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Das gekrümmte Universum
Ein Interview mit Kip Thorne vom California Institute of Technology
Hi, ich bin Annalie! Ich werde gleich mit Kip Thorne sprechen.
Kip nimmt hier in Australien an einer Konferenz teil und hält dabei einen öffentlichen Vortrag.
Ich bin hier, weil mein Vater an derselben Konferenz teilnimmt.
Kip ist der Experte für Schwarze Löcher, Gravitationswellen und all das
was er als „Gekrümmte Seite“ des Universums bezeichnet.
Hi Kip!
Hi, Annalie! Schön, Dich wieder zu sehen!
Woran denkst Du, wenn Du nachts in den Himmel schaust
und die Sterne siehst?
Nun, ich denke an all die Dinge, die ich nicht da oben sehen kann.
Das Universum hat Sterne, es hat Planeten, die Sonne und den Mond
aber es hat auch Objekte, die aus gekrümmtem Raum und gekrümmter Zeit bestehen
und diese Objekte sind ganz anders als alles, was Du oder ich bisher je gesehen haben!
Was kann ich mir unter dieser gekrümmten Raum-Zeit vorstellen?
Der gekrümmte Raum ist in etwa wie die Oberfläche eines Trampolins
Drückst Du auf das Tuch, wölbt es sich nach unten und ist: verzerrt und gekrümmt.
Gekrümmte Zeit heißt eigentlich nur, dass die Zeit hier mit anderer Geschwindigkeit läuft
als sie es oben in großen Höhen tut.
Wenn Du Dir eine Uhr in einer großen Höhe anschaust, tickt sie schneller –
ungefähr ein 40 Milliardstel Prozent schneller als hier unten.
Schwarze Löcher
Dann ist also die Zeit zum Beispiel in Schwarzen Löchern verzerrt?
Ja, in Schwarzen Löchern ist die Zeit verzerrt.
Schwarze Löcher bestehen eigentlich sogar aus gekrümmter Zeit
und gekrümmtem Raum.
Kannst Du dir das vorstellen?
Aus verzerrter Zeit?
Ja. Und verzerrtem Raum!
Weil sie nicht aus Materie bestehen. Dort gibt es keine Materie.
Und die Zeit ist verzerrt, wenn Du näher an den Rand eines Schwarzen Lochs kommst.
Die Zeit läuft dort langsamer, unglaublich viel langsamer als hier auf der Erde
Ein paar Minuten der Zeit dort unten für Dich - wenn Du dort wärst -
könnten auf der Erde eine Million Jahre dauern!
Was würde denn passieren, wenn ich in ein Schwarzes Loch falle –
würde ich woanders `rauskommen, in einem anderen Universum?
Du stirbst!
Ich sterbe.
In einem Schwarzen Loch gibt es etwas, das wir eine Singularität nennen.
Eine Singularität ist ein Ort, von dem wir nicht verstehen, was da vor sich geht.
Wir wissen aber, dass die Gravitation dort so stark ist, dass sie Dich auseinander reißt.
Sie reißt die Atome auseinander, aus denen Dein Körper besteht.
Sie zerstört Materie – jede Art von Materie -
und in ihrer Mitte sogar Raum und Zeit!
So verstehen wir das derzeit.
Kosmische Strings
Und was genau sind Kosmische Strings?
Kosmische Strings sind wie Violinsaiten, die durch das Universum gespannt sind
Wenn Du sie zupfst, laufen Wellen an der Saite entlang –
und zwar mit Lichtgeschwindigkeit – der höchsten Geschwindigkeit überhaupt –
Dabei entstehen Gravitationswellen,
Kräuselungen der Raum-Zeit, die sich ausbreiten.
Diese Gravitationswellen wollen wir sehen und ihre Form genau vermessen.
Denn das würde uns etwas über die Strings verraten.
So, und jetzt möchtest Du bestimmt wissen, warum diese kosmischen Strings
so interessant sind – also frag' mich!
Warum sind kosmische Strings interessant?
Sie sind interessant, weil viele Physiker glauben
dass diese Strings die kleinsten Bausteine aller Materie sind.
Sie sind so winzig, dass sie kleiner als ein Atomkern sind.
Man nennt sie „fundamentale“ Strings und es gibt da eine Idee
- und die passenden Formeln dazu -
dass ganz am Anfang des Universums einige dieser winzigen fundamentalen Strings
tatsächlich auf kosmische Größe aufgebläht wurden!
Und die könnten wir finden.
Wenn wir sie messen könnten, wäre das der erste Test
für die Ideen, die es zu den fundamentalen Strings gibt
den kleinsten Bauteilen aller Dinge.
Gravitationswellen
Wie hängen denn Schwarze Löcher und Gravitationswellen zusammen?
Gravitationswellen sind Kräuselungen im Gewebe der Raum-Zeit.
Damit meine ich folgendes
Wenn Du an einem windstillen Tag an einem See bist
Deinen Finger ins Wasser steckst und ihn so herum bewegst
breiten sich Wellen von Dir weg auf der Oberfläche aus.
Und jetzt stell' Dir einfach zwei Schwarze Löcher vor, die umeinander kreisen
- sie bestehen ja aus gekrümmtem Raum und gekrümmter Zeit -
sie verursachen Kräuselungen wie Wellen auf der Oberfläche eines Sees
– nur, dass sie sich im Universum ausbreiten.
Diese Kräuselungen nennen wir Gravitationswellen.
Der Urknall
Was passierte eigentlich beim Urknall?
Nun, im Urknall wurde das Universum geboren– es wurde geschaffen, es entstand!
Wir glauben, dass es gleichzeitig einen großen Ausbruch von Gravitationswellen gab.
Das sind die einzigen Wellen, die alles durchdringen und unverändert
durch alle Materie laufen können, vom Urknall bis zu uns!
Sie sind also ein gutes Werkzeug, um die Geburt des Universums zu betrachten.
Denn soviel wir wissen, war der Urknall der Anfang von allem.
Die Wellen aufspüren
Also würde das Messen von Gravitationswellen die Frage beantworten
wie das Universum geboren wurde?
Ja, das ist eine der Fragen, auf die wir eine Antwort suchen.
Wir wollen die Geburt des Universums mithilfe der Gravitationswellen sehen,
und die Dinge betrachten, die mit dem Universums entstanden sind
– dazu gehören auch wir beiden -
und wir wollen verstehen, wie das alles am Beginn des Universums zustande kam.
Dazu kommt die Theorie, fundamentale theoretische Arbeit wie die von Einstein.
Üblicherweise gehen theoretische Arbeit und Beobachtungen Hand in Hand –
das ist der Schlüssel, um die Natur zu verstehen.
Wie viele Detektoren gibt es denn zur Zeit?
Hm, wie viele Detektoren gibt es?
Wir haben große Detektoren, drei davon in den Vereinigten Staaten
an zwei verschiedenen Orten.
Einen gibt es in Deutschland, das ist ein gemeinsamer deutsch-britischer Detektor.
Dann gibt es einen italienisch-französichen Detektor in Italien.
Und zwei kleine in Japan und Australien, von denen wir hoffen
dass sie Vorläufer zu großen Detektoren sind.
Na ja, jetzt kannst Du mal zusammenzählen, wie viele das sind!
Sie arbeiten alle in einem Netzwerk zusammen
und analysieren die aufgenommenen Daten.
Wir versuchen als weltumspannende Gemeinschaft von Wissenschaftlern
- über tausend Wissenschaftler sind daran beteiligt -
diese Wellen zu erfassen und zu interpretieren
und so Informationen über die Geburt des Universums und
die Kollision Schwarzer Löcher zu gewinnen.
Wie hast Du angefangen, Kip?
Wie bist Du in dieses Forschungsfeld gekommen?
Du warst wahrscheinlich schon dabei, bevor es so modern wurde?
Nun, ich bin dazu gekommen, als ich ungefähr in Deinem Alter war.
Ich habe Bücher über die Relativitätstheorie gelesen und fand das sehr aufregend
na ja, keine technischen Bücher
sondern kleine Taschenbücher über die Relativität, weißt Du
eher so Comics über die Relativität!
Ich fand es richtig aufregend - und bin da nie erwachsen geworden!
Was erwartest Du in den nächsten 30 Jahren?
Was glaubst Du, wird passieren?
Also, ich erwarte, dass die Detektoren Gravitationswellen sehen werden
Man wird die Wellen nutzen, um Schwarze Löcher zu erkunden.
Wir werden sehen, wie sich Schwarze Löcher verhalten
wir werden ihre merkwürdigen Eigenschaften sehen können
und beobachten, wie Schwarze Löcher zusammenstoßen und wilde Schwingungen
von gekrümmter Raum-Zeit erzeugen.
Ich erwarte, dass wir die Geburt des Universums mit diesen Wellen sehen können
wir werden verstehen lernen, wie das Universum geboren wurde
wie es entstand, sehr detailliert, ganz am Anfang.
Wir werden in der Lage sein Fragen zu beantworten wie
"Was kam vor dem Urknall?".
Die großen Fragen, die größten Fragen über das Universum -
sie müssen noch beantwortet werden -
und zwar von Deiner Generation, nicht von meiner!
Ich werde mich zurücklehnen, zuschauen und darüber schreiben
wenn Du und die Leute aus Deiner Generation diese Fragen beantworten.
Können wir das Universum verstehen?
Trotz aller Theorien und Experimente
können wir etwas so großes wie das Universum verstehen?
Nun, bisher scheinen wir mit unseren großen optischen Teleskopen
recht erfolgreich gewesen zu sein.
Wir beobachten die entferntesten Gegenden des Universums
und wir sehen, wie das Verhalten der Galaxien dort
von den gleichen Naturgesetzen bestimmt wird, die auch hier bei uns herrschen.
Wir haben also allen Grund anzunehmen
dass wir das Universum mit unseren Methoden verstehen können.
Es ist einfach fantastisch, dass wir mickrigen Menschen
mit den von uns entwickelten Werkzeugen in der Lage sind, es zu verstehen
aber ich glaube, wir können es!
Da hast Du's!
Herzlichen Dank für Deine Zeit!
Ok, da habt Ihr's, direkt vom Experten!
Danke für's zuschauen und auf Wiedersehen aus Sydney!