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Langeweile, Trübsal.
Man könnte sich aufhängen.
Ich hab's satt!
Ich habe ja die ganze Nacht geschlafen,
dann bin ich aufgestanden,
habe Tee mit meinem Mann getrunken
und ging dann wieder zu Bett.
Was sollte ich denn sonst auch tun?
Ach Gott, wie traurig langweilig ist es!
Es ging mir besser, als ich noch allein war.
Wir waren zwar arm, aber in gewisser Weise frei.
Und jetzt!
Kein Leben! Gefangenschaft!
Ich bin die Frau eines Kaufmanns,
verheiratet mit dem angesehenen Kaufmann
Sinowi Borissowitsch Ismailow.
Die Ameise schleppt ihren Strohhalm,
der Vogel baut sein Nest,
die Knechte sieben das Mehl,
nur ich allein habe nichts zu tun.
Nur ich allein bin traurig und langweile mich.
Nur mein Leben ist düster,
mein Leben als Kaufmannsfrau.
Gibt's heute Pilze?
Ja, gibt es.
Du weißt, ich mag Pilze sehr gern, vor allem mit Buchweizengrütze.
Ob die Sonne scheint oder ein Unwetter tobt,
mir ist doch alles gleichgültig.
- Weshalb singst du? Hast du nichts anderes zu tun? - Und was?
Weshalb haben wir dich in unser Haus genommen?
Ich habe immer zum Sohn gesagt: »Heirate Katerina nicht!«
Aber er wollte nicht hören. Was für eine Frau!
Fünf Jahre verheiratet,
und es ist immer noch kein Kind da!
- Wie bin ich betrübt, ach, so sehr betrübt. - So, so!
- Wie bin ich betrübt, ach, so sehr betrübt. - So, so!
Wie glücklich würde ich sein,
wenn ich nur endlich Mutter wär!
Dummheit!
Du möchtest dir wohl einen jungen Burschen angeln.
Versuch das nicht. Der Zaun ist hoch, die Hunde laufen frei.
Die Arbeiter sind treu ergeben.
Und ich bin die ganze Zeit auf der Hut.
Mach das Gift fertig für die Ratten.
Sie haben wieder das ganze Mehl aufgefressen.
Du bist selber eine Ratte!
Du solltest dieses Gift nehmen!
Sprich!
Der Damm an der Mühle ist gebrochen.
Dort ist jetzt ein riesiges Loch.
Was sollen wir tun?
Als hätten wir nicht schon genug Arbeit.
Ich werde wohl selbst gehen müssen.
Dann geh! Ohne die Aufsicht des Herrn läuft nichts.
Die Leute sind unzuverlässig!
Was kichert ihr so?
Hier, Vater, sieh! Das ist der neue Arbeiter.
- Sehr schön. Wo warst du vorher? - Bei den Kalganows.
Und warum haben sie dich hinausgeworfen?
Die Pferde sind bereit.
Nun, da kann man nichts machen.
Sag deiner Frau Lebewohl.
Leb wohl, Sinowi.
Sag Lebewohl zu deiner Frau.
Nicht so! Auf die Knie!
Auf die Knie! Los!
Was stehst du noch hier? Warum bist du hier geblieben?
Der neue Arbeiter, er ist ein verdammter Schürzenjäger.
Er kann jede Frau zur Sünde verführen.
Er hat alle Vorzüge: Er ist groß, sieht gut aus -
ein Bild von einem Mann.
Er war früher bei den Kalganows im Dienst.
Er hat sich mit der Herrin eingelassen,
und deshalb haben sie ihn fortgejagt.
- Hilfe! - Hört doch die Nachtigall! Ei, du, Axinja!
- Hilfe! - Ein Schwein jubiliert wie 'ne Nachtigall!
- Satan! Jetzt lass mich los! - Was für ein Stimmchen!
Lasst mich dieses Ärmchen anfassen! So glatt und fest!
Bei Gott, ein strammes Weib!
Schamlos seid ihr! Hast mich gekniffen, zerrissen den Rock!
Axinja! Schlag ihn doch, Axinja!
- Hallo! Lass los! - Helft mir doch!
- Nicht loslassen! - Was für ein Stimmchen!
Halt still, Axinja. Pack sie, Sergej!
- Er soll weggehen! - Halt still!
Welch ein schönes Lied! Drückt doch nach!
Halt, Weibstück! Halt!
Immer wieder muss man lachen, solch ein Spaß!
Wir lachen uns noch tot!
Los!
Die Herrin!
- Was ist los mit dir? - Sie haben mir den Rock zerrissen.
Lasst die Frau los! Euch macht es wohl Spaß, eine Frau zu verspotten!
Über wen sollten wir denn sonst lachen?
Eine Frau ist also nur dazu gut, ausgelacht zu werden?
Wozu sollte sie denn sonst gut sein?
Du Schwein!
Na, na!
Ihr Männer bildet euch wohl zu viel auf euch ein.
Glaubt ihr denn,
nur ihr seid stark und mutig, nur ihr habt Verstand?
Weißt du denn nicht, dass Frauen zuweilen eine ganze Familie ernähren?
Und dass Frauen während des Krieges die Feinde in die Flucht schlugen?
Mitunter opferten Frauen ihr Leben
für ihre Männer, für ihre Verlobten.
Doch dir ist das alles gleich.
Jetzt bekommst du eine Tracht Prügel.
Damit du begreifst,
wozu eine Frau gut ist.
Ich möchte Euch einen Vorschlag machen.
Nun?
Wir wollen ein bisschen ringen.
Nun gut, dann ringen wir.
Weg da, ihr Leute!
Warum hörst du auf?
Ich vergaß... Ich halte Euch in meinen Armen.
Und ich denke... Ja, was soll's?
Ich habe sehr viel Kraft!
Lass mich los, lass mich los!
Ach, Serjoscha, lass mich los!
Was geht hier vor?
Ich kam gerade vorbei und verhakte mich mit dem Fuß in einem Sack.
Ich fiel hin, er wollte mir helfen und fiel selbst.
Genauso ist es gewesen.
Was steht ihr hier herum?
Wer macht eure Arbeit?
Wofür werdet ihr bezahlt?
Tagediebe, Faulenzer, Trunkenbolde!
Los, steh hier nicht herum!
Geh auf dein Zimmer!
Warte nur,
wenn dein Mann kommt.
Ich erzähle ihm alles.
Wenn ich traurig bin, dann schau ich betrübt aus dem Fenster.
Unterm Dach hängt ein kleines Nest.
Darin gurren Tauber und Täubchen.
Sie fliegen zusammen droben am Himmel.
Ich sehe ihnen so gerne zu,
und beim Zuschauen muss ich oft weinen,
denn ich beneide das Glück des Täubchens.
Ich aber bin wie eine Gefangene, eingesperrt mit dem Ungeliebten.
Ohne Freiheit
kann ich nicht weiterleben.
Ich habe kein Nest
wie das Täubchen
und habe vor allem auch
keinen Geliebten.
Ohne Freude
verlaufen die Tage.
Wie trostlos wird mein Leben weitergehen!
Ich bin allein.
Allein...
Warum straft mich
das Schicksal so hart?
Wer ist da, wer klopft?
- Habt keine Angst, ich bin es. - Wer? - Sergej!
Sergej? Was ist?
- Was willst du in der Nacht? - Nur eine Kleinigkeit.
Was für eine Kleinigkeit?
Kommt her, dann sage ich es Euch.
- Nun, was ist? - Ich wollte Euch um ein Buch bitten.
- Was für ein Buch? - Um ein bisschen zu lesen.
Ich habe keine Bücher.
Ich kann gar nicht lesen, und mein Mann liest keine Bücher.
Ich komme um vor Langeweile.
- Warum heiratest du nicht? - Wen denn?
Eine Tochter aus gutem Haus nimmt mich nicht.
Und die einfachen Mädchen mag ich nicht.
Sie sind so ungebildet, und ich bin ein feinfühliger Mensch.
Deshalb langweile ich mich so.
Auch ich langweile mich.
Wie sollte man sich nicht langweilen?
Wenn ich nur Bücher lesen könnte...
Bücher geben uns viel Nahrung für Verstand und Herz.
Doch nur die Liebe schenkt uns Glück.
Nun, sagen wir einmal, Ihr hättet ein kleines Geheimnis,
so wie alle anderen Frauen auch...
In Eurer Lage wäre es doch fast unmöglich, Euch mit ihm zu treffen.
Es sei denn, er würde auch in diesem Haus leben...
Glaubt Ihr denn, ich verstehe nicht?
Wie lange bin ich schon in Diensten
und habe genug Frauen gesehen!
Ja... Nun gut, Sergej, geh jetzt.
- Ich gehe. - Leb wohl.
Ich sehe, dass es Euch nicht besser geht als mir.
Was sagst du da?
Aber es steht in Eurer Macht, das zu ändern.
Das ist nicht wahr!
Doch, das ist wahr!
Lass mich! Was willst du hier bei mir?
Lass mich! Sonst spring ich aus dem Fenster!
- Wozu denn das? - Hör auf!
Hilfe! Lass mich los!
- Du bist mein Leben! - Lass mich los! Ich will nicht!
Du allein bist meine Freude!
Geh doch, um Gottes willen.
Ich bin eine verheiratete Frau.
Du liebst deinen Mann nicht.
Ich hab ihm geschworen.
Drum bedräng mich nicht!
Katerina!
- Der Schwiegervater! - Bist du im Bett?
Ich gehe gerade.
Na gut.
- Geh. - Ich geh von hier nicht weg.
Der Schwiegervater schließt die Türen ab.
Für einen wendigen jungen Mann sind auch Fenster Türen.
Nun komm, Katja!
So ist es im Alter!
Man kann nicht schlafen.
Es scheint mir immer,
als lauerten überall Diebe
und wollten uns bestehlen.
Ich gehe umher und sehe nach,
ob irgendwo ein Dieb ist.
Als ich jung war,
konnte ich auch nicht schlafen.
Doch das hatte andere Gründe!
Ich lungerte unter den Fenstern fremder Frauen,
sang Lieder und log, was mir in den Sinn kam,
kletterte auch mitunter durch ein Fenster.
Ich hatte ein schönes Leben, so kann man sagen.
Sinowi ist ganz anders, von anderem Wesen.
Wäre ich so jung wie er, wie würde ich...
Ja dann...!
Licht im Fenster.
Sicher kann sie nicht schlafen.
Sie ist ja eine junge Frau und heißblütig.
Und keiner da, der sie trösten könnte.
Wäre ich doch jünger, nur so zehn Jahre...
Leb wohl, Katja!
Was ist denn das? Da ist doch eine Stimme.
- Warte noch ein bisschen. - Ich muss nachsehen.
Es wird schon hell...
- Sonst streckten sich die Nächte so lang. - Das ist Ehebruch, Ehebruch!
Katerina betrügt ihren Mann!
Sie hat einen Liebhaber gefunden!
- Zu spät kommt Boris Timofejewitsch! - Doch diese sieben Nächte jetzt,
- Zum Teufel, was für eine Schande! - die wir gemeinsam verbrachten,
- Herrgott im Himmel! - sie vergingen wie im Fluge.
- Leb wohl, Katja! - Leb wohl!
- Serjoscha! - Katja!
Na gut. Warte nur!
- Halt! Wo warst du? - Dort, wo ich war, bin ich nicht mehr.
Er war bei meiner Schwiegertochter. He, Leute!
- Schrei nicht so! - Ich will aber! Ich bin der Herr im Haus!
Leute, kommt herbei! Ich habe einen Dieb gefangen!
Und was willst du jetzt von mir?
Ich will dir 500 Peitschenhiebe geben.
Herr, habt Erbarmen!
Los, bring mir die Peitsche! Zieh ihm das Hemd aus!
Nun, Bruder, du hast es so gewollt... und hast es auch verdient.
- Willst du ihn selbst schlagen, Herr? - Selbst! Katerina!
Was ist los? Ich schlafe.
Du schläfst?
Es ist gar nicht so lange her, da kamst du zum Fenster
und hast die Sterne gezählt, wartetest auf den Sonnenaufgang.
Schau, Katerina! Ich habe einen Dieb gefangen
und werde ihn jetzt auspeitschen.
Nun los! Fangen wir an!
- Sieh mal, Katerina, er blutet schon! - Lasst ihn los!
- Sieh mal! - Lasst ihn los!
Blut, mein Freund, hast du viel. Deshalb bist du auch so geil!
Öffnet die Tür! Sie ist abgeschlossen! Öffnet!
- Wir schlagen dir das Blut aus dem Leib! - Ihr Leute!
- Nun wirst du zahm, geiler Schuft! - Leute, helft doch!
Warum schreist du denn nicht? Willst dich wohl aufspielen vor der Frau!
Ich bringe dich zum Schreien! Und das! Noch mehr!
Sofort!
Schweigt! Stehen bleiben!
Aus dem Fenster stürz ich mich heraus!
- Haltet sie fest! - Ihr könnt mich nicht aufhalten!
Spiel dich nicht auf vor der Frau! Schrei doch, dann hör ich auf!
Und das! Und das!
Ich kann nicht mehr.
Wünscht Ihr, dass ich weitermache?
Nein, es reicht.
Zu viel auf einmal ist nicht gut.
Sonst krepiert er uns noch.
Bringt ihn in die Vorratskammer.
Morgen wird er noch einmal verprügelt.
Nun was?
Das hat mich hungrig gemacht.
Ist noch etwas übrig vom Abendessen?
He! Ich rede mit dir!
Pilze sind übrig.
Das ist gut.
Bring mir die Pilze.
Die Pilze schmecken köstlich.
Du bist eine Meisterin im Zubereiten von Pilzen, Katerina.
Geh und zieh dich an.
Du läufst ja halb nackt herum.
Geh!
Nein, halt! Es brennt in mir wie Feuer. Bring mir Wasser!
Ich will nicht.
- Was hast du gesagt? Du wagst es? - Ich wage es.
- Du wagst es? - Ich wage es.
Du wagst es?
Na und?
Was ist los mit mir?
Ihr habt wohl die Pilze zu spät in der Nacht gegessen.
Viele Leute sterben daran.
Ruf den Popen, meine liebe Katerina.
Vielleicht muss ich wirklich sterben.
Es brennt... Es brennt wie Feuer.
Ich habe lange gelebt
und viel gesündigt. Hol den Popen!
Oh, Gott,
welche Schmerzen!
Wo sind die Schlüssel zur Vorratskammer?
Ich bekomme keine Luft...
Oh, Boris Timofejewitsch,
warum hast du uns verlassen?
In wessen Hände gibst du uns jetzt,
Sinowi Borissowitsch und mich?
Was sollen Sinowi und ich ohne dich jetzt tun?
Wie konnte das geschehen? Er war doch gut dabei, der alte Knabe.
Er hat in der Nacht Pilze gegessen.
Viele Leute sterben daran.
So ist es.
»Oh, immer diese Pilze und kalten Suppen«,
wie Nikolai Wassilitsch Gogol sagte,
der große Dichter unserer russischen Heimat.
Ja, seltsame Gedanken kommen dem Menschen vor dem Tod.
Boris Timofejewitsch sagte, er krepiere wie eine Ratte.
Das kann aber nicht sein:
Eine Ratte krepiert, ein Mensch jedoch scheidet dahin.
Wie seltsam...
Das hindert uns aber nicht daran, für ihn eine Messe zu lesen.
Nun nimm, o Herr, deinen Diener in Frieden an.
Sergej!
Serjoscha!
Jetzt bist du mein!
Was soll nun werden?
- Du bist mein! - Ja.
Oh, mein Teurer!
Du bist meine einzige Liebe!
Du gehörst nur mir,
nur mir allein.
Ich werde lieber sterben, als mich von dir zu trennen.
Oh, Serjoscha!
Katja...
- Unsere Liebe geht dem Ende zu. - Wie das?
Sinowi Borissowitsch kommt zurück, dein rechtmäßiger Ehemann.
Wie wird mir wohl zumute sein?
Ansehen, wie du dich schlafen legst mit deinem rechtmäßigen Mann?
Das wird nicht geschehen.
Katerina Lwowna, Katenka.
Ich bin nicht wie andere Männer, denen alles gleichgültig ist,
solange sie einen weichen Frauenkörper zu vernaschen haben.
Ich bin nämlich sehr empfindsam. Ich fühle, was Liebe bedeutet.
Ach, warum habe ich mich in dich verliebt,
glühe für dich voller Leidenschaft?
Ist es wirklich eine Ehre für dich,
die Frau eines berühmten Kaufmanns, meine Geliebte zu sein?
Ach, Katja, ich möchte vor Gottes Angesicht dein Ehemann werden!
So, wie es jetzt ist, können wir uns nur nachts sehen,
und bei Tageslicht haben wir Angst, unser Gesicht zu zeigen.
Sei nicht traurig, Sergej.
Ich mache aus dir einen Kaufmann,
und wir leben zusammen, wie es sich gehört.
Wie soll dir das gelingen?
Lass das nicht deine Sorge sein.
Sei nicht traurig, sei nicht betrübt, Sergej.
Du bleibst jetzt mein!
Du mein Sergej!
Nicht verzweifeln, Sergej! Du bist jetzt für immer mein.
Serjoscha! Liebster!
Ich fürchte niemanden. Ich mache dich zu meinem Ehemann.
Ich habe vor niemandem Angst.
Boris Timofejewitsch wollte uns stören,
und es gibt ihn nicht mehr.
Tot, begraben, vergessen.
Nur des Nachts erinnere ich mich an ihn.
Oft erscheint mir sein schreckliches Gesicht.
Nein! Nein! Geh weg!
Katerina Lwowna!
Du Mörderin!
Ich bin gekommen, weil ich sehen wollte,
wie du mit Sergej das Bett meines Sohnes warmhältst.
Lass mich in Ruhe! Geh weg! Aus meinen Augen!
Du Mörderin!
Es naht der Tag der Vergeltung,
Katerina!
Auch deine Stunde kommt!
Oh, Sergej, wach doch auf!
Nun? Was willst du?
Sergej, Serjoscha, schau, sieh doch!
Die schreckliche Gestalt des Boris Timofejewitsch!
Unfug, dort ist niemand. Beruhige dich doch, Katja.
Ich habe Angst, Serjoscha. Rette mich, rette mich doch!
Geliebter, mein Teurer!
Drück mich noch fester an dein Herz!
- Hör, Sergej, Sergej! - Was denn?
- Hörst du? - Was denn?
Jemand geht da leise, ganz leise.
Du bildest es dir wieder nur ein.
Nein. Nein.
Die Hunde haben nicht gebellt,
es ist also jemand, den sie kennen.
Hörst du nicht? Da geht doch jemand.
- Ja, ich höre es. - Versteck dich irgendwo.
Es ist Sinowi Borissowitsch, mein Mann.
Das ist ja eine schöne Bescherung!
Versteck dich doch, versteck dich!
Er lauscht an der Tür.
Na, warte nur!
Katerina!
- Wer ist da? - Mach auf!
- Ich kann die Stimme nicht erkennen. Wer ist da? - Ich!
- Wer? - Ich, hörst du denn nicht?
- Ich kann die Stimme nicht erkennen. - Ich bin's, Sinowi Borissowitsch.
Und wie geht es Euch?
Ich bin nicht ins Theater gegangen und auch zu keinem Ball.
- So wart Ihr die ganze Zeit zu Hause? - Ja.
Soso! Gut, na schön. Wie ist denn mein Vater gestorben?
Er ist eben gestorben und ehrenvoll begraben worden.
Und warum ist das Bett für zwei gemacht?
- Ich habe Euch die ganze Zeit erwartet. - Besten Dank dafür.
- Und was ist das für ein Ding? - Wo?
Hier! Soweit ich sehen kann, ist das ein Männergürtel.
Ich habe ihn gefunden und mir den Rock damit zugebunden.
Wir haben einiges gehört über Eure Röcke.
Was habt Ihr denn gehört?
Wir haben viel über Eure Affären gehört.
- Was habt Ihr gehört? - Wir haben alles gehört!
Ich hab's nicht gern,
wenn man mit mir in diesem Tone spricht! Und nun erklärt bitte,
über welche Liebschaften man redet!
Ihr wisst nämlich nichts. Nur ich weiß alles.
Niemand darf über meine Affären reden.
Warte nur, Katerina, ich werde alles erfahren!
Ich werde dich grausam bestrafen, dich grün und blau schlagen!
Du ekelst mich an, du jämmerlicher Krämer.
Ich bin verantwortlich für die Ehre der Familie.
- Sag mir die Wahrheit! - Wozu?
- Sag schon! - Du würdest sowieso nichts begreifen.
Wird's bald?!
- Sergej! - Wer ist denn das?
Komm heraus und beschütze mich! Sergej, mein Geliebter!
- Oh, ihr Lumpen! Leute! - Du gehst nicht weg!
- Ich... weiß... alles... - Halt ihn fest, Serjoscha, fester!
Ihr Schweine! Zu Hilfe!
Oh, sie erwürgen mich!
Den Popen...
Hier hast du deinen Popen!
Nun, das war's!
- Leuchte mir, Katja. - So beeil dich doch.
Ich bin gleich fertig.
So. Erledigt.
- Küss mich, küss mich doch. - Katja...
Jetzt bist du mein Mann.
Ich hatte eine Gevatterin, sie trank ohne Verstand.
Ich hatte einen lieben Freund, er betrank sich mit Wein und Wodka.
Einen Patenonkel hatte ich auch, er hat sich zu Tode getrunken.
Ohne Wein konnte meine Familie keinen einzigen Tag überleben.
Warum sollte ich schlechter sein als sie? Ich trinke Wodka für drei!
Ich trinke morgens, nachts, am Tag und am Abend,
im Winter und im Sommer, trinke, bis ich einschlafe!
Ich werde trinken bis in alle Ewigkeit. Ich bin ein lustiger Kerl.
Singen ist schön, wenn's etwas zu trinken gibt.
Und wenn's nichts zu trinken gibt, dann kann man auch nicht singen.
Und warum gibt es nichts zu trinken? Weil ich pleite bin.
Meine Sterne stehen schlecht, bei einem anderen stehen sie gut.
Dieser Sergej, er war auch bettelarm, und jetzt kann er in Wodka baden.
Warum nimmt sie nicht mich, sondern Sergej zum Mann?
Bin ich etwa schlechter? Arme, Beine, Kopf, Bauch, alles an seinem Platz.
Aber meine Sterne stehen schlecht.
Ich will etwas trinken!
Da ist der Keller. Die Herrin steht oft am Keller und schaut...
Dort müsste guter Wodka sein. Sie schaut und schaut...
Ich werde auch nachsehen.
Da muss es wirklich tolle Weine geben!
Oh, mein Gott! Was soll ich tun?
Ein Toter! Erschlagen! Ermordet!
Und ich Dummkopf dachte erst: Sind denn alle Speisen verdorben?
Ich seh nach - oh, Gott! -, seh einen Toten!
Ah! Hilfe! Schnell!
Ah! Helft mir, Leute!
Zur Polizei!
Wer ist schöner als die Sonne am Himmel?
Wir kennen niemanden, der schöner ist als die Sonne am Himmel!
Katerina Lwowna ist schöner als die Sonne am Himmel!
Sie ist wirklich himmlisch!
Darf ich? Küsst euch!
Küsst euch!
Warum so schüchtern?
Ein Hoch auf Katerina Lwowna!
Sie ist schöner als die Sonne am Himmel!
Küsst euch!
Küsst euch!
Was ist los?
Das Schloss ist aufgebrochen, dort, wo Sinowi Borissowitsch liegt.
Tatsächlich, es ist aufgebrochen.
Leise doch, leise.
- Wenn sie weg sind, fliehen wir! - Sie flüstern leise...
Zu früh. Es ist noch keine Nacht!
So esst doch, ich bitte euch!
Katerina Lwowna ist schöner als die Sonne am Himmel!
Wer ist schöner als die Sonne am Himmel?
Küsst euch!
Sergej, wir müssen fliehen.
Jemand hat das Schloss aufgebrochen und bestimmt die Leiche gesehen.
- Und was ist mit dem Geschäft? - Wir nehmen das ganze Geld mit.
Es reicht für uns zum Leben.
Scheinbar schlafen alle.
Geh und hol schnell das Geld.
Wir dürfen keine Minute verlieren!
Wo bleibt er nur?
Ich komme!
Was ist das?
Es ist zu spät!
Ach, Sergej, wir sind verloren!
- Warum denn verloren? Lass uns fliehen! - Wohin denn?
Wer ist da?
Polizei!
Seid gegrüßt!
Seid gegrüßt!
Ihr habt uns nicht eingeladen.
Wir waren wohl nicht gut genug? Aber wir sind trotzdem gekommen!
Es gab einen kleinen Zwischenfall.
Oh, so viele Gäste!
Es ist wohl viel Wein getrunken worden?
Ja? Ein gewisser Zwischenfall,
mit einem Wort,
ein kleiner Zwischenfall!
Redet nicht um den heißen Brei, nehmt mich schon fest!
Ach, Sergej,
verzeih!
Verzeih mir!
Nehmt mich fest!
Nun los, die Ketten! Flink!
Lasst mich los!
- Haltet ihn! - Lasst mich los!
- Festhalten! - Tempo! Tempo!
Das wagst du nicht!
Fesselt die beiden!
Ab ins Gefängnis mit ihnen!
Ach, Sergej! Verzeih mir!
Ein Werst reiht sich an den anderen
in endloser Kette.
Schnee hat die Erde bedeckt.
Die Sonne sinkt über der Steppe.
Ach, was für ein Weg, von den Ketten aufgerieben,
der Weg nach Sibirien, von Knochen übersät,
ein Weg, von Schweiß und Blut durchtränkt,
widerhallend vom Stöhnen der Sterbenden!
Ach, was für ein Weg, von den Ketten aufgerieben,
der Weg nach Sibirien, von Knochen übersät,
ein Weg, von Schweiß und Blut durchtränkt,
widerhallend vom Stöhnen der Sterbenden!
Die Nacht verbringen wir hier.
Doch mit den ersten Sonnenstrahlen
zählen wir wieder Werst auf Werst
zum Gerassel unserer Ketten.
O Steppe, du dehnst dich so unermesslich weit.
Die Tage und Nächte ziehen sich endlos hin.
Unsere Gedanken sind so freudlos
und die Wachen ohne Herz...
O Steppe, du dehnst dich so unermesslich weit.
Die Tage und Nächte ziehen sich endlos hin.
Unsere Gedanken
sind so freudlos
und die Wachen ohne Herz!
Stepanitsch!
Lass mich durch!
Hier sind 20 Kopeken, kauf dir Wodka!
Stepanitsch!
Oh, diese Frauen!
Was für ein geiles Volk!
Nun gut, geh durch!
Danke!
Serjoscha! Mein Geliebter!
Endlich! Ich habe dich doch den ganzen Tag nicht gesehen.
Serjoscha!
Meine Füße schmerzen nicht mehr, die Müdigkeit ist verflogen,
der ***...
Alles ist jetzt vergessen,
da ich wieder bei dir bin,
Serjoscha!
Und deine Tat hast du auch vergessen?
Welche Tat?
- Wer hat mich zur Zwangsarbeit gebracht? - Serjoscha!
- Geh fort! - Serjoscha! Ach, verzeih mir!
Geh doch, du hast mein Leben ruiniert!
Ach, verzeih mir, Serjoscha!
Mein Gott, welche Qual!
Serjoscha!
Feine Kaufmannsfrau... Ganz einfach ein Schwein!
Zum Gruß!
Wie bringst du es fertig, dich so frei zu bewegen?
Ich habe dem Wachposten 25 Kopeken gegeben.
Und woher hast du so viel Geld?
Von der Kaufmannsfrau.
Von der Kaufmannsfrau?
Dann ist sie eine Närrin, deine Kaufmannsfrau!
- Ja, natürlich, eine Närrin. - Eine Närrin!
Meine kleine Sonjetka, ich möchte dich bitten,
mir einen Herzenswunsch zu erfüllen!
- Was für einen Wunsch? - Du weißt schon, welchen!
Was für ein dreister Kerl du bist. Geh doch zu deiner Kaufmannsfrau!
Sie ist mir zuwider, sie ist mir so zuwider!
Warum hast du dich dann mit ihr eingelassen?
Aus reiner Habgier.
Glaubst du denn, ich gebe dir umsonst, was du willst?
- Da irrst du dich! - Halt, Sonjetka!
- Na, was heißt hier halt! - Ich liebe dich!
Zeig mir, dass du mich liebst!
Was verlangst du von mir?
Siehst du?
Die Strümpfe sind zerrissen, mir ist kalt.
- Besorg mir Strümpfe! - Woher?
- Von deiner Kaufmannsfrau. - Richtig!
Gut, ich besorg dir welche.
- Katja! - Serjoscha, du bist also gekommen?
Sei mir nicht böse, verzeih mir.
Serjoscha! Du bist alles, was ich habe, meine ganze Freude.
Du hast mich schrecklich verletzt, Serjoscha!
Katja!
Verzeih, mir ist so schwer ums Herz.
Es ist das letzte Mal, dass wir uns sehen.
Warum? Serjoscha?
Ich muss in die Stadt, muss ins Hospital.
Die Fesseln haben die Beine aufgerieben.
Der Schmerz ist unerträglich.
Wie denn das? Was soll ich ohne dich tun?
- Sie werden mich zwingen, weiterzugehen! - Das werden sie!
Ich kann nicht mehr laufen.
Es schmerzt so sehr!
Ich kann ohne dich nicht eine Minute sein. Was soll ich tun?
Ich kann nicht, Serjoscha. Verlass mich nicht!
Wenn ich nur irgendwoher Wollstrümpfe bekommen könnte!
Das würde mir sicher helfen!
Strümpfe? Warum hast du das nicht gleich gesagt, Serjoscha?
Hier sind Strümpfe, nimm sie!
Ach, Katja! Danke, meine Liebe!
Hier, nimm sie.
- Ich komme gleich wieder. - Wohin gehst du?
Ich komme gleich wieder.
Serjoscha! Weshalb bist du gegangen?
Die Kaufmannsfrau ist noch immer voller Feuer.
Aber ihr Liebster zeigt ihr die kalte Schulter!
Alles hat sie nun verloren: die Freiheit und den Bräutigam!
Einsam ist nun Katerina,
furchtbar ist die Sehnsucht.
Alles quält nun Katerina, alles quält sie.
Lasst mich los!
Allein und sehnsuchtsvoll! Keine Nacht kann sie mehr schlafen.
Es ist trostlos, das Alleinsein ohne Sergej!
Ohne Sergej! Ohne Sergej!
Ruhe!
Was schreit ihr so? Schweigt! Ich werde euch...
Dort... Sergej, Sonjetka!
Wo? Schweigt jetzt! Auf den Platz!
Tief im Wald ist ein See,
fast kreisrund und sehr tief.
Das Wasser darin ist schwarz,
schwarz wie mein Gewissen.
Und wenn der Wind weht im Wald,
erheben sich Wellen auf dem See.
Riesige Wellen.
Es ist zum Fürchten.
Im Herbst sind auf dem See immer Wellen,
schwarzes Wasser und riesige Wellen.
Riesige schwarze Wellen.
Weißt du, Sonjetka, wem wir ähnlich sind?
Adam und Eva.
Nach dem Paradies sieht es hier aber nicht aus!
Unsinn, wir waren gerade zusammen im Paradies.
Danke, Katerina Lwowna,
danke für die Strümpfe!
Schau, wie schön sie an mir aussehen.
Serjoscha hat sie mir übergestreift und meine Füße geküsst.
Ach, Serjoscha, mein Serjoscha!
Katerina ist eine Närrin. Sie konnte Sergej nicht halten.
Eine Närrin!
Und ihre Strümpfe sieht sie nie wieder.
Sie sind jetzt mein!
Mir ist jetzt warm!
Aufgestanden! Auf eure Plätze! Geschwind!
Ach, wir müssen aufstehen.
Weiter, weiter müssen wir gehen!
Du, altes Mädchen!
Hörst du? Stell dich lieber woanders hin.
Sonst fällst du noch ins Wasser...
Hörst du?
Hilfe!
Rührt euch nicht von der Stelle!
Ruhe! Auf eure Plätze!
Und wieder ziehen wir weiter
zum Gerassel unserer Ketten,
zählen verzagt Werst auf Werst
mit den Füßen durch den Staub.
Ach, warum ist unser Leben nur so finster,
furchtbar und hoffnungslos.
Sind wir denn geboren
für ein solches Leben?