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Mein Name ist Yamaoka May.
Ich wurde am 1. Mai 1929 in Lodi in Kalifornien geboren.
Deswegen lautet mein Name „May“.
Ich war 9 Jahre alt, als meine Eltern sich entschlossen, nach Japan zu gehen.
Mein Vater wollte, dass wir dort zur Schule gehen und die japanische Kultur kennenlernen.
Wir sollten auch lernen, unsere japanischen Eltern besser zu verstehen.
Denn für sie war es schwierig, ihre „amerikanischen“ Kinder zu verstehen.
Vielleicht würden wir es nicht mögen, meinte mein Vater, da in Japan alles weniger komfortabel sei.
Als ich im 6. Schuljahr war, begann der Krieg.
Und meine Freundinnen fingen an, mich als „Feindin“ zu beschimpfen.
Zuerst mochte ich es nicht glauben, dass sie mich so bezeichnen konnten.
Wir arbeiteten in einer Tabakfabrik der staatlichen Monopolgesellschaft.
Ich bediente gerade eine der Maschinen, als die Atombombe einschlug.
Wir warfen uns zu Boden, wie wir es geübt hatten,
und bedeckten Nase, Mund und Ohren. Ungefähr so ...
Ich war 16 und meine Schwester 13 Jahre alt.
Sie war im ersten Schuljahr der Furitsu-Yamanaka-Oberschule.
An jenem Tag war sie mit ihrer Klasse zur Evakuierung eines Gebäudes eingeteilt gewesen.
Da alle Schüler draußen gewesen waren, starben fast alle.
Zumindest kam meine Schwester an diesem Tag nicht zurück.
Als ich nach Hause kam, bemerkte ich eine tiefe Schnittwunde am Arm.
Sogar der Knochen war zu sehen, doch es tat nicht weh. Auch am Rücken hatte ich ***, aber nichts Ernstes.
Am nächsten Tag gingen mein Vater und ich auf die Suche nach meiner Schwester.
Wir brauchten drei Tage, doch schließlich fanden wir sie.
Ein Freund aus dem Dorf hatte berichtet, dass er meine Schwester gesehen habe.
Sie habe nach Wasser gefragt beim Schwimmbad der Kenritsu-Daiichi-Mittelschule.
Dort suchten wir sie am 3. Tag.
Glücklicherweise lag sie ganz oben auf einem Stapel von Leichen.
Es war ein geradezu unheimliches Schicksal, dass wir sie fanden. Es war wirklich traurig.
Anhand ihrer amerikanischen Unterwäsche konnten wir sie identifizieren.
Von ihrem geschwollenen Körper hing ein Arm beinahe abgetrennt herab.
Es war gut, dass sie oben lag, sonst hätten wir sie nie gefunden.
Soldaten wollten die Leichen gerade vergraben, doch mein Vater erreichte, dass meine Schwester nach Hause gebracht wurde,
wo wir sie angemessen bestatteten. Es war wirklich sehr traurig ...
Jemand sagte mal zu mir, dass mein Vater an einem gebrochenen Herzen gestorben sei.
Er starb 1947, also kurz nach Kriegsende.
Dass er krank war, erfuhr ich ganz unerwartet von einem Verwandten.
Ich eilte zurück nach Hause, um ihn zu besuchen.
Er sagte, er habe ein gutes Leben gehabt. Nur meinen Schulabschluss sollte ich ihm versprechen.
Ich versprach es ihm, bevor ich mich von ihm verabschiedete.
Kurz darauf starb er.
Ich sehe ihn immer noch vor mir, wie er mir von der Schiebetür aus hinterher sah.
Jedes Mal, wenn ich nach Hiroshima zurückkehre und mit der Straßenbahn fahre, kommen mir die Tränen.
Beim Überqueren der Flüsse sehe ich noch die Leute, die dort hineingesprungen waren.
Auf unserer dreitägigen Suche nach meiner Schwester hatten mein Vater und ich so viele gesehen.
Am ersten Tag waren uns viele entgegen gekommen, die aus dem Stadtzentrum flüchteten.
Der Anblick ihrer Verbrennungen war schrecklich, in Fetzen herabhängende Haut und riesige Brandblasen.
Ich mag es gar nicht weiter beschreiben, denn allein die Schilderung ist so schmerzhaft für mich.
Lange Zeit konnte ich mir keine Kriegsfilme anschauen.
Und ich brauchte 20 Jahre, um mich an den Ton von Sirenen zu gewöhnen.
Denn Sirenengeräusche erinnerten mich jedes Mal an den Fliegeralarm.
Ich habe schon darüber gesprochen, doch nie wie heute, wie wir meine Schwester fanden und wie sie aussah.
Ich konnte mich einfach nicht dazu überwinden.
Die Erinnerung wird niemals verschwinden. Und je älter ich werde, desto öfter denke ich an damals.
Meine Kinder und Enkelkinder sind nun selbstständig, und auch mein Mann lebt nicht mehr.
Abends bin ich oft allein und da kommen viele Erinnerungen hoch.
Aber ich bin mir bewusst und dankbar für alles, was ich habe,
und auch dankbar, dass ich von damals erzählen kann, wie mein Vater es wollte. Damit alle erfahren, wie schrecklich es war. Damit es nie wieder passiert.
2,3 km entfernt vom Hypozentrum. Also ungefähr 1,5 Meilen.
Was hat die Atombombe für eine Bedeutung in Ihrem Leben?
Es war etwas, das geschah, als ich 16 Jahre alt war.
Ich werde es niemals vergessen, es wird für immer in meiner Erinnerung bleiben.
Ich weiß nicht, wie ich erklären soll, was es für mich bedeutet.
Im Grunde ist es ist ein Teil meines Lebens.
Translation: Monika Sugimoto, Martin Gleiß