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Die zweite Dimension .
Ich bin Hipparch von Nicäa.
Ich habe im zweiten Jahrhundert vor Christus gelebt
und ganz ohne Bescheidenheit darf ich hinzufügen:
Ich bin der Begründer der Geographie und der Astronomie.
Ich habe mindestens 14 Bücher geschrieben,
unglücklicherweise sind fast alle verschollen.
Die Nachwelt verdankt mir den ersten Sternkatalog,
die Erschaffung der Trigonometrie und die Erfindung
des Astrolab (ein Vorläufer des Sextanten).
Glücklicherweise hat mein genialer Nachfolger
Ptolemäus drei Jahrhunderte nach mir
meine Arbeiten abgeschrieben und fortgeführt,
und zwar beides so gut, dass die Historiker oft unsere
Einzelleistungen kaum auseinanderhalten können.
Seine Abhandlung „Almagest“ ist das erste wissenschaftliche Werk zur Astronomie,
und sein Buch „Die Geographie“ enthält die erste Karte der Welt,
soweit sie uns damals bekannt war.
Geographie und Geometrie befassen sich beide mit der Erde:
die Geo-graphie versucht die Erde zu zeichnen,
die Geo-metrie versucht die Erde zu vermessen.
Die Erde hat fast die Form einer Kugel.
Im Folgenden vernachlässigen wir, dass sie an den Polen leicht abgeplattet ist,
und betrachten ihre Oberfläche als eine perfekte Sphäre.
Erinnern wir uns, dass auf einer Sphäre
alle Punkte denselben Abstand zum Mittelpunkt haben.
Der Pfeil, den Sie hier sehen, führt vom Zentrum
zu einem beweglichen Punkt auf der Sphäre
und hat stets dieselbe Länge.
Wählen wir nun eine Achse für unsere Sphäre, also eine Gerade durch den Mittelpunkt.
Schneidet man die Sphäre mit einer Ebene, die diese Achse enthält,
so bildet die Schnittmenge einen Längenkreis,
der wiederum die Kugeloberfläche in zwei Hemisphären teilt.
Schneidet man die Sphäre
mit einer Art Guillotine, die um die Achse herumwandert,
so erhält man die Meridiane:
dies sind die halben Längenkreise,
die jeweils am Nord- und Südpol enden.
Schneidet man hingegen die Sphäre
mit einer Ebene senkrecht zur Achse,
so erhält man die Breitenkreise.
Auf diese Weise wird die Sphäre mit einem Koordinatennetz überzogen,
bestehend aus Längen- und Breitenkreisen.
Einer der Breitenkreise ist wohlbekannt:
es ist der Äquator, auf halbem Weg zwischen Nord- und Südpol.
Einer der Meridiane wurde als Ursprung (oder Nullmeridian) ausgewählt:
aus historischen Gründen ist es derjenige, der durch
die Sternwarte von Greenwich in England verläuft.
Um die Position eines Punktes auf der Erde zu beschreiben,
beginnt man am Schnittpunkt
zwischen Äquator und dem Meridian von Greenwich,
und folgt dem Äquator eine bestimmte Entfernung.
Diese wird durch den Winkel gemessen, der hier in rot zu sehen ist : „geographische Länge“.
Anschließend folgt man dem Meridian nach Maßgabe eines zweiten Winkels,
der hier in grün abgebildet ist: dies ist die Latitude, oder „geographische Breite“.
So erreicht man den gewünschten Zielort.
Jeder Ort auf der Erde ist also eindeutig bestimmt
durch die Angabe von zwei Zahlen:
seinem Längen- und Breitengrad.
Da man zwei Zahlen braucht,
um jeden Punkt auf der Erde beschreiben zu können,
sagt man auch, dass die Sphäre zweidimensional ist.
Die Mathematiker nennen sie oft S2.
Wenn wir schließlich unserem Flugzeug gestatten,
die Erde zu verlassen und in den Weltraum zu fliegen,
dann brauchen wir nunmehr drei Zahlen
um seine Position zu bestimmen:
Längengrad, Breitengrad,
und die Höhe über der Erde.
Da drei Zahlen nötig sind,
um einen Punkt im Raum anzusteuern,
sagt man, dass der Raum dreidimensional ist.
Auf den Porträts an den Wänden
sehen Sie Ptolemäus, den Vater der Kartographie.
Wie kann man die Erde zeichnen?
Eine Methode besteht darin, sie auf eine Ebene zu projizieren.
Betrachten wir hierzu einen Punkt der Erde, zum Beispiel die Stadt Dakar.
Wir verfolgen die Gerade, die den Nordpol mit dieser Stadt verbindet.
Diese Gerade trifft die Ebene des Tisches in einem weiteren Punkt,
den wir ihre Projektion nennen.
Auf diese Weise wird jeder Punkt der Erde auf die Ebene abgebildet.
Je näher unsere Stadt am Nordpol liegt,
desto weiter entfernt sich ihre Projektion auf der Ebene.
Die Projektion kann sogar über den Tisch hinausgehen!
Deshalb hat der Nordpol auch keine Projektion,
oder besser gesagt, seine Projektion liegt unendlich fern.
Die ganze Erdoberfläche, mit Ausnahme des Nordpols,
kann somit auf der Tischebene dargestellt werden.
Eine solche Weltkarte nennt man stereographische Projektion.
Diese Projektion verzerrt ganz offensichtlich die Größenverhältnisse.
Südamerika zum Beispiel erscheint winzig
im Vergleich zu Nordamerika.
Um diese Projektion besser zu verstehen,
lassen wir die Erde wie einen Ball rollen
und projizieren weiterhin vom höchsten Punkt aus.
Bei diesem Tanz der Kontinente wird jeder
einmal ganz groß und dann wieder ganz klein.
Wenn wir jedoch genauer hinsehen,
so entdecken wir, dass die Form gewahrt bleibt,
selbst wenn dies für die Längen nicht zutrifft.
Man sagt dazu, die stereographische Projektion ist konform.
Was wird aus den Längen- und Breitenkreisen während der Projektion?
Wenn man vom Nordpol aus projiziert,
dann werden die Meridiane zu Halbgeraden, die vom Südpol ausgehen,
und die Breitenkreise werden zu konzentrischen Kreisen um den Südpol.
Auch wenn die Erde sich nun dreht, werden Längen- und Breitenkreise
doch immer noch auf Kreise und Geraden abgebildet.
Die stereographische Projektion verwandelt also
Kreise auf der Sphäre in Kreise auf der Ebene.
Die einzige Ausnahme sind offensichtlich die Kreise,
die durch den Pol der Projektion laufen und
die zu Geraden auf der Ebene projiziert werden.
Wir werden dieselbe Bewegung noch einmal von unten betrachten .
Man erkennt wieder die Längen- und Breitenkreise,
wie sie zwei Scharen von Kreisen bilden.
Die beiden Punkte an denen alle Meridiane zusammenlaufen
sind natürlich der Nordpol und der Südpol.
Haben Sie ihn erkannt?
Sie sehen hier den Meridian von Greenwich.
Hier endet die erste Etappe auf unserer Reise zur vierten Dimension.