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Was ist der neue heiße Scheiß in der grünen Gentechnik?
Die neue Präzisions-Gentechnik der letzten Jahre hat mit der alten Gentechnik, mit der
Pflanzen bisher verändert wurden, nur noch wenig gemeinsam. Anstatt Pflanzenzellen einfach
mit Gensequenzen zu beschießen, wie einen Spatz mit einer Schrotflinte, arbeiten die
neuen Technologien mit chirurgischer Genauigkeit. Dadurch wurden viele der Probleme, die man
an der grünen Gentechnik lange Zeit zurecht kritisiert hat, mittlerweile gelöst. Aber
die Entwicklung ging so schnell, dass die wenigsten Leute mitbekommen haben.
Dafür gibt’s jetzt dieses Update! Schauen wir uns an, wie man Pflanzen bisher genetisch
verändert hat und inwiefern sich die neue grüne Gentechnik von der alten fundamental
unterscheidet.
Wir verändern Pflanzen ja schon sehr lange. Vor rund 10.000 Jahren hat man damit begonnen,
eher die Nutzpflanzen weiter zu verwenden, die irgendwelche vorteilshaften Eigenschaften
hatten, zum Beispiel höheren Ertrag. Das macht man bis heute und bezeichnet es als
Auslese-Züchtung. Die funktioniert deshalb, weil in Pflanzenzellen immer
wieder spontane Gen-Veränderungen auftreten, die meistens keine Auswirkungen haben, manchmal
negative und in ganz seltenen Fällen, positive – größere Früchte zum Beispiel. Bei der
Auslese-Züchtung werden die positiven Gen-Veränderungen in den Pflanzen
Angereichert. Dazu ist es nicht notwendig zu wissen, welche Gene für diese Eigenschaften
eigentlich verantwortlich sind, oder was ein Gen überhaupt ist. Weil diese spontanen Genmutationen
aber nur sehr selten auftreten, dauert es wahnsinnig lange, um Pflanzen mit dieser Methode
zu optimieren. Macht man das aber über einen sehr langen Zeitraum, können Pflanzen dadurch
so grundlegend verändert werden, dass sie mit ihrer ursprünglichen Form kaum noch etwas
gemeinsam haben. Würden Sie erraten, um welche Pflanze es sich hierbei handelt? Das ist die
Urform des Maiskolbens, bevor er über Jahrtausende zu dem gezüchtet wurde, was wir heute so
leidenschaftlich mit Kräuterbutter beschmieren. Und das? Das ist eine ursprüngliche Form
der Melanzani. Und was ist damit? Das ist die Ur-Form der Karotte. Man kann sich vorstellen,
dass eine Unmenge an Genom-Veränderungen angereichert werden musste, um aus der blassen
Wurzel das knackig-rote Gemüse zu machen, das wir heute so schätzen. Und dass es sehr,
sehr lange gedauert hat. Erst als man vor etwa 100 Jahren verstanden hat, wie Vererbung
eigentlich funktioniert, konnte man mit der klassischen Kreuzungszüchtung beginnen. Dadurch
war es möglich wünschenswerte Eigenschaften einzelner Pflanzen ganz gezielt zu kombinieren,
sodass die Nachkommen die besten Genvarianten in sich vereint haben. Das wird nach wie vor
sehr erfolgreich betrieben, braucht aber ebenfalls enorme Geduld. Um das zu beschleunigen, hat
man ab den 1930ern deshalb eine Methode verwendet, die man als MUTAGENESE bezeichnet. Dabei werden
zufällige Gen-Veränderungen aktiv hervorgerufen, indem die Samen oder Knospen von Pflanzen
entweder radioaktiv bestrahlt werden, oder man sie mit Röntgenstrahlung bzw. mutagenen
Chemikalien behandelt. Dadurch provozieren die Züchter in den Pflanzen zahlreiche DNA-Schäden,
die zu dauerhaften Gen-Veränderungen führen. Das wirkt sich natürlich auf die Eigenschaften
der Pflanzen aus und man kann diejenigen weiterverwenden, die sich zum Positiven verändert haben. Ein
Beispiel ist die beliebte Apfelsorte Golden Delicious. In den 1980ern hat man die in Österreich
radioaktiv bestrahlt, wodurch zahlreiche Mutanten entstanden sind. Eine davon trug Äpfel die
aromatischer waren, länger haltbar und eine besonders glänzende Schale gehabt haben.
Niemand weiß wie viele Genveränderungen dafür verantwortlich waren, geschweige denn
welche. Aber jetzt kommt die entscheidende Frage: Ist das jetzt Gentechnik? Nein. Jedenfalls
nicht, wenn es nach dem Gesetz geht! Die neue Sorte hat man Golden Haidegg genannt und die
darf in jedem österreichischen Bio-Laden verkauft werden. Solange man nicht kontrollieren
kann, welche Veränderungen im Genom man eigentlich verursacht, gilt es nicht als Gentechnik und
ist sogar Bio-tauglich. In den letzten Jahrzehnten sind durch Mutagenese
über 3.000 neue Sorten erzeugt worden. Ein sehr großer Teil aller heute verwendeten
Nahrungspflanzen ist ein Resultat der zufälligen Genom-Veränderung durch radioaktive Bestrahlung.
Demgegenüber steht die klassische GENTECHNIK der letzten Jahrzehnte. Was man darunter bisher
verstanden hat, war vor allem das gezielte Einbringen gewünschter Gen-Abschnitte in
das Erbgut von Pflanzen. Und das macht man beispielsweise mit einer Genkanone – die
genauso aussieht, wie der Name vermuten lässt. Dabei beschießt man Pflanzenzellen mit mikroskopisch
kleinen Goldpartikeln, auf deren Oberfläche sich die DNA-Abschnitte befinden, die man
einbringen möchte. Mit etwas Glück bauen manche der
bombardierten Pflanzenzellen die fremde DNA in ihr eigenes Genom ein. Aber wo genau im
in der Erbinformation das passiert, kann man nicht vorhersagen, obwohl das Auswirkungen auf die
Eigenschaften der Pflanze haben kann. Vor allem aber fügt sich die eingebrachte DNA nur in sehr wenige
der beschossenen Zellen ein. Um herauszufinden in welchen sie tatsächlich gelandet ist,
bringt man deshalb zusätzlich zu dem Gen noch eine Antibiotikaresistenz in die Pflanzenzellen
ein.
Setzt man die Zellen danach auf ein Antibiotika-haltiges Nährmedium, überleben nur diejenigen, bei
denen die genetische Veränderung erfolgreich war. Aus denen kann man dann wiederum ganze
Pflanzen herstellen. Fast alle gentechnisch veränderten Pflanzen, die derzeit angebaut
werden, wurden entweder mit der Genkanone erzeugt, oder mit einer ähnlich unpräzisen
Methode, bei der man DNA mittels Bakterien in die Pflanzenzellen schleust. Auf die Art
konnte man Gene einzubringen, die Pflanzen widerstandsfähig gemacht haben gegenüber
Viren, Insekten oder Unkrautbekämpfungsmitteln. Aber es wurde immer kritisiert, dass die Pflanzen
Antibiotikaresistenzen beinhalten und man nie wusste, wo im Genom die eingebrachte DNA
eigentlich gelandet ist. Bei der neuen Präzisions-Gentechnik, ist das nicht mehr so. Und eine der wichtigsten
dieser Technologien, die man oft unter dem Begriff „Genome Editing“ zusammengefasst,
ist die Genschere CRISPR/Cas9. Durch CRISPR kann man hochpräzise Veränderungen im Genom
durchführen, indem man zwei Bestandteile in die Zelle einbringt. Erstens, eine „guide
RNA“. Die kann nur an einer gewünschten Stelle im Genom binden und dient somit als
Lesezeichen, das punktgenau festlegt, wo eine Veränderung stattfinden soll. Zweitens, ein
Eiweißmolekül namens „Cas9“, das in der Lage ist, DNA zu schneiden oder auf andere
Arten zu verändern. Cas9 bindet an die guide RNA und wird dadurch an die Stelle im Genom
geführt, die man verändern möchte. Je nachdem welche Version von Cas9 man dabei verwendet,
kann das Eiweißmolekül an der Stelle entweder einen Schnitt machen um das Gen auszuschalten,
um andere DNA einzubringen, oder einzelne Buchstaben der Erbinformation direkt auszutauschen.
Dabei ist CRISPR so präzise und effizient, dass es nicht mehr notwendig ist, Antibiotikaresistenzen
miteinzubringen. Nachdem CRISPR das Genom verändert hat, wird die guide RNA und Cas9
von der Zelle wieder abgebaut, sodass im Genom keine weiteren Spuren zurückbleiben. Und
hier ist der entscheidende Unterschied zu den früheren Methoden. Bei der alten Gentechnik
konnte man die DNA der Pflanzen nicht nach Belieben umschreiben, sondern war darauf angewiesen,
zusätzliche Gensequenzen einzubringen. Das ist mit CRISPR zwar auch möglich, aber darüber
hinaus können einzelne Buchstaben der DNA gezielt umgeschrieben, hinzugefügt oder entfernt
werden. Diese gezielten genetischen Veränderungen sind nicht zu unterscheiden von den zufällig
auftretenden Mutationen, die in Zellen permanent entstehen. Man kann mit CRISPR deshalb Pflanzen
herstellen, die eine genetische Veränderung tragen, bei der man nicht feststellen kann,
ob sie spontan, aufgetreten ist, oder gezielt herbeigeführt wurde. Die Frage ist also:
Sollten diese Pflanzen als gentechnisch verändert gelten, wenn keine fremde DNA eingebracht
wurde? Wenn die gezielt verursachten Veränderungen theoretisch auch zufällig hätten auftreten
können und sich nicht von natürlichen Mutationen unterscheiden lassen.