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[Applaus.]
Also, ich sage erst einmal Guten Abend.
Ich freue mich natürlich auch, dass so vielegekommen sind.
Ich bin gebeten worden, hier zu reden, weil das Mikrofon besser ist.
Sonst wäre ich auch da sitzen geblieben.
Kein geringerer als der US-Präsident persönlich
hat vor zwei Tagen eine langangekündigte,
große, so hieß en in den Medien, Rede gehalten, zu dem NSA-Spionage-Skandal.
Viele sind ja der Auffassung, er hat eigentlich nicht viel Neues gesagt
und waren enttäuscht über seine
Rede, weil er keine konkreten Punkte genannt hat,
was denn nun passiert, damit sowas nicht wieder passiert.
Ich teile diese volle Enttäuschung nicht. Auch ich sehe keine Konsequenzen,
jedenfalls keine, mit denen man zufrieden sein kann.
Aber, dass der mächtigste Mann der Welt
eine großangekündigte Rede zu diesem größten Skandal der Weltgeschichte hält,
sogar anschließend noch einmal ein Interview für das ZDF gibt,
das zeigt doch, welche ungeheure Bedeutung
diese Enthüllungen von Edward Snowden nicht nur für die USA, für Europa, für Deutschland
sondern für die ganze Welt haben
und welche u n e n d l i c h e Verdienste Edward Snowden hat,
dass er das Risiko auf sich genommen hat,
mindestens seine Freiheit für die nächsten 40 Jahre zu riskieren,
um uns diesen Skandal deutlich zu machen und vor Augen zu führen
und immer wieder, jetzt seit einem halben Jahr, mit neuen Dokumenten vor Augen zu führen.
[Applaus.]
Es gibt ja Leute, und ich wurde vorhin auch von Journalisten gefragt,
die behaupten, dahinter steckt ja vielleicht der russische Geheimdienst,
ob ich etwas dazu sagen könnte.
Ich kann nur sagen, ich bin ja absichtlich nicht alleine nach Moskau gefahren,
sondern habe zwei renommierte Journalisten mitgenommen,
nicht nur, damit sie übersetzen
weil mein Englisch nicht so gut ist und Edward Snowden kein Deutsch kann, vermute ich jedenfalls,
sondern, um Zeugen zu haben, um klar zu machen, mit wem komme ich dort zusammen und mit wem komme
ich dort nicht zusammen. Die haben mich jetzt die ganze Zeit begleitet dort. Ich war kein Augenblick alleine,
die auch nicht, jedenfalls bis zu dem Gespräch. Und danach muss ich sagen,
ich habe mit keinerlei russischen Diensten oder offiziellen Stellen,
außer bei der Passkontrolle, Kontakt gehabt.
Aber, ich weiß inzwischen, und das ergibt sich auch aus der Rede des US-Präsidenten,
dass keines der bisher veröffentlichten Dokumente angezweifelt worden ist.
Von niemanden bisher. Es gibt niemanden, der sagt:
„Da ist doch was gefälscht. Da ist doch irgendwas untergeschoben worden. Die Fakten die da drin sind, stimmen doch gar nicht."
Nicht mal die NSA und der US-Präsident behaupten, dass da was falsch dran ist.
Deshalb können und müssen wir, leider, sag ich mal, davon ausgehen,
dass das alles die Wahrheit ist, was aus seinen Dokumenten sich ergibt.
Edward Snowden hat immer wieder betont, er hat in Russland,
in Moskau zu keinem Zeitpunkt seine Dokumente dabei gehabt. Er hat die nicht,
sondern er hat die Dokumente abgegeben, als er in Hongkong mit Journalisten über deren Veröffentlichung geredet hat
und ist dann nach Moskau geflogen, auch nicht um dort zu bleiben, sondern, um
weiterzufliegen eigentlich nach Südamerika, weil er hoffte, da ein sicheres Land zu finden.
Das heißt, alle, die jetzt versuchen, da was hineinzugeheimnisen, die mögen das tun,
aber Anhaltspunkte dafür habe ich bis heute nicht gehört.
Ich kann nur der Bundesregierung und auch den Diensten, für deren Kontrolle ich ja
auch zuständig bin, dringend raten, dass sie jetzt endlich mal mit dem nötigen Nachdruck
aufklären, was nun tatsächlich in welchem Umfang stattgefunden hat mit unser aller Daten,
wie viele Bürgerinnen und Bürger Deutschlands sind ausspioniert worden, von wie vielen sind
Daten gespeichert und ausgewertet worden. Waren es 100.000, waren es eine Million, waren
es zehn Millionen oder waren es 80 Millionen? Die Zahlen sind bis heute nicht bekannt.
Die Bundesregierung hat im Juni Fragen gestellt. Die Fragen sind bis heute nicht beantwortet,
obwohl sie schriftlich gestellt worden sind. Die Bundesregierung hat während des Wahlkampfs
alles getan, um diesen Skandal herunterzuspielen: „Da ist doch nix, da ist doch nix Wichtiges."
Ich kann dazu nur sagen: Nachdem Obama nun selber diesen Skandal benannt hat, die Rechtsbrüche
benannt hat, grundsätzlich auch nicht in Abrede gestellt hat, sondern keine Konsequenzen
gezogen hat, wird auch niemand in Deutschland, weder Herr Pofalla, der ehemalige Minister
noch Herr Friedrich, der jetzige Landwirtschaftsminister, behaupten können: „Da war doch gar nichts.
Die Vorwürfe haben sich alle in Luft aufgelöst, das ist doch alles vom Tisch." Sondern: Die
Bundesrepublik Deutschland und die hier Verantwortlichen müssen jetzt alles daransetzen, aufzuklären,
was da tatsächlich in welchem Umfang gewesen ist. Sie können sich von den USA, auch von
Obama nicht damit abspeisen lassen, das er sagt: Naja, aber in Zukunft kann die Kanzlerin
sicher sein, solange ich regiere -- ist ja auch eine Einschränkung -- wird ihr Handy
nicht mehr abgehört. Eigentlich eine riesen Unverschämtheit, weil er im gleichen Atemzug
gesagt hat, die Regierungen müssen aber weiter beobachtet werden, aber die Kanzlerin ist
ja eine gute Freundin von ihm. Ab jetzt, oder ab Sommer nicht mehr.
Wo leben wird denn?! In welchem Land leben wir?! In welcher Welt leben wir, wenn die
deutsche Bundesregierung, wenn die Bundeskanzlerin, deren Aufgabe jetzt auch wieder in dem Eid,
den sie vor dem Deutschen Bundestag abgeleistet hat, bestätigt wurde, das sie die Aufgabe
hat und die Aufgabe hat die ganze Bundesregierung, das Wohl der deutschen Bevölkerung zu sichern,
zu wahren. Ja wo bleiben die denn?! Machen sie das?! Tun sie?! Nein, sie tun das nicht.
Wir müssen sie jetzt dazu bringen, dass sie das endlich tun, damit wir wissen, was wir
mit den Amerikanern im Einzelnen verhandeln müssen und wo die Konsequenzen zu ziehen
sind, welche Konsequenzen wir auch in Deutschland ziehen können. Welche Konsequenzen wir für
unser Verhalten, für unser Kommunikationsverhalten mit den IT-Medien, was wir da berücksichtigen
müssen. Ich habe in einer Veranstaltung in Berlin schon vor ein paar Monaten gesagt:
„Also, ich habe ja gehört, dass in den USA zwei Firmen, die Verschlüsselungsprogramme
verkauft haben, die offenbar so zuverlässig sind, dass selbst Herr Snowden sie benutzt
hat, hat die US-Regierung ihnen untersagt, diese Programme weiter zu verkaufen, weil
der NSA damit die Arbeit offenbar zu schwierig gemacht wird."
Was liegt näher, als das wir sagen:
"Diesen US-Firmen bieten wir Asyl in Deutschland.
Sie können ihre Firmen hier etablieren und können von hieraus ihre Systeme verkaufen."
Ich habe auch einen Platz angeboten: Berlin Kreuzberg.
[Applaus.]
Ich bin zu Edward Snowden nach Moskau eigentlich nur aus dem Grund gefahren,
weil im ganzen Juni und Anfang Juli in Deutschland immer gerätselt wurde: „Stimmt das denn nun?
Was weiß Edward Snowden? Ist er bereit an der Aufklärung in Deutschland zu helfen?"
Aber, ich habe immer gesagt- auch im Bundestag: „Der ist doch nicht aus der Welt!
Fahrt doch mal hin, guckt doch mal, redet doch mal mit ihm." Das hat keiner gemacht
und dann habe ich gesagt: „Dann mache ich es selber." Dann bin ich hingefahren mit den Journalisten
und habe drei Stunden mit ihm geredet. Er hat mir bestätigt, erstens,
dass er natürlich sehr viel mehr weiß: Er hat ja die Dokumente ausgesucht unter den unendlich vielen.
Er hat sie ausgesucht, er hat sie ausgewählt, er kann sie erläutern.
Er hat acht Jahre lang zunächst für die CIA und dann für die NSA in den Vereinigten Staaten gearbeitet,
das heißt, wenn einer aufklären kann, außer der NSA selber,
und da gehen wir ja nicht davon aus, dass die beispielsweise uns helfen,
dann ist es Edward Snowden, der nach Deutschland kommen muss.
Und deshalb habe ich danach gesagt: "Also, jetzt setzt ich mich aber dafürein, dass er nach Deutschland kommen kann und wenn er sagt, er macht das,
wenn er in Deutschland ein sicheren Aufenthalt bekommt, dann müssen wir alles dafür tun,
wenn wir die Sache ernst nehmen, so ernst wie der US-Präsident, das er hier herkommen kann
und ein sicheren Aufenthalt bekommt!"
[Applaus.]
Und wenn ich vorher eigentlich nur da hingefahren bin, weil das meine Aufgabe ist als Bundestagsabgeordneter
für die Aufklärung zu sorgen, ich wollte die Aufklärung. Natürlich war ich auch neugierig:
Was ist das für ein Mensch und so. Vor allen Dingen war aber die Aufgabe, zu klären:
"Kann der aufklären?" - Das kann er und das soll er. Aber, seit ich da war, seit ich ihm kennengelernt
habe und seit ich auch immer wieder die neuen Dokumente gesehen habe und seit ich die unendliche
Dimension dieses Skandals immer mehr zur Kenntnis nehmen muss, sage ich auch, und das hab ich
auch der Kanzlerin im Bundestag schon gesagt: „Wir müssen ihm dankbar sein." Ein Wort
des Dankes der Bundeskanzlerin, dass sie mal sagt: „Dankeschön" oder, kann ja ganz kurz
sein, das wäre angemessen und nicht nur von ihr, sondern es geht ja wirklich nicht nur
um ihr Handy, das ist natürlich besonders spektakulär, sondern es geht um die Regierung,
es geht um alle möglichen interessanten Personen in Deutschland, aber es geht auch für die
ganz normalen Bürgerinnen und Bürger, denn mit der heutigen Technik können die alle,
alle Kommunikationsverbindungen, die sie haben, abgehört, gespeichert und dann verwendet
werden. Also, seit ich ihn kennengelernt habe, sehe ich meine Aufgabe -- und deshalb bin
ich heute auch gerne hierhergekommen -- darin, ihn auch deshalb hierherzuholen, weil ich
ihm dankbar bin, weil ich ihm zutiefst dankbar bin und weil ich mich jetzt noch mehr dafür
einsetze, dass er nach Deutschland kommen kann. Er hat selber gesagt, er möchte nach
Deutschland kommen oder in ein anderes Land mit demokratischen, rechtstaatlichen Verhältnissen,
am liebsten möchte natürlich in die USA zurück. Also, er ist das Gegenteil von einem
Verräter, sondern er ist, ein zutiefst der amerikanischen, der US-amerikanischen Bevölkerung
verpflichteter Aufklärer. So sieht er sich und so versteht er sich und deshalb hat er
das Risiko auf sich genommen. Hans-Christian Ströbele (MdB)
Das heißt, ich denke, wir alle müssten uns vieles überlegen, wie wir die Diskussion
in Deutschland intensivieren können, wie wir die Bunderegierung, das deutsche Parlament
ermutigen und dazu Druck ausüben können, dass sie aufklären. Der deutsche Bundestag
wird dazu wahrscheinlich Anfang Januar einen Untersuchungsausschuss einrichten, wie wir
das unterstützen können. Aber, wie wir auch Edward Snowden als Person ernst nehmen und
helfen können und deshalb, finde ich das gut. Ich habe am Anfang, war ich etwa hilflos,
als ich gehört habe, diese Idee, eine Ehrendoktorwürde soll Herr Snowden verliehen werden. Wissenschaftler
ist er doch eigentlich nicht. Aber inzwischen habe ich die Überlegung: „Wieso eigentlich
nicht?"
Es gibt auch, wenn ich mal so in der Geschichte zurückdenke, welche Männer oder Frauen große
Ehren zuteil geworden sind. Da waren viele dabei, die als, gar nicht mal in der Hochschule
nur, sondern die auch in ihrem kleinen Kämmerchen oder in ihrer Umgebung große Erkenntnisse
gewonnen haben und die Erkenntnisse dann der Öffentlichkeit mitgeteilt haben und dadurch
unendlich vieles bewegt oder verhindert haben. Edward Snowden hat, ich will das mal jetzt
medizinisch ausdrücken, so eine Art Virus bei seiner Arbeit festgestellt oder Bazillus
oder wie auch immer man das nennen will, wenn man Mediziner ist, der von der NSA, der USA
ausgeht und der die ganze Welt krank machen kann! Der der ganzen Welt wichtige Lebens-
und Grundrechte nehmen kann, sie in Frage stellt! Wenn ich mir das überlege, dann denke
ich, warum soll nicht ein solcher Mann, der die großen Verdienste hat und für diese
großen Verdienste, wie andere Tüftler und Erfinder und Entdecker auch, großes Risiko
auf sich genommen hat, warum sollte dieser Mensch nicht auch geehrt werden, durch einen
Doktortitel. Wichtig ist ja schon die Diskussion, dass jetzt hier so viele hier sind, aber damit
kann man auch ein Zeichen setzten, das sich hier in diesem Land, in Europa und weit darüber
hinaus, was bewegt und die Leute sehen, wie wichtig das ist, was er da gemacht hat.
Und, wenn noch jemand bezweifelt, das ist im Bundestag manchmal so, auch in dem Gremium,
dass in Deutschland das Interesse doch, eigentlich die Leute interessieren sich doch, ja, ist
zwar verwunderlich, weil sie ja alle smsen und telefonieren und was weiß ich noch alles
machen, aber so richtig engagiert sind sie doch in der Sache nicht. Dann werde ich ihnen
jetzt sagen, wenn ich nach Berlin zurückkomme: „Ihr hättet mal gestern oder letzte Woche
bei der Diskussionsveranstaltung an der Rostocker Uni dabei sein sollen und gucken, welch geringes
Interesse dieses Thema doch in Rostock an der Universität hat." Sie, die hier sitzen,
und sich hoffentlich so engagieren, wie ich das hier auch versuche, sie tragen mit dazu
bei, das wir einen kleinen Schritt vorrankommen, Herrn Snowden zu helfen, den Skandal aufzuklären
und in Zukunft vielleicht etwas mehr Sicherheit für unsere Privatsphäre auch gegenüber
der NSA schaffen können.