen mich nicht, weil ich sage, ich wolle jemand dabeihaben, ja?
Ich fände es gut, wenn Sie ein Handbuch oder was Ähnliches verfassen würden,
mit klaren Anweisungen, was zu tun ist. Weil ich sonst etwas hilflos bin.
Wenn ich allein Arzneien mischen muss...
Wenn ich nicht weiss, ob ich sie gut vermischt habe, ob es Wasser braucht,
oder ob sie gebrauchsfertig aus der Flasche zu verwenden sind, usw.
Ich bin mir selber zu unsicher. Ich könnte eine neue Begleiterin sein.
- Aber wo könnte ich Rat finden? - Vielleicht bei Denise.
Ja, weil ich auch "neu" bin.
Meine einzige Bezugsperson war Marianne.
Sie war äusserst geduldig, als sie mich in diese Aufgabe einführte.
Eines Tages sagte sie: "Du musst es jetzt allein tun."
Ich bat sie, mich bei meinem ersten Fall zu begleiten.
Ich hatte Angst davor, die Arznei vorzubereiten...
Also kam sie mit. Sie tat aber nichts, sie schaute bloss zu.
Beruhigend. Ich wusste, sie würde es mir sagen, falls ich einen Fehler machte.
- Es geht ja um Leben und Tod. - Richtig.
Nach dem ersten Mal allein hat man mehr Selbstvertrauen.
Es macht weniger Angst, weil man sich seiner Gesten sicherer ist.
Aber was mich momentan beschäftigt, ist folgendes:
Ich habe einen einzigartigen Fall. Ein älteres Ehepaar.
Ungefähr 82 Jahre alt. Sie scheinen ein harmonisches Eheleben geführt zu haben.
Jetzt wollen sie miteinander sterben.
Der Mann ist schwer krank. Seine Frau will mit ihm sterben.
Sie ist aber bei guter Gesundheit.
Also bin ich...
Ich stecke in einem Dilemma...
In einigen Situation gibt es bloss Fragezeichen.
Ich habe keine Lösung.
In einigen Situationen können wir uns auf Zehenspitzen zurückziehen...
Aber jetzt kennt sie beide und fühlt sich mit ihnen verbunden.
Wir dürfen uns gefühlsmässig nicht erpressen lassen.
Das ist keine gefühlsmässige Erpressung. Sie fragt sich nur,
was die beste Lösung wäre.
Meine Antwort: Sie haben das Recht, nein zu sagen.
Es gibt auch Handbücher über Selbstmord, mit vielen sauberen Methoden.
Ich glaube, dieses Ehepaar ist nicht völlig entschlossen.
Sie wollen, dass ihnen jemand hilft.
Warum wollen sie zusammen sterben?
Warum soll sich eine Drittperson in ihr Paar einmischen?
Sie können die Arznei zusammen schlucken.
Sie entschlafen 30 Sekunden nacheinander.
Da ist man nicht lange allein.
Ich finde, sie haben Anrecht auf diesen gemeinsamen Tod,
weil sie zusammen ihr Leben verbracht haben, einen Weg gegangen sind.
Ich finde, das ist Bestandteil unseres philosophischen Auftrags...
Meine Antwort ist pragmatisch.
Ich kenne die Meinung aller Anwesenden hier.
Unter den gegenwärtigen Umständen, d.h. weil wir so wenige Begleiter sind,
kommt Sterbehilfe für Ehepaare schlicht und einfach nicht in Frage.
Weil es unsere Kapazität übersteigt.
Wir müssen zwischen zwei Begleitungen ausruhen, uns wieder erholen.
Das kann man nicht einfach so regelmässig wie ein Metronom tun.
Es ist jedes Mal wieder eine aussergewöhnliche Leistung.
Ich bin nach jeder Sterbebegleitung erschöpft.
Darum beantwortete ich vorher die Frage, wie es mir gehe, mit "immer schlechter".
Weil ich weiss, dass Sie alle am Rande Ihrer Kraft sind,
um diese Freiwilligenarbeit auszuführen.
Ich glaube, ich nenne es ab jetzt "Priestertum".
- Tag, Jocelyne. - Guten Tag.
- Wie geht es? - Recht, danke.
- Haben Sie schlafen können? - Ja.
Und was sollen wir jetzt tun?
Zuerst die Beine, nicht?
Wissen Sie noch...?
Wir fingen diesen Brief im April letzten Jahres an.
- Wollen Sie ihn fertigschreiben? - Ja, bitte, Marianne.
Ich bin pingelig. Sie müssen das "R" da fertig schreiben.
- Ich bin hart, was? - Und ob!
- Ich war 38 Jahre lang Lehrerin. - Ich weiss.
Jetzt bin ich pensioniert, habe aber alle Gewohnheiten beibehalten.
- Und nun das zweite "S". - Jawohl.
Versuchen Sie, ein schönes Schluss-S zu schreiben.
Das wärs. "Punkt Schluss"!
- "Fertig Schluss". - Richtig.
Herzlichen Glückwunsch. Wir haben recht lange dafür gebraucht, was?
Sehr anstrengend!
Da steht "Da ich seit 19 Jahren...". Wir fingen den Brief letztes Jahr an.
Wir fangen also nicht nochmals an, um "20 Jahre" zu schreiben.
"...an Multipler Sklerose leide und ein Mitglied von EXIT bin,
wünsche ich einen Freitod
am Tag und zur Stunde meiner Wahl."
Mit Unterschrift.
- Gut! - Jawohl!
Also, Sie essen...
...Vermicelles mit etwas Schlagrahm.
Soll ich Sie füttern oder wollen Sie den Löffel selber halten?
- Füttern Sie mich lieber. - In Ordnung.
Ausnahmsweise lasse ich es zu.
Kneifen Sie sich die Nase.
Schnäuzen Sie sich jetzt. Perfekt.
- Guten Tag, Herr Doktor. - Tag, Magali.
Ich sage lieber nicht "Guten Tag".
- Ja. - Weil es kein guter Tag ist.
Darf ich Ihnen meinen Mantel geben?
Sagen Sie mir, wie es Ihnen heute geht.
Ich habe Durst.
- Sie sind immer noch entschlossen? - Ja.
Die Woche, die Sie mit Magali und angenehmem Zeitvertreib verbrachten...
- Es war keine gute Woche. - Nicht?
Ich fühlte mich nicht wohl.
- Hat es Sie im Entscheid bestärkt? - Ja.
Ich gebe Ihnen diese beiden Pillen.
Dadurch werden Sie die Arznei, die ich Ihnen verabreiche, besser absorbieren.
Wissen Sie, dass Sie heute auf Ihren Tod zugehen?
- Beunruhigt Sie das nicht? - Nein.
- Sie sind trotz dieser Prüfung ruhig? - Ja.
Haben Sie diese Woche darüber nachgedacht oder es lieber vergessen?
Ich habe nicht darüber nachgedacht.
Ich habe ein paar Freundinnen angerufen...
Aber ich habe ihnen nichts von meinem Vorhaben gesagt.
- Das Gespräch hat Sie aber gefreut? - Ja.
Haben Sie trotzdem mit Magali und ihrer Familie Karten gespielt?
Fast nicht.
Sie gewinnt immer.
Haben Sie Magali all Ihre Anweisungen gegeben?
Haben Sie alles mit ihr geregelt?
Sie weiss, wo Ihre Dokumente sind
und was Sie beschlossen haben. Sie ist auf dem Laufenden.
- Wenn Sie entschlossen sind... - Ich bin ein Löwe.
Schwierig, Sie dazu zu bringen, Ihre Meinung zu ändern.
Sie haben also gut nachgedacht? Ich kann nichts mehr für Sie tun?
Damit Sie sichs anders überlegen?
In wenigen Minuten, wenn Sie immer noch entschlossen sind,
wenn Sie einschlafen - und Sie werden sanft einschlafen -
denken Sie an eine schöne Erinnerung, vielleicht eine mit Ihren Eltern...
an denen Sie ja so hingen...
Erinnern Sie sich an ein schönes Ereignis mit ihnen.
Wenn Sie von Schlaf übermannt werden,
dann tauchen Sie ein in diese schöne Erinnerung.
Sie werden ganz sanft einschlafen.
Völlig schmerzfrei.
Das Getränk schmeckt nach Orange.
Vielleicht ist es etwas bitter.
Sie müssen es bis zum letzten Tropfen trinken.
Wenn Sie beim Trinken Angst oder der geringste Zweifel überkommt,
dann trinken Sie nicht aus.
Wenn Sie das Glas austrinken...
kann ich Ihnen nicht mehr helfen.
Ich kann Sie nicht mehr zurückhalten.
Überlegen Sie es sich nochmals.
Denken Sie über die Folgen nach, wenn Sie dieses Getränk einnehmen.
Ich bin entschlossen.
Bei so etwas Aussergewöhnlichem
lohnt es sich, nochmals darüber nachzudenken.
Noch ein paar Minuten... Dann gebe ich Ihnen den Trank.
- Zaubertrank. - Ja...
Ich habe gehört, er schmecke wie Whisky...
Nicht ganz.
Ich helfe Ihnen beim Aufsitzen.
Ich gebe Ihnen das Getränk. Aber überlegen Sie es sich ein letztes Mal.
Wenn Sie das Glas ausgetrunken haben, kann ich nichts mehr tun.
Dann begeben Sie sich auf die grosse Reise.
- Sind Sie entschlossen? - Ja.
- Sie wollen fortfahren? - Ja.
In diesem Fall helfe ich Ihnen beim Aufsitzen.
Wenn Sie entschlossen sind, trinken Sie es bis zum letzten Tropfen aus.
- Gute Reise, Micheline. - Danke.
- Lebwohl, Micheline. - Lebwohl.
Möge das Licht Sie leiten.
Möge es Sie in den Frieden führen.
Sagen Sie mir, wenn Sie müde werden. Dann helfe ich Ihnen, sich hinzulegen.
Ich möchte mich hinlegen.
- Ist Ihnen schwindlig? - Ja.
Sie ist verstorben.
Dr. Sobel am Apparat.
Ich rufe Sie an, um Ihnen einen begleiteten Suizid zu melden,
gemäss dem Protokoll von EXIT.
Ich gebe Ihnen die Adresse der Verstorbenen.
Bitte schicken Sie zwei Zivilpolizisten für das amtliche Protokoll vorbei.