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Liebe Frau Stadtpräsidentin
Sehr geehrte Damen und Herren
Ob wir nun Frauen lieben,
oder Männer lieben.
Ob wir nun Männer und Frauen lieben.
Meine Damen und Herren,
heiss ist es uns heute allen.
[Applaus]
Ich war jahrelang Parlamentarierin.
Wenn ich damals Kritisiert wurde,
dann weil ich etwas gesagt hatte,
was jemandem nicht passte.
Heute als Bundesrätin ist das anders.
Die schärfsten Vorwürfe kommen oft schon bevor ich etwas sage.
Mein gestriger Auftritt an einem Kongress über die Suizidhilfe,
wurde im Vorfeld ver- schiedentlich heftig kritisiert.
Allein die Teilnahme einer Bundesrätin,
sei ein Werbespot für die Suizidhilfe...
...das war es natürlich nicht!
Meine heutige Teilnahme an der Gay Pride, wurde hingegen von niemandem kritisiert.
[Applaus]
Dabei ist meine heutige Teilnahme in der Tat, ein Werbespot.
Ein Werbespot gegen die Diskriminierung.
[Applaus]
Ein Werbespot für Respekt gegenüber gleichgeschlechtlicher Liebe und Sexualität.
Und ein Werbespot für Toleranz und Offenheit.
[Applaus]
Wer Werbespots nicht mag, nenne es ein politisches Statement.
Meine Damen und Herren
Man erachtet also die Anwesenheit einer Bundesrätin an einer schwul - lesbischen
Veranstaltung mittlerweile als normal, und das ist erfreulich.
[Applaus]
Aber wir wissen auch,
in vielen Ländern ist es heute noch völlig undenkbar dass ein solcher Anlass stattfindet.
Vor kurzem konnte eine ähnliche Veranstaltung in einem europäischen Staat nur unter
grössten Sicherheitsvorkerungen und mit massivem Polizei Einsatz durchgeführt werden.
In vielen Regionen dieser Welt werden die Menschenrechte von Lesben, Schwulen und Bisexuellen immer wieder verletzt.
In zahlreichen Staaten ist gleichgeschlechtliche Liebe strafbar.
In einzelnen Ländern droht dafür sogar die Todesstrafe.
Sie, meine Damen und Herren.
Sie engagieren sich heute hier in Zürich gegen diese Diskriminierung aus Gründen der Liebe.
[Applaus]
Sie setzen sich ein, für die Freiheit der Liebe.
Und ich versichere Ihnen, dabei unterstütze ich Sie sehr gerne.
[Applaus]
Es ist wichtig, dass wir uns überall auf der Welt für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzen.
Fragen wir uns aber auch, ob den bei uns selber wirklich alles zum Besten steht?
Genau das müsste es nämlich.
Zum Besten stehen.
Denn ich bin überzeugt, der Entwicklungsgrad einer Gesellschaft zeigt sich in ihrem Umgang mit Minderheiten.
Was für eine Stellung haben Lesben und Schwule also in unserer Gesellschaft?
Werfen wir einen Blick auf die Verfassung und auf die Gesetze.
Die Verfassung verbietet jede Form von Diskriminierung und sichert uns das Recht auf
individuelle Entwicklung in den elementarsten Lebensbedürf- nissen. Und dazu gehört auch
die sexuelle Selbstbestimmung.
Wie steht es um die konkreten Gesetzlichen Grundlagen?
Seit 2007 können Lesben und Schwule in der Schweiz, in eingetragener Partnerschaft leben.
[Applaus]
Die Ehe bleibt zwar heterosexuellen Partnern vorbehalten aber die Rechte
der eingetragenen Partner entsprechen weitgehend jenen von Ehegatten.
Dennoch sind schwule und lesbische Paare gesetzlich immer noch benachteiligt.
Etwa im Namensrecht oder im Adoptionsrecht.
Im Namensrecht, und das ist eine gute Nachricht, wird sich das aber in Kürze ändern.
Ab dem kommenden ersten Januar können homosexuelle bei der Eintragung der Partnerschaft erklären,
dass sie den Ledig Namen des Partners oder der Partnerin als gemeinsamen Namen tragen wollen.
[Applaus]
Und auch beim Adoptionsrecht gibt es Fortschritte zu vermelden.
Der Bundesrat hat vor kurzem beschlossen, dass er die Stiefkindadoption für
homosexuelle Paare ermöglichen will,
[Applaus]
ganz einfach weil diese Lebensform einer gesellschaftlichen Realität entspricht.
[Applaus]
Wofür, meine Damen und Herren, stehen all diese Veränderungen?
Sie stehen für ein gesellschaftspolitisches Ziel,
dass ich als Justizministerin mit grosser Überzeugung anstrebe.
Ich möchte die realen Lebensverhältnisse und die Gesetze näher zusammenbringen.
In aller Regel, hinken die gesetzlichen Grundlagen den
zeitgemässen Lebensverhältnissen hinter her.
Ich werde mich für ein zeitgemässes Familien- und Privatrecht einsetzen
und das heisst auch ein Recht in welchem Lesben und Schwule nicht benachteiligt werden.
[Applaus]
Nun wissen wir alle, dass die Gesetzestexte das Eine sind.
Ihre Anwendung wird dann aber oft verschleppt, verzögert, behindert.
Dieses Phänomen kennen die Frauen besonders gut.
Sie kennen es bis heute.
Denken wir z.B. an die Lohngleichheit.
Seit Jahrzehnten fordern die Frauen, gleichen Lohn für gleiche Arbeit.
Seit 30 Jahren ist dieser Anspruch ausdrücklich in der Bundesverfassung verankert.
Und seit 30 Jahren wird dieser Anspruch nicht eingelöst.
[Buhrufe]
Sie, meine Damen und Herren.
Sie kennen dieses Phänomen auch.
Lesben und Schwule werden immer noch diskriminiert, auch bei uns.
Und zwar alltäglich am Arbeitsplatz z.B. bei Beförderungen.
Es kommt vor bei der Wohnungssuche.
Es zeigt sich aber auch in gewissen Disziplinen des Spitzensportes.
Oder kennen Sie einen schwulen Fussballprofi der an der Europameisterschaft mitspielt?
[Buhrufe]
Es stimmt mich nachdenklich, dass zu viele sogenannte Fans
offenbar nicht damit umgehen können, dass männliche Fussballidole schwul sein könnten.
Solange es im Alltag Diskriminierungen gibt, genügt es nicht,
dass wir uns im politischen Prozess darum bemühen die Rechte von Lesben und Schwulen anzugleichen.
Solange es im Alltag Diskriminierungen gibt ist es wichtig,
dass wir uns alle gegen solche Diskriminierungen aussprechen.
Deshalb war es für mich nicht nur eine Selbstverständlichkeit, heute zu Ihnen zu kommen.
Es war mehr als das.
Es lag mir am Herzen, heute Ihr Gast zu sein.
[tosender Applaus]