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Als ich zum ersten Mal auf die Straßen ging, war ich neun.
Meine Mutter und ich gingen zur Hauptstraße, um Postkarten mit den Bildern von Heligen zu verkaufen.
Und das eine Mal, bin ich im Bus eingeschlafen und kam in das Viertel "Loma PytŠ". Ich war noch nie dort gewesen.
Ich dachte mir dann: "Vielleicht ist diese Straße nicht so gefährlich."
Ich sagte mir selbst: "Hier auf der Straße wird mir nichts passieren," und meine Mutter begann sich Sorgen zu machen.
Ich schlief auf der Straße und blieb dort am nächsten Tag. Ich ging nicht nach Hause.
Was sagte deine Mutter dazu?
Sie hat mich nie geschlagen, sie bat mich nur nach Hause zu kommen.
Also ging ich nach Hause, aber ich wollte wirklich gerne wieder auf der Straße leben.
In welcher Klasse warst du in der Schule?
In der Dritten. Und das habe ich in nur drei Jahren geschafft.
Die Menschen behandeln mich nicht gut.
Sie verachten mich, weil ich auf der Straße lebe.
Viele Menschen wollen so tun, als ob es uns nicht gebe.
Du bist jeden Tag auf der Straße?
Ja.
Manchmal denke ich, dass ich dieses Art zu leben aufgeben möchte.
Wieder dahinzugehen, wo ich herkam.
Aber ich kann nicht mit meiner Mutter leben, wir sind zu viele.
- Wie viele Brüdern und Schwestern? - Viele!
- Wie viele genau? - Elf.
Mein Vater hat mich missbraucht.
Es ist aber beschissen auf der Straße zu leben.
Ich wünscht wir hätten einen Platz, wo wir bleiben könnten.
Hast du hier gearbeitet?
Ja.
Was hast du da getan?
Ich verkaufte Bananen.
Bananen.
Aber auch andere Früchte. Und ich habe Windschutzscheiben geputzt.
Wie denkst du über deine Zukunft?
Was willst du werden, wenn du groß bist?
Was willst du?
Wie denkst du über deine Zukunft?
Was willst du werden? Lehrer, vielleicht? Oder willst du für immer auf der Straße leben?
Nein!
Was denkst du also?
Lehrer?
Busfahrer? Taxifahrer?
Fußballspieler?
- Anwalt. - Anwalt, sagt er.
Du müsstest viel lernen!
Geh wieder zur Schule.
Warum willst du Anwalt werden?
Um aus dem Gefängnis zu kommen! Um all die Gefangenen aus Tacumbœ zu befreien!
Wie ist das Leben auf der Straße so?
Ich komme mit meinen Enkeln her, um zu arbeiten,
weil ich sehr arm bin und wir nicht genug Geld haben, um einen Haushalt zu unterhalten.
Ich bin alleinerziehend und ich bringe die Enkel her, damit sie auf der Straße arbeiten können. Das ist alles.
Und wie läuft's?
Wir sind mit dem, was wir verdienen, zufrieden.
Die Kinder fragen nach Kleingeld, weil sie noch klein sind.
Dort sind sie. Siehst du, wie klein sie sind?
Ich kann sie nicht in den Bus lassen, weil sie sich verlaufen könnten.
Man sagt zu uns: "Ihr Leute auf der Straße seid keine echten Paraguyaner."
Was sind wir dann? Chinesen, Koreaner, Japaner?
Es ist aber so, wie sie es sagen. Wir sind praktisch keine Paraguayer.
Ihr seid es aber, natürlich...
Das sagen sie uns nicht.
Und was tun sie? Uns belügen und betrügen.
Schau dir die indianischen Frauen an, alle auf der Straße.
Dort waren früher nie welche.
Wenn du heute in die Stadt gehst,
sind die überall.
Es gibt soviel Armut in Paraguay.
So viel Korruption.
Viel zu viel Korruption und niemand hält zusammen.
Jeder kämpft nur für sich selbst.
Die Reichen behalten ihr Geld auf der Bank und in ihren Brieftaschen.
Sie kaufen sich große Häuser und für uns bleibt nichts übrig.
Wenn die Regierung nur etwas täte...
Wenn sie...
Aber es ist schwer zu glauben, dass etwas passieren wird.
Wenn aber jemand korrupt sein will,
um uns noch hungriger zu machen,
um sicherzustellen, dass es keine Arbeit gibt... diese Leute schaffen es nach oben.
Es ist schwer auf der Straße zu leben. Man leidet.
Hunger, Kälte.
Du wirst verprügelt.
Wenn ich meinen Bruder auf der Straße sähe, würde ich ihn anschreien.
Ich würde ihn zu einer Unterkunft bringen.
Es ist schwer so zu leben.
Wenn ich ihn aber auf der Straße sähe, würde ich ihm sagen, dass er nach Hause gehen soll.
Wenn es mein Haus wäre, würde ich das sagen.
Ich würde gerne sagen wie es ist, was ich auf der Straße erleiden musste.
Weil es nicht einfach ist.
Wüdest du deinen Bruder sich selbst verlieren lassen, nur weil du es so getan hast?
Nein, das würde ich nicht tun.
Falls du die Möglichkeit hast ihn davor zu bewahren, dann must du das tun.
Ihn nach Hause zu bringen und es ihm beizubringen.
Weißt du, diese Kinder tun mir leid.
Ich bemitleide sie manchmal, verstehst du?
Aber ich muss meine Arbeit vollrichten.
Sie sind auf den Straßen hier vergessen. Sie brauchen Hilfe.
Wir dürfen sie nicht von den STraßen vertreiben oder missbrauchen. Das ist verboten.
Ein Kind zu schlagen funktioniert nicht.
Man muss sie aber unterweisen und nachfragen, wenn was schief geht.
Sie benehmen sich gut.
Sie "Straßenkinder" oder "Kriminelle" zu nennen, wäre vollkommen falsch.
Man muss jeden einzelnen verstehen, jeder ist ein einzigartiger Charakter.
Sie benehmen sich sehr gut. Rodrigo hier grüßt mich jeden Tag.
Kinder können nicht ins Gefängnis kommen.
Wenn du sie erwischt,
musst du sie zur nächsten Polizeistation bringen und ihre Eltern anrufen, damit sie ihr Kind abholen.
Die Eltern müssen sofort benachrichtigt werden.
Aber sie landen dann letzten Endes wieder auf der Straße.
-Auf der Polizeistation wird uns Gewalt angetan. - Sie schlagen ohne Grund zu.
Gestern waren wir in Calle òltima und die Polizisten kamen und fingen an zu schreien, obwohl wir nichts gemacht hatten.
Die Bullen kam und hätten uns beinah grundlos mitgenommen.
Sie fragten nach Ausweisen, also sagten wir, dass wir in einem Laden in der Nähe arbeiten. Wir haben gelogen.
Damit sie uns nicht nerven wenn wir stehlen, bestechen wir sie.
Falls wir das nicht machen, landen wir auf der Polizeistation.
Sie zwingen uns für sie zu arbeiten, Dinge zu tun.
Und falls wir das nicht tun, bringen sie uns zum Polizeichef.
"Haben die hier beim Stehlen erwischt," sagen sie dann.
Sie lügen sich alles zurecht.
Das passiert aber nur, wenn wir sie nicht mit Geld oder einem Handy bestechen.
Eines Tages hat es geregnet.
Die Polizei kam und fragte: "Was habt ihr diesmal angestellt?"
"Nichts," antworteten wir.
Sie sagten uns aber, dass wir unsere Kleidung ausziehen sollen.
Also zog ich mich aus und so stand ich da, nackt.
Ein Polizist trat meine Kleidung weg.
Ich sagte ihm, dass meine Kleidung kein Fußball ist.
Dann schlug er mich und warfen mich für 24 Stunden hinter Gitter.
Ich wünschte wir hätten eine Bleibe und einen Platz zu lernen, weit weg von der Straße.
Freundschaft ist mir unglaublich wichtig.
Wir treffen uns, wir reden, wir schnüffeln Klebstoff.
Wir streiten und dann vertragen wir uns wieder.
Das passiert mir und BrasileritoÉ immer wieder.
Wir vertragen uns und ich bin wieder glücklich.
Wir trafen uns vor langer Zeit, unter einer Statue im Park.
Da habe ich ihn zum ersten Mal getroffen.
Dort im „u Guasœ Park.
Ja, Freundschaft ist mir sehr wichtig.
Ich liebe Freundschaft und ich liebe es viele Freunde zu haben.
Spaß zu haben, Ball zu spielen,
einfach nur Sachen, die wir zusammen tun.
Wir machen Klingelstreiche.
Die Leute kommen raus und schreien uns an: "Ihr seid's schon wieder?" Das ist lustig.