Tip:
Highlight text to annotate it
X
Hallo alle!
Möchte nur kurz erzählen, was ich erlebt habe, das mich sehr beeindruckt hat.
Ich war 16 Jahre alt zu der Zeit im Jahr 1996. Es ist also schon lange her.
Es war beim Schüleraustausch, das in Kanada stattfand. Die Schule war in [Buchstabieren:] M I L T O N, Milton also.
Ich habe den ersten Eindruck dort nie vergessen können. Es war sehr beeindruckend.
Als ich dahin geflogen bin, wurde ich von meiner tauben Gastfamilie abgeholt, die mich aufgenommen haben und mich bei sich schlafen ließen.
Sie haben mich in ein Restaurant eingeladen, zum Anlass des ersten Abend mit ihnen.
Als ich im Restaurant war, habe ich mit Aufgeregtheit meine Gastfamilie gefragt: "Ihr habt einen Fernseher im Restaurant?!"
Sie haben mich verwundert angeschaut und gesagt, dass es ja nur ein Fernseher ist.
Ich habe ihnen dann gesagt: Nein, ich meine, der Fernseher ist mit Untertiteln!
Sie haben mich immer noch verwundert angeschaut und gemeint, dass es ja normal seie, Untertitel im TV zu haben. Und mich gefragt, was ich eigentlich damit meine.
Ich habe ihnen dann erklärt, dass in Deutschland niemals Untertitel in einem Restaurant-Fernsehen eingeschaltet werden.
Hier ist es aus Selbstverständlichkeit dauerhaft für alle eingeschaltet.
Neben uns waren im Restaurent keine anderen tauben Personen da. Es war dort also eine Art von Selbstverpflichtung üblich.
Durch diese Situation war ich sehr verwirrt und beim Essen habe ich immer wieder zum TV hingeguckt, weil ich so fasziniert war, dass dort UT eingeblendet waren.
Meine Gastfamilie war sehr verständnisvoll und es war für mich unglaublich.
Zwei Wochen später hat meine Schule begonnen, und ich war sehr geschockt, dass wirklich ALLE Gebärdensprache genutzt haben.
Sogar die Sekretärin, Hausmeister, Schulleitung und Lehrer, quasi alle Gebärdensprache beherrscht haben.
Es war egal, ob der Lehrer taub war oder hörend. Es war ein Muss, zu gebärden.
Ich war etwas orientierungslos, und habe mich überfahren gefühlt. Auch habe ich mich überfordert gefühlt. Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte.
Ich bin gewohnt immer nur "Hörend" zu leben, orale Sprache (Anm: Lautsprache) zu nutzen, was ich aushalten musste.
Ich war da schon innerlich eingestellt, nur in Lautsprache zu kommunizieren.
Bevor ich nach Kanada flog, habe ich mich auf die Englische Lautsprache vorbereitet.
Doch wurde dort nur in Gebärdensprache kommuniziert. Daher war es anfangs schwierig für mich, mich da umzustellen.
Es wurde dann aber immer besser. Zum Beispiel haben zwei Lehrer gebärdet und offen über private Themen unterhalten.
Ich habe dann einer anderen Person gesagt, es sei schön, dass die Lehrer taub sind und sie so ein Blickfang sind.
Der andere sagte aber, dass beide hörend seien. Ich habe mich so erschrocken, dass beide hörend waren.
und ungläubig gefragt: "Sie benutzen wirklich die Gebärden?" Ich wurde gefragt, warum ich das frage.
Ich meinte, dass sie ja in Lautsprache unterhalten könnten. Die Antwort war:
"Oh nein, in der Schule ist es Pflicht für alle Gebärdensprache zu nutzen. Erst wenn die Schule fertig ist, also Feierabend ist,
dann dürfen sie wieder sprechen. Aber in der Schule ist es natürlich Pflicht zu gebärden, ganz egal wer.
Es ist ein Muss." Ich habe das zuerst nicht verstanden. Dann hat man mir erklärt, dass es so gleichberechtigt wäre.
Denn der Grund ist, dass der Lehrer uns beim Gebärden verstehen kann, aber umgekehrt wir sie in Lautpsrache nicht verstehen können.
Das wäre ja nicht fair. Deshalb benutzen wir alle Gebärden, ganz egal worum es geht.
Wenn aber Lehrer wollen, dass andere nicht mitbekommen sollen und etwas privates besprechen wollen,
dann sind sie immer ins Büro gegangen oder an einem Rückzugsort gegangen.
Wenn sie aber in der Öffentlichkeit sind, ist es selbstverständlich zu gebärden.
Ich habe mich gefragt, ob es wirklich so ist, und war verwirrt.
Es war aber toll, dass die Sekretariat z.B. gebärden konnte und sie einfach auf Probleme ansprechen konnte,
und so problemlos mit uns Tauben umgehen konnte. Und in Kanada können Kinder schon von klein auf ohne Schwierigkeiten alles besprechen.
Oder den Hausmeister ansprechen und ihn darum bitten irgendwelche Sachen zu reparieren,
und das können Kinder auch von klein auf. Wenn die Kinder dann von der Schule abgehen und
in der Hörenden-Welt interagieren müssen, z.B. wegen der Arbeit, sind sie selbstssicherer und wissen, wie sie mit Hörenden umgehen sollen.
Sie haben ein größeren Wortschatz und können daher auch notfalls problemlos schriftlich kommunzieren.
Wir in Deutschland können das nicht und wir sind auch von klein auf gewöhnt, dass Hörende unsere Aufgaben übernehmen und unsere Probleme lösen.
Sobald wir aber beruflich aktiv sind, brauchen wir sehr lange um uns im Umgang mit Hörenden einzugewöhnen.
In Kanada sind Kinder schon von klein auf mit sich sicher und wissen wie sie ihr Leben meistern können.
Sie sind auch mutiger und haben viel weniger Hemmungen im Umgang.
Deshalb ist es sehr wichtig, früh mit der Gebärdensprache zu leben. Mit dieser Sprache ist es ihnen möglich
barrierefrei die Welt zu verstehen, so wissen sie auch eher, wie man was machen kann.
Wir müssen bei der Demo dabei sein, es ist sehr wichtig für unsere Zukunft.
Vor einem Monat, bin ich nocheinmal nach Kanada geflogen, zum Schuljubiläum.
Ich habe mich da mit vielen Leuten dort unterhalten und es gab ein Wiedersehen. Ich habe sie nach Neuigkeiten und Verbesserungen gefragt,
und sie antworteten: Ja, über 50% taube Lehrer wurden eingestellt." ÜBER 50%, beeindruckend!
Sogar die Schulleitung und der Stellvertreter sind beide taub, und haben sich die Position erarbeiten können.
Also haben sie die Möglichkeit auf die Schule Einfluss zu nehmen.
Zu meiner Zeit dort waren nur 30% der Lehrer taub. Heute sind es fast 60%.
Wow, oder? Wir müssen deshalb dabei sein bei der Demo, weil es für unsere Zukunft wichtig ist.
Ich empfehle euch echt zu kommen! Yeah, Gebärdensprache macht stark! Stark, stärker, stärksten! Tschüss!