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Herzlich Willkommen zur Vibelle-TV-Sendung "Flucht nach Deutschland".
Im Libanon herrschte von 1975 bis 1990 Bürgerkrieg.
Es gab schlimme Unruhen und Schießereien, verursacht von mehrere verfeindeten Gruppen.
Die Familie Masri, bestehend aus den gehörlosen Eltern und
zwei Kindern, zwei und sieben Jahre alt, ist damals nach Deutschland geflüchtet.
Sie sind in Aachen geblieben und zwei weitere Kinder wurden geboren,
sodass die Familie jetzt vier CODA-Kinder hat, alles Mädchen!
Die Eltern erzählen, wie sie damals aus dem Libanon nach Deutschland kamen.
Von den vier Töchtern ist die Älteste bereits verheiratet.
Die drei Jüngeren erzählen, wie sie in der Familie kommunizieren.
In Arabisch oder Deutsch, in Laut- oder Gebärdensprache?
Sie berichten über ihre Schulausbildung und ob sie sich in Deutschland wohl fühlen.
Damals im September 1985 bin ich im Libanon mit dem Auto gefahren.
Plötzlich geriet ich in einen Lagerkampf und ich wurde an mehrfach getroffen.
Ich habe stark geblutet und wurde ins Krankenhaus gebracht.
Die nächsten zwei Jahre waren sehr hart. Ich habe stark abgenommen und vieles aushalten müssen.
Wir sind mit dem Mofa mitten durch die Straßenkämpfe gefahren. Überall wurde geschossen.
Wir hatten Angst. Wir haben uns versteckt und gewartet. Es waren heftige Kämpfe.
Als es ruhiger wurde, sind wir schnell weiter nach Hause gefahren.
Ich war sehr erleichtert, als wir zu Hause ankamen.
Aber die Straßenkämpfe gingen weiter, die ganze Nacht hindurch. Es war schrecklich.
Überall gab es große Probleme.
1989 wurde es ruhiger und die Lagerkämpfe ließen nach.
An einem Tag bin ich nach draußen gegangen und wurde plötzlich verhaftet.
Ich wurde gefesselt und auf mich wurde immer wieder eingeschlagen.
Ich habe versucht meine alten Wunden zu schützen.
Aber ich habe von den Schlägen überall blaue Flecken bekommen.
Ich bin dann nach Hause und habe eine Woche lang Pläne geschmiedet.
Es gab weiterhin viele Schießereien. Aber ich bin trotzdem zum Amt und
habe die Papiere geholt, unterschreiben lassen. Das hat noch mal eine Woche gedauert.
Meine Frau hat gekocht, als ich ihr sagte, dass wir am nächsten Tag fliehen würden.
Meine Frau war skeptisch. Aber ich sagte, wir könnten es schaffen.
Wir würden unsere beiden Kinder mitnehmen und fliehen, sagte ich.
Meine Frau war einverstanden und wir haben heimlich ein paar Sachen eingepackt.
Wir sind zuerst über die Grenze nach Syrien.
Von dort war es eine sehr lange und anstrengende Fahrt.
Zunächst bis zur türkischen Grenze. Von dort weiter bis nach Istanbul.
Dort mussten wir gucken, wie es weiter geht. Wir wollten mit dem Zug fahren.
Wir sind durch Jugoslawien und Bulgarien gefahren.
Als wir die Grenze nach Österreich erreichten, war ich sehr erleichtert.
Wir sind dann in Aachen am Bahnhof angekommen und ich wusste erst mal nicht weiter.
Wo sollten wir jetzt hin? Wir waren völlig verwirrt.
Ich habe einem Polizisten signalisiert, dass ich gehörlos bin.
Er hat uns mit auf die Wache genommen und es wurde ein Dolmetscher geholt.
Ich habe erklärt, dass wir aus dem Libanon geflohen sind.
Der Beamte sagte, wir würden einen Platz zum Schlafen und Essen bekommen.
Montags sollten wir dann mit zum Amt und wollten Asyl beantragen.
Der Chef des Amtes und der Polizist haben alles weitere besprochen.
Wir mussten abwarten und letztendlich wurde uns Asyl gewährt.
Wir mussten unsere Namen und unsere Daten notieren.
Ich musste auch erzählen, wie wir geflüchtet und nach Deutschland gekommen sind.
Das war's dann. Damit war alles klar.
Ich wurde noch gefragt, ob ich Verletzungen hätte.
Ich habe meine Schusswunden gezeigt. Der Beamte war geschockt.
Er hat gesagt, wir könnten bleiben und müssten nicht mehr zurück.
Ich habe mich sehr wohl gefühlt und später habe ich einen deutschen Pass bekommen.
Das war das Beste! Das heißt nicht, dass ich mein Heimatland nicht liebe.
Der deutsche Pass ist wichtig. Ich kann bleiben und fühle mich zugehörig.
Da braucht man keinen Aufstand machen. Es war ein Geschenk Gottes.
Hier in Deutschland kann man sorglos auf die Straße oder Kaffee trinken gehen.
Das ist schön. Es gibt keine Probleme.
Im Libanon ist es ganz anders, es gibt viel Gewalt und Schießereien.
In Deutschland ist es ruhig und angenehm.
Aber man bekommt hier ständig Post, ganze Stapel. Es ist sehr bürokratisch.
Das gibt es im Libanon nicht, da bekommt man keine Post. Im Libanon ist es viel einfacher.
Hier bekommt man viel Post. Und es gibt sehr viele Regeln, an die man sich halten muss.
Ich musste mich damals durchkämpfen, ich musste stark sein.
In Deutschland war es schwierig. Im Libanon war alles leichter.
Ja, stimmt. Aber mit der Zeit wurde es auch einfacher.
Anfangs mussten wir hier gegen den Strom schwimmen, irgendwann wurde es leichter.
Von meinen vier Töchtern waren zwei 1990 bei der Flucht hierher dabei.
Hier ist die Jüngere der beiden. Sie ist jetzt natürlich schon groß.
Meine vier Töchter sind alle hörend.
Was machst du? - Ich lerne für Medien-Informatik.
Und was machst du? - Ich auch. Wir lernen zusammen.
Werdet ihr es schaffen? - Wir müssen viel lernen.
Klappt es gut? - Ja. - Ok, sehr gut. Ihr seid schön fleißig.
Als du damals mit unserer großen Schwester nach Deutschland kamst,
wie hast du dich gefühlt? War es schwierig? Erzähl mal.
Ich war ja noch ein Baby. Ich habe keine Erinnerungen daran.
Deshalb war es leicht für mich. Für unsere große Schwester war es schwieriger.
Sie brauchte Zeit, um sich einzugewöhnen und hatte anfangs häufiger Angst.
Aber jetzt ist sie glücklich, dass wir hergekommen sind.
Sie war sieben Jahre alt und musste die deutsche Sprache lernen.
Sie musste alles selber machen.
Mit unseren Eltern gebärden wir arabisch. Wir Schwestern sprechen Deutsch miteinander.
Wir haben Deutsch gebärden und sprechen gelernt.
Unsere große Schwester hatte es früher schwer, weil sie allein war.
Sie hatte keine Freunde und kein Erwachsener konnte ihr helfen.
Unsere Eltern sind gehörlos und konnten ihr nicht helfen.
Sie musste alles alleine lernen. Erst in der Schule und später fürs Abitur.
Im Medizin-Studium hat sie auch alleine gelernt. Jetzt ist sie fertig und glücklich.
Ich hatte es früher einfacher. Meine große Schwester hat mir geholfen.
Ich war erst im Kindergarten und dann in der Schule. Ich habe auch Abitur gemacht.
Jetzt bin ich in der Uni und wir studieren Medien-Informatik. Wir machen das gleiche.
Inschallah! Wenn wir fertig sind, dann werden wir arbeiten und wir werden glücklich sein.
Bist du glücklich hier in Deutschland?
Ja, ich bin zufrieden hier. Unsere kleine Schwester macht auch Abitur. Schau mal.
Ich spreche ein bisschen Arabisch. Ich schaue arabisches Fernsehen, um mehr zu lernen.
Ich gehe zur Schule und mache Abitur. Danach möchte ich gerne Lehrerin werden.
Ich möchte die libanesische Kultur kennenlernen und später
einen libanesichen Mann heiraten. Ich möchte mit ihm ein bis zwei Monate
Urlaub im Libanon machen, aber dann zurückkommen und in Deutschland wohnen.
Wir sind glücklich hier in Deutschland.