Tip:
Highlight text to annotate it
X
Kurze Zeit darauf
erhielt ich von der jüdischen Gemeinde den Auftrag,
mich auf das Ghetto vorzubereiten
und mich binnen drei Tagen
an einem gewissen Bahnhof zu melden.
Wir sollten Gepäck mitbringen etc...
Sie und Ihre Mutter? -Nur ich. Meine Mutter gehörte der arischen Rasse an.
Sie war geschützt. Sie gehörte nicht zu uns.
Also mußte ich dorthin.
Wir hatten einen Transport nach Terezin.
Der Transport kam aus Hamburg. Es war ein normaler Zug.
Kein Viehtransportzug.
Es waren normale Passagierwaggons mit Sitzbänken.
Wir waren ca. 20 Personen und fuhren nach Berlin.
Außer uns waren nur ein Polizist im Zug.
Vielleicht mehrere, ich weiß es nicht.
In Berlin gingen wir zu...
einem Gebäude, dass von der jüdischen Gemeinde in Berlin gegründet worden war.
Dort sollten wir zwei Tage und zwei Nächte untergebracht werden.
Von dort sollten wir in das Konzentrationslager Terezin kommen.
Damals wurde es Theresienstadt genannt.
Wir fuhren mit der Straßenbahn...
Die Straßenbahn war speziell für uns und daher ganz leer.
Wir fuhren zum Bahnhof.
Am Bahnhof stiegen wir in den Zug.
Es waren viele Menschen an diesem Bahnhof, da...
sich im Osten, das deutsche Heer zurückziehen mußte...
Sie waren schon im deutschen Teil von Ostpreußen,
dem heutigen Polen oder teilweise Polen und teilweise Russland.
Am Bahnhof herrschte ein großes Durcheinander.
Wir hatten ein großes Abteil, das für uns reserviert war.
Wir gingen in das Abteil.
Ich wurde,
als Ältester,
zum Gruppenführer
dieses Abteils ernannt.
Nach einiger Zeit...
Uns gegenüber saßen zwei Personen in Uniform,
gestreifte Hosen, Häftlingsuniform.
Wir alle trugen Zivilkleidung.
Diese zwei Personen waren in Terezin gewesen, Theresienstadt.
Es gelang ihnen, dort heraus zu kommen.
Vielleicht wurden sie irgendwohin geschickt.
Sie flohen, wurden dann aber wieder gefangen,
in Berlin inhaftiert,
und uns zugefügt.
Sie sagten, sie seien sehr froh, wieder nach Terezin zu kommen.
Dass sie dort Bekannte haben und, dass es dort nicht so schlimm sei
Die SS-Offiziere würden sich dort nicht immer aufhalten.
Dort würde man nicht geschlagen werden usw...
Sie erzählten uns schöne Geschichten über Terezin,
verglichen mit unseren Vorstellungen. Wir kannten unser Ziel nicht.
Zu meiner Linken saß eine Frau, die uns zuhörte.
Als wir sie fragten, woher sie sei,
antwortete sie, sie sei aus Ostdeutschland
und auf dem Weg nach Berlin, weil die Russen schon einmarschierten,
Sie fragte: "Wohin fährt dieser Zug?"
Wir sagten ihr: in das Ghetto Terezin.
Sie meinte: "Das hört sich nett an."
Es stellte sich heraus, dass sie Arierin war und nicht zu uns gehörte.
Als sie den freien Platz in unserem Abteil erblickte,
bestieg sie einfach diesen Zug.
Das war mir unangenehm und ich ging zu dem Polizisten im Nebenabteil.
Ich berichtete ihm von dieser Frau.
Sie waren sehr wütend,
da die Gestapo eine doppelte Zählung vorgenommen hatte,
bevor der Zug losfuhr.
Sie dachten, einer wäre geflohen
und die Zählung sei nur wegen dieser Frau korrekt gewesen.
Nun hatten die Polizisten das Problem, diese Frau aus dem Zug zu kriegen
und mit einer Person weniger ins Lager zu kommen, als vorgesehen.
Die Dame wurde in ihrem Abteil untergebracht.
Als ich auf Toilette ging, sah ich, wie sie sich amüsierten.
Das ist die Geschichte mit der Dame.
Sie stieg in Dresden aus, das auf unserer Strecke lag.
Sie kam zu uns und verabschiedete sich.
Es war ein außergewöhnliches Bild, als sie uns zuwinkte.
Als wir die Gegend des Lagers erreichten,
kamen die Polizisten und wünschten uns eine baldige Heimkehr.
Sie waren sehr nett. Sicher ahnten sie schon das Ende des Krieges.
Doch der Krieg ging weiter... Das war im Januar.
Der Krieg ging bis... -Das waren Soldaten, keine SS-Offiziere.
Nein, es waren Polizisten, ältere Polizisten.
Sie waren sehr nett.
Sie hatten keine Ahnung, wohin wir fuhren, was es war...
Vielleicht wußten sie's, aber verdrängten es. Keine Ahnung.
Ich bin sicher, dass es nicht alle wußten.
Der Mann meiner Tante...
Als ich mit ihnen in Altona wohnte,
bevor die Hälfte der Wohnung bombadiert wurde...
Er arbeitete in einer Tabakfabrik
und wurde zur Polizei rekrutiert.
Er war schon zu alt für das Militär.
Er kam zur Polizei und wurde
in die Gegend von Kattowitz geschickt,
das heute zu Polen gehört. Damals war es Deutschland.
Eines Tages kam er nach Hause
und berichtete von Greueltaten den Juden gegenüber.
dass man sie alle zusammensammelt und wegschickt.
Ich fragte ihn: "Wohin?" Er antwortete: "Das willst du nicht wissen."
Er wollte es mir damals nicht sagen.
Das war ein Jahr vor meiner Deportation.
Die Polizisten im Zug waren ihm ähnlich.
Als wir nach Terezin kamen...
Die Gleise führten direkt in die Stadt,
an der Stadtmauer vorbei.
Als wir aus dem Zug stiegen,
sah ich viele SS-Männer und andere in anderen Uniformen,
die ich nie zuvor gesehen hatte.
Sie stellten sich als tschechische Gendarmen heraus.
Die Hunde der SS bellten. Es war sehr dunkel.
Es war Nacht, als wir dort ankamen.
Das war eine seltsame und gefährliche Situation...