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Sie marschieren zu Tausenden quer durch die Republik und sorgen für Angst bei
Deutschlands Politikern und Wirtschaftsbossen. Es ist die Angst vor
den Wutbürgern.
Egal ob Stuttgart 21 Gorleben oder der neue Hauptstadtflughafen, es zeigt sich
überall das gleiche Phänomen.
Die Demonstrationen werden vom Establishment angeführt, ordentliche
Bürger,
ordentlich sauer. "Man täuscht die Bürger,
man lässt sie außen vor bei demokratischen Planungsbeteiligten, man
verkündet erst im allerletzten Moment was man wirklich vorhat und das ist mein
Hauptmotiv auf die Straße zu gehen.
Ob man das als Wutbürger bezeichnet oder als jemand, der für eine
funktionierende Zivilgesellschaft einsteht, das dürfen dann andere beurteilen."
"Wenn bewusst Tatsachen
nicht genannt werden, dann macht einen das wütend und dann hat man auch das Recht, wütend zu sein und das ist einfach
ganz normale Bürgerpflicht."
Während die Demonstranten für sich in Anspruch nehmen, aus Angst um ihre
staatlich garantierten Grundrechte auf die Straße zu gehen
sehen Teile von Medien, Politik und Wirtschaft vor allem Eigennutz und Starrsinn bei den Protestierenden.
Was aber treibt den Wutbürger wirklich an? "Was sie wütend macht,
ist nach unserer Erfahrung
die Situation, dass sie nicht gefragt werden oder belogen worden
sind, also das Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein und in ihrer
Rolle als Mitbürger nicht Ernst genommen worden zu sein."
Ernst genommen fühlen sich die Menschen am Müggelsee schon länger nicht mehr.
Im Juli 2011 erfuhren sie,
dass die zentrale Ein- und Abflugschneise des neuen
Hauptstadtflughafens
über ihren See führt.
Diese Ankündigung kam für sie wie aus dem Nichts.
"Wer den Bürgern gegenüber eine Verteilungsgerechtigkeit erwartet, das
heißt, alle sind damit einverstanden, dass sie ein bisschen was von diesem
Fluglärm abbekommen,
der muss auch eine Beteiligungsgerechtigkeit gewähren.
Die wurde uns verwehrt, wir sind in die Planfeststellungsverfahren und in die
darauf folgende Verfahren nicht eingebunden gewesen, weil man uns immer
gesagt hat: Nein ihr seid nicht betroffen gehört nicht dazu." Die Müggelseeregion
liegt 30 km südöstlich von Berlin.
Klares Wasser und ausgedehnte Wälder machen die Gegend zu DEM
Naherholungsgebiet der
Hauptstadt. Auf zahlungskräftige Kunden wartet kostspieliger
Wohnraum in bester Seelage. Kommt die Flugroute tatsächlich, dann werden hier
täglich bis zu 122 Flugzeuge verkehren. Neben dem dramatischen Wertverlust ihrer
Immobilien wäre es für Anwohner Hans Behrbohm
und seine Nachbarn dann auch mit der Idylle endgültig vorbei. "Nach unseren
Berechnungen auch zusammen mit Fluglärm-Experten
ist es so, dass wir hier in dieser Regionen 66 bis 83 Dezibel erwarten
und über der Schall Reflektion über dem See werden wir hier am Nordufer
des Müggelsees teilweise mit Schallspitzen bis hundert Dezibel zu rechnen haben.
Das ist jenseits von gut und böse." Doch wenn nicht hier,
wo sollen die Flugzeuge sonst fliegen?
Eine Region muss in den sauren Apfel beißen.
Verdient die Müggelsee Region einen Sonderstatus und ihre Anwohner damit
einen besonderen Schutz? Geht es hier um verletzte Grundrechte oder nur um lästigen
Fluglärm? Den will keiner haben,
vor allem nicht jene, deren wirtschaftliche Existenz durch die
Flugroute bedroht wird. "Hier geht's um
Umweltbelange, die einfach ignoriert werden. Hier geht es um touristische
Belange, die ignoriert werden. Wenn die Gegend sich so verändert, dass man hier
kein Strandbad mehr betreiben kann und keine Veranstaltung, dann hat man was
kaputt gemacht.
Ist es nicht auch Wert, Dinge zu schützen, die im eigenen
Interesse sind?
Ich denke, das ist in Deutschland und auch in der Demokratie erlaubt."
Alle wollen fliegen,
aber keiner will persönliche Nachteile.
"Wir haben alle eigene Interessen für die wir uns einsetzen.
Die entscheidende Sache ist, die dass die staatlichen Planungen
nicht mehr so wahrgenommen werden als würden die ein Gemeinwohl darstellen
oder einen Gemeinwohlinteresse stattfinden,
sondern ob jetzt die Berliner Flugrouten oder die Stuttgarter
Bahnhofs-Situation immer wird auch
mitgedacht, dass möglicherweise andere mächtige Interessen
im Spiel sind und nicht so sehr die Allgemeinheit." Am 3. Juni starten die
ersten Flugzeuge offiziell von Berlin Brandenburg.
Über die Müggelsee-Route.
Die letzte Hoffnung der Demonstranten vom See: Ihre Beschwerde bei der
EU-Kommission.
Bis zur Entscheidung wollen sie weiter um ihr Recht kämpfen.
Auf Einsicht von oben
zählen sie längst nicht mehr.