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Wer in Japan bei einer Telefonseelsorge für Selbstmordgefährdete anruft,
der muss die Nummer manchmal 30 bis 40 Mal wählen,
weil die Leitungen ständig besetzt sind.
Viele Menschen mit vielen Problemen
und niemandem, mit dem sie reden können,
niemandem, der zuhört.
Und sie sagen sich: "Lieber Gott,
bitte lass jemanden ans Telefon gehen."
Ich träume von einem Kampf,
einem Kampf gegen den Selbstmord.
Aber ich weiß nicht einmal,
wer der Feind ist.
Wer ist der Feind? Was ist der Feind,
der so viele von uns umbringt?
1 Million Menschen weltweit, jedes Jahr.
30.000 Menschenleben allein in Japan.
Ich weiß nicht, was ich tun soll;
ich weiß nur, dass ich etwas tun muss!
In Japan traut sich niemand, über die Gründe für Selbstmord zu sprechen,
oder wie man sie bekämpfen kann.
Aber Bücher mit Anleitungen zum Selbstmord
verkaufen sich über 1 Million Mal.
Was wäre, wenn 10.000 Menschenleben in Japan gerettet werden könnten,
nicht durch Wunder, sondern durch Ideen, durch Ehrlichkeit?
Würde überhaupt jemand zuhören?
Der Tod ist Dunkelheit.
Aber hier geht's ums Leben:
Es geht darum, Leben zurückzugewinnen
aus den Fängen des Todes.
Es geht um Hoffnung, nicht um Sorgen,
selbst wenn man sich verzweifelt an den letzten Strohhalm klammert.
300.000 Japaner haben sich in den letzten 10 Jahren umgebracht.
Ungefähr so viele wie die Bevölkerung Islands.
Die Selbstmordrate ist 2-mal so hoch wie die der USA,
3-mal so hoch wie die von Thailand,
9-mal höher als Griechenlands,
und 12-mal höher als die der Philippinen.
Ist das etwas, das man hinnehmen muss?
Oder ist es Zeit, zurückschlagen?
Das Virus "Selbstmord"
Ein Jahr quer durch Tokio,
in dem ich so vielen Leuten
wieder und wieder dieselbe Frage gestellt habe.
Die Selbstmordrate in Japan ist immer noch hoch;
aber, um ehrlich zu sein, kenne ich den wahren Grund dafür gar nicht.
Es ist einfach so, dass Selbstmord immer in unseren Hinterköpfen ist.
Jeden Tag lesen wird in der Zeitung,
dass sich wieder Leute umgebracht haben.
Auch bekannte, erfolgreiche Menschen
aus Politik und Wirtschaft.
Wenn wir ernsthafte Probleme haben,
müssen wir bestimmte Entscheidungen treffen.
Der letzte Ausweg mag dabei sein,
uns selbst umzubringen.
Wenn es um die Wirkung von Selbstmord geht,
sind Japaner besonders anfällig.
Man muss sich nur anschauen, wie oft Japaner versuchen, mit anderen Leuten gemeinsam zu sterben.
Andere werden die eigenen Sorgen teilen,
und deshalb suchen die Leute im Internet nach Gleichgesinnten
und planen dann, gemeinsam zu sterben.
Es gibt viele Japaner, die das so machen.
Der Gedanke dahinter ist,
dass man sich bestätigt fühlt, wenn man nicht allein ist -
selbst wenn alle sterben werden.
Warum sind wir Japaner so anfällig für Suggestion?
Es gibt keine Samurai mehr in Japan.
Es gibt auch keine Kamikaze-Piloten mehr.
Was bleibt ist das Gefühl,
dass Selbstmord wunderschön sein kann.
Der Hang zum Selbstmord ist unter japanischen Autoren extrem weit verbreitet.
Wenn man alle auflistet,
durch die Geschichte hindurch,
haben sich viele das Leben genommen.
Das Ganze ist komplett außer Verhältnis zum Rest der Welt.
Nirgendwo sonst ist Selbstmord unter Autoren so verbreitet.
Wie wird ein Ort berüchtigt für Selbstmorde?
Im Falle der Klippen von Tojimbo durch Autor Jun Takami
und sein Buch "From the Edge of Death".
Tod ist immer ein Bestseller und er hat diesen Ort zu einer Touristenattraktion gemacht.
Im Falle von Kap Ashizuri war es Autor Torahiko Tamiya.
Sein Roman wurde sogar verfilmt
und machte den Ort beliebt für Selbstmorde.
Ich gehörte auch zu den Leuten, die dachten, Selbstmord wäre schön.
Bevor mein Freund Selbstmord beging,
war es irgendwie unrealistisch.
Deshalb habe ich geglaubt, Selbstmord wäre etwas Schönes.
Aber was Mishima wirklich getan hat,
war ganz und gar nicht schön;
Wie er sich in Wirklichkeit umgebracht hat,
war ganz anders,
als er es in seinen Büchern beschrieben hatte.
In seinen Romanen ist Selbstmord so toll,
so fantastischer Augenblick,
dass er sich nicht hätte umbringen dürfen.
Das hat mich wirklich getroffen.
Ich war sehr, sehr traurig über seinen Selbstmord
und bin es auch heute noch.
Es ist einfach so unerträglich.
Und wenn ich sage, das hätte nicht passieren dürfen,
dann meine ich, dass wir,
die von seinen Selbstmordgedanken wussten,
einen Weg hätten finden müssen, damit er weiterleben kann.
Was das Buch anbetrifft,
war ich erstaunt, zu lesen,
wie man sich umbringen kann.
Wie man seinen Strick knoten muss.
Wie man alles vorbereiten muss, jedes Detail.
Ich finde es ziemlich normal, eine Anleitung zum Selbstmord zu haben,
weil ich will, dass es schnell geht,
wenn ich mich entschließe, mich umzubringen,
damit ich nicht leide.
Das Zimmer war das eines Teenagers,
mit einem Hochbett, was unüblich für Japan ist.
Der Junge lag halb ausgezogen, nur mit einer Schlafanzughose an, auf dem Bett
mit seinem Rücken zu mir.
Sein Rücken war leicht rosa.
Er wirkte, als würde er schlafen.
Und er hatte ein Stück Papier an seinem Rücken,
das ich aber nicht wirklich beachtet hatte.
Aus irgendeinem Grund dachte ich,
ich sollte ihn mal aufwecken.
Als ich ihn gerade aufwecken wollte, sagte der Polizist zu mir:
"Halt, stopp! Treten Sie zurück und fassen Sie das Kind nicht an!"
Auf dem Zettel auf seinem Rücken stand:
"Nicht anfassen, Gefahr von Tod durch Stromschlag."
Und von der Seite konnte man sehen,
dass er Kabel genommen, sie in die Steckdose gesteckt,
und sie an seine Brust geklebt hatte
und sich mit dem Stromschlag umgebracht hatte.
Es lag ein leicht unangenehmer, beißender Geruch in der Luft.
Ich würde sagen, es roch ein wenig nach verbranntem Bacon;
ich weiß nicht, wie ich's beschreiben soll.
Der Polizist zeigte mir ein Exemplar des Buches,
das mit einem "fusen", sowas wie einem Post-It markiert war,
beim Abschnitt über Selbstmord mit Strom.
Der Polizist meinte zu mir:
"Ich möchte, dass Sie darüber schreiben,
weil dieses Buch wirklich entsetzlich ist.
Eltern sollten Bescheid wissen,
dass ihre Kinder, wenn sie mit diesem Buch sehen,
vielleicht ernsthaft über Selbstmord nachdenken.
Diese Eltern sollten mit ihren Kindern reden
und ihnen erklären, dass Selbstmord niemals eine Lösung ist."
Ich stimmte ihm zu.
Letztes Jahr habe ich 80 Selbstmordtote beerdigt.
Ich habe mit jeder Familie einzeln geredet
und fast alle kannten das Buch.
Egal, ob sie es gelesen hatten oder nicht, sie wussten davon.
Ich habe mit hunderten von Leuten geredet, die mir alle erzählt haben, dass sie sterben wollen.
Sie meinen, ihr Leben sei so schwierig, dass sie es nicht schaffen, weiterzuleben.
Fast jeder von ihnen kannte das Buch.
Ich bin mir sicher, dass es einen gewissen Einfluss hat;
es flüstert einem ins Ohr: "Bring dich um!
Du bist müde, du bist überarbeitet?
Belasten dich etwas?
Wäre es nicht schön, sich einfach schlafen zu legen,
Und nie wieder aufzuwachen?"
So ähnlich ist der Tenor eines Kapitels.
Es macht Selbstmord zu einer attraktiven Lösung.
Und weil es verschiedene Methoden in einem Ranking einstuft,
nach Tödlichkeit und Schmerzen,
reizt das Buch viele Leute.
Wie möchten Sie sich umbringen?
Warum möchten Sie sich umbringen?
Möchten Sie sich umbringen und ihrer Familie großes Leid bescheren?
Dann springen Sie doch vor den Zug,
denn ihre Familie muss der Eisenbahngesellschaft dann riesigen Schadensersatz zahlen.
Das Problem ist, dass die meisten Selbstmordopfer
nicht langfristig denken.
Oder dass ein Teil ihres Gehirns denkt,
dass sie selbst die Beerdigung
oder das ganze Mitgefühl erleben können.
Oder dass sie erfahren werden, wie sehr sie geliebt wurden.
Oder dass ihre Freundin versteht, dass sie sie geliebt haben.
Aber wenn man tot ist,
ist man nicht mehr da, um das alles zu erleben.
Außer man glaubt an Geister.
Und selbst dann ist es danach nicht so,
dass man zurückkommen und seinen alten Körper zurückkehren kann.
Ich glaube, dass die Medien, besonders Fernsehsender -
Warum berichten die über die richtigen Namen der Opfer
und die Art, wie sie sich umgebracht haben?
Diese Dinge faszinieren jemanden, der sich umbringen will.
Der sich umbringen will.
Die Leute lieben Geschichten wie diese:
Jemand springt vor den Zug,
der Körper wird erfasst,
wird vom Gleis in die Luft geschleudert,
in das Fenster eines Supermarktes
und verletzt 3 Leute, die drinnen Zeitschriften gelesen haben.
Das ist eine Sensation; den Leuten gefällt das.
Aber wenn man etwas tun will, um Selbstmorde durch Züge zu verhindern,
ist das uninteressant.
Das interessiert niemanden.
Wenn die Massenmedien über einen Selbstmord berichten,
gibt es in den folgenden Tagen Selbstmorde von Trittbrettfahrern. Das geschieht in jedem Land,
aber in Japan ist das Ausmaß anders.
Es sind 100 oder 1.000 Menschen, die sterben.
Der Grund dafür ist die japanische Mentalität.
Egal, ob man das gut oder schlecht findet,
wir Japaner ahmen oft den Nebenmann nach.
Die sehen Selbstmord als eine Art,
das Publikum zu unterhalten.
Nachgespielte Szenen von Leuten, die sich aufhängen,
oder die in den Tod springen, sind sehr häufig im japanischen Fernsehen.
Das lässt Selbstmord so einfach wirken, wenn man den Leuten das Hängen oder Springen vor Augen führt.
Aber in Wirklichkeit nässen sich die Menschen ein, mit Schaum vor dem Mund, und weinen unkontrollierbar.
Die Medien halten es nicht für nötig, die hässliche Seite des Erhängens zu zeigen.
Das Grauen, das dem Körper angetan wird, wird niemals gezeigt.
Selbstmordanleitungen
und all die unzähligen Selbstmord-Websites
erzählen alle die gleiche Geschichte über den Aokigahara-Wald,
den "schönsten Ort zum Sterben".
Ich gebe zu, es ist ein wunderschöner Ort,
aber nicht zum Sterben,
denn der Körper würde erst nach mehreren Monaten entdeckt werden,
zerfressen von den kleinen Waldtieren,
belebt von verschiedenen Insekten,
bis man schließlich von den Stadtarbeitern, die 7 € die Stunde verdienen,
in einer schwarzen Plastiktüte rausgetragen wird.
Doch das ist noch lange nicht das Schlimmste:
Plünderer, die in den Wald kommen,
sind auf der Suche nach Schätzen. -
Sie suchen kein Gold oder Silber,
sondern Seile, Rasierklingen, Schuhe, Geldbeutel.
Oder sie sind auf der Suche nach dem Jackpot:
auf der Suche nach einer hängenden Leiche.
Wenn man eine hängende Leiche bei YouTube zeigt,
gucken sich Millionen von Menschen das Video an,
laden es runter.
Viele TV-Programme und ernstzunehmende Nachrichtensendungen
kommen hierher auf der Suche nach Leichen.
Sie zeigen Körper und Skelette aus jedem Blickwinkel.
Filmproduzenten kommen her
und reden über Gespenster und Geister. Sie sagen, dass es hier spuke.
Und alle versuchen Geld damit zu verdienen.
Sie stellen den Wald als eine Unterhaltungsstätte dar, einen Ort der Tragödie.
Die Folge ist,
dass immer mehr Menschen hierher kommen werden,
immer mehr Menschen hier Selbstmord begehen werden.
Dabei ist das eh schon der berühmteste Ort für Selbstmorde.
Hört auf dafür zu werben, es zu vermakten, mit dem Ziel damit Geld zu verdienen!
Wieso tut man nichts dagegen,
anstatt dafür zu werben?
Wirtschaft
Du hast deine Arbeit verloren,
in Zeiten der ständigen Kürzungen wurde auch deine Stelle gekürzt,
doch du hast immer noch die Hypothek, die du abbezahlen musst, mit einer Laufzeit von 20 Jahren.
Die Ausbildungskosten deiner Kinder müssen auch abbezahlt werden.
Was machst du dann?
Es ist ganz einfach, die Lösung liegt auf der Hand - hier im Wald.
Deine Schulden werden beglichen,
die Hypothek abbezahlt,
und deine Kinder bekommen eine ausgezeichnete Ausbildung.
Du bekommst vielleicht so 222.000 €.
Alles, was du dafür aufgeben musst, ist dein Leben.
Viele Menschen haben Lebensversicherungen abgeschlossen
und sind gleich danach vor den nächsten Zug gesprungen.
Die Behörden haben zugegeben, dass es so nicht weitergehen kann, dass das lächerlich sei.
Also wurden Lebensversicherungen mit einer 1-jährigen Freistellungsfrist versehen.
Du unterschreibst also einen Vertrag
und musst 1 Jahr warten, bis du dir das Leben nehmen und das Geld kassieren kannst.
Das ist immer noch ein sehr gutes Geschäft,
vor allem für verzweifelte Menschen.
Deshalb schoss die Selbstmordrate im 13. Monat in die Höhe.
Die Versicherungsunternehmen fingen an, von einer 2-jährigen Freistellungsfrist zu reden.
Du unterschreibst einen Vertrag
und darfst dir 2 Jahre lang nicht das Leben nehmen.
Der 25. Monat -
Wieso ist es so, dass Versicherungen für Selbstmorde aufkommen?
Hört auf, die Menschen für Selbstmorde zu bezahlen!
Hört auf, die Menschen dazu zu motivieren, sich das Leben zu nehmen, und ihre Familie im Stich zu lassen!
Wie viele Familien würden das Geld dem Ehemann vorziehen?
Eine Eigenschaft, die ich an Japan und den Japanern bewundere,
ist das tief verankerte Gefühl von Eigenverantwortung,
vor allem in Bezug auf Schulden und Geld.
Eine eher bedauernswerte Eigenschaft von Japan und den Japanern ist,
dass Selbstmord ein Weg ist, Eigenverantwortung zu zeigen:
Es zeigt deine Aufrichtigkeit, und dass es dir wirklich Leid tut.
Nun zur Schuldenproblematik:
Verschiedene Darlehen und der damit verbundene Druck haben einen enormen Einfluss auf die Selbstmordrate.
Beim ersten Auftreten von finanziellen Schwierigkeiten
leihen sich Menschen Geld von der Familie und Freunden.
Doch sie schaffen es nicht, sich eine Arbeitsstelle oder ein festes Einkommen zu sichern.
sie sind wieder auf das Geld der Familie und Freunde angewiesen.
Wenn diese Situation ständig auftritt,
wird die Familie schließlich sagen: "Nein, das reicht!"
Wenn man verzweifelt ist und Geld zum Überleben braucht,
ist Consumer Finance der einfachste Weg, um an dieses Geld zu kommen.
Das Geschäft mit Verbraucherkrediten in Japan hatte schon immer einen problematischen Ruf;
es ist ein sehr schwer regulierbares Geschäft,
denn das Einzige, was du dafür brauchst, ist ein Sack voller Geld
und viele verzweifelte Meschen, von denen man hohe Zinssätze verlangen kann.
In Japan kann man aber manchmal nur schwer
den Unterschied zwischen Consumer Finance und Kredithaien erkennen,
trotz der Unterstützung von großen Banken und attraktiven TV-Spots.
In der letzten Zeit wurden wieder veraltete Methoden zur Krediteintreibung eingesetzt:
Wieso nicht die eigenen Augen verkaufen?
Wieso nicht die eigenen Nieren für Transplantationen verkaufen?
Und genau das sagt einem:
"Wieso nicht einen Selbstmord begehen und die Versicherungsleistung kassieren?"
Das Geld, um Kredite zurückzuzahlen.
2005 bemerkte die Regierung einen erschreckenden Trend:
5000 Menschen hatten Selbstmord begangen,
doch die Lebensversicherungen wurden nicht an ihre Familien ausgezahlt
sondern an die Kreditgeber.
Unternehmen in Consumer Finance haben fortlaufend
Lebensversicherungen auf die Kreditnehmer abgechlossen,
und die Schuldner nie darüber informiert,
dass die Kreditgeber von den Selbsmorden noch profitierten.
Private Kreditgeber
statten nicht mehr nur den Schuldnern selbst einen Besuch ab,
sondern auch den Familienmitgliedern und Kollegen.
Das kann einen sehr großen Druck auf diejenigen ausüben,
die Selbstmord begehen wollen, und den Ort dafür wählen müssen.
"Wir müssen Consumer Finance kontrollieren!" -
"Wir werden die Zinssätze senken!" -
"Wir werden das Verhalten solcher Unternehmen bekämpfen!" -
Und alle stimmten zu;
die Regierung tat endlich mal was Positives.
Doch am Ende war der große Gewinner ein anderer:
Bedauerlicherweise profitierte das organisierte Verbrechen davon.
Menschen, die es nicht schaffen, das Geld aus legitimen Quellen zu besorgen,
wenden sich an zweifelhafte Quelle.
Und die zweifelhaften Quellen verwenden viel bessere and grausamere Methoden zur Krediteintreibung.
Um 17:00 Uhr bist du mit der Arbeit fertig.
Um 17:30 Uhr ist es offiziell an der Zeit, nach Hause zu gehen.
Doch wenn du dich umguckst, siehst du, dass deine Kollegen immer noch am Arbeiten sind.
Es scheint so, als ob alle noch viel zu tun hätten.
Dein Chef scheint ebenfalls noch hart zu arbeiten.
In Japan nennt man diese Situation die "gruppenzwangbedingte Überstunden" -
in Wahrheit hast du eigentlich nichts mehr zu tun,
aber deine Kollegen sehen nicht so aus, als würden sie bald nach Hause gehen,
noch keine Feierabend-Stimmung,
also arbeitest du weiter im Einklang mit den Anderen.
Offiziell verlangen die Arbeitgeber ein pünktliches Betriebsende.
Sie wollen nicht, dass man an Überlastung stirbt.
Sie sagen, man soll mehr Zeit mit seiner Familie verbringen.
Das ist alles offiziell.
Doch wenn man so naiv ist und das wörtlich nimmt,
wenn man um 17:30 denkt, es sei an der Zeit nach Hause zu gehen,
dann werden sich Menschen hinter dem Rücken
darüber beschweren, dass man immer als Erster das Büro verlässt.
"Er versteht einfach nicht, wie die Arbeit hier abläuft."
Niemand wird sich bei gesundem Verstand das Leben nehmen.
Niemand kann in aller Ruhe sagen:
"Weißt du was, ich denke ich habe die Nase voll.
Ich denke es ist an der Zeit zu sterben, ich habe genug vom Leben."
Es ist immer ein Anzeichen einer Geisteskrankheit.
Es ist immer ein Anzeichen von Depression,
das die Menschen zu solch einer Tat zwingt.
Zwei Drittel aller Depressionsarten
werden durch eine Situation, durch Druck ausgelöst,
durch Schlafmangel,
Überlastung,
Mobbing durch Vorgesetzte,
lange Überstunden,
unmögliche Zielstellungen,
Minderwertigkeitsgefühl,
Gefühl des Versagens,
dem Wunsch zu fliehen,
dem Gedanken, man könnte so nicht mehr weiter machen,
dem Gefühl, man könnte das nicht mehr ertragen. -
Wieder die chauvinistische Männergesellschaft.
Das ist das, was sie umbringt, was sie erdrückt.
Sich eine psychisch bedingte Auszeit zu nehmen,
wird als eine schlechte Ausrede für eine Krankschreibung angesehen,
vor allem von Angestellten mittleren und fortschreitenden Alters.
Gestresste Mitarbeiter werden als charakterschwach eingeschätzt.
Sie werden als faul gebrandmarkt.
So sieht die Realität in Japan aus.
Ein japanischer Taxifahrer wird nie versuchen, dich zu betrügen,
indem er zum Beispiel den längsten Weg zum Zielort nimmt.
Wenn er den falschen Weg wählt,
dann nur aus dem Grund, dass er selbst nicht weiß, wo er hin muss.
Höchstwahrscheinlich arbeitet er bist zu 13 Stunden am Tag.
Er lebt ein Leben, das er sich so niemals vorgestellt hatte, oder das er niemals leben wollte.
Einige Freunde von mir, Kollegen, die ebenfalls Taxifahrer sind,
waren früher Manager in erfolgreichen Unternehmen.
doch die Unternehmen gingen während der Finanzkrise pleite.
Weil viele von Ihnen nur begrenzt qualifiziert sind
und angesichts des fortschreitenden Alters,
wollten andere Unternehmen sie nicht mehr einstellen.
Sie konnten nicht einmal eine Stelle im Supermarkt finden.
Also endeten sie bei Taxiunternehmen, weil es hier keine Altersgrenze gibt.
Du musst nur Karten lesen und Auto fahren können.
Das Hauptproblem für ältere wie junge Menschen ist,
dass sie nicht wissen, was sie im Leben erreichen wollen.
Heutzutage können Menschen nicht mehr ihren Träumen folgen,
Menschen können den eigenen Wert nicht mehr erfahren.
Wieso bin ich hier?
Sie suchen verzweifelt nach dem Grund.
Demografie
Der Prüfungsdruck in Japan ist sehr hoch.
Eltern sehen die Bildung ihrer Kinder als eine Investition.
Zum Beispiel bei den Aufnahmeprüfungen
müssen die Eltern ebenfalls gut aussehen,
sie müssen an Interviews teilnehmen,
sie müssen ihre eigene Vorarbeit leisten.
Deshalb, wenn man schon so viel Zeit und Geld investiert,
erwartet man von dem Kind eine Gegenleistung.
Prüfungsdruck wird direkt von den Eltern auf die Kinder ausgeübt.
Ich weiß, wenn ich nicht auf die richtige Schule, Mittelschule komme, werde ich keine Chance im Leben haben.
Wenn ich nicht an der richtigen Universität angenommen werde, werde ich keine Chance im Leben haben.
Die Selbsmordrate an japanischen Universitäten ist sehr hoch.
Menschen, die die Prüfungen nicht bestehen und von Gebäuden springen -
nirgendswo passiert das so oft wie in Japan.
Außerdem sind Selbstmorde wegen Mobbings ein großes Problem,
vor allem unter Jugendlichen.
Es herrscht ein ständiger Kampf zwischen Gruppen und Individuen.
Ein Mädchen tötete sich letztes Jahr selbst; sie war 8 Jahre alt.
Sie war in der Schule gemobbt worden.
Die Mobber schrieben überall in ihre Schulbücher
"***-ne", was bedeutet "stirb".
Die Schule ignorierte die Beschwerden ihrer Eltern.
Sie sagten, sie habe es selber auf ihre Bücher geschrieben.
Sie erhängte mit einem Handtuch in ihrem Kinderzimmer.
Und erst danach brachte die Schule eine Entschuldigung vor.
Im Falle von Mobbing ist es immer zu spät.
Wenn ich so über meine Erfahrungen während der Grundschulzeit nachdenke,
veranlasste mein Lehrer, dass ich gemobbt wurde.
Ich war irgendwie ein besonderer Schüler
in Hinblick auf Charakter und Verhalten.
Mein Lehrer mochte das nicht und fing an, mich zu mobben.
Und andere Schüler folgten dem.
Für Leute mit besonderer Denk- und Verhaltensweise
sind japanische Schulen ein schwieriges Umfeld.
In unserem Krankenhaus gibt es eine Notfallaufnahme
und ich finde, dort gibt es viele Fälle von "Ritzen":
Es sind in der Regel junge Mädchen oder junge Frauen.
Sie ritzen ihre eigenen Handgelenke mit Messern oder Klingen.
Ich war ein Opfer häuslicher Gewalt, ausgehend von meinen Ehemann.
Ich kam in einem Frauenhaus unter.
Aber ich fühlte mich sehr kaltherzig behandelt,
also bat ich die Polizei um Hilfe.
Aber natürlich tat die Polizei nichts für mich.
Ich empfand diese öffentlichen Institutionen als so kaltherzig.
Sie unternahmen nichts, um mir zu helfen.
Es gab einen Fall einer Frau in ihren 30ern, der mich immer noch zutiefst erschüttert.
Sie ging keiner festen Beschäftigung nach.
Soll heißen, sie war eine befristete Büroangestellte.
Zur selben Zeit als sie ihren Job verlor,
musste sie auch das Firmenwohnheim verlassen.
Sie kehrte in ihr Elternhaus zurück.
Aber sie kam nicht gut mit ihren Eltern aus.
Wenn Japanerinnen älter als 30 sind,
werden sie von ihren Eltern oftmals unter Druck gesetzt, zu heiraten.
"Wie lange wirst du noch bei uns wohnen?"
Danach hatte sie das Gefühl, kein Zuhause mehr zu haben.
Sie fühlte sich in ihrem eigenen Elternhaus so unwillkommen.
Obwohl sie wieder arbeiten wollte,
ist es zurzeit schwer einen Job zu finden.
Sie fing an depressiv zu werden
und sich von der Gesellschaft zurückzuziehen.
Sie fand es zunehmend schwerer ihr Bett zu verlassen.
Sie litt unter häuslicher Gewalt durch ihren Freund.
Sie fing an ihren Glauben an das Gute im Menschen zu verlieren.
Letztendlich beschloss sie, sich in ihrem Elternhaus zu erhängen.
Sie wählte das Schlafzimmer ihrer Eltern aus, um sich umzubringen.
Das war eine klare Botschaft an sie:
"Ich habe litt große Qualen und ihr habt nichts für mich getan."
Ich war während der polizeilichen Ermittlung vor Ort anwesend.
Wir nahmen ihr den Strick vom Nacken und legten ihren Leichnam in den Sarg.
Als ihre Einäscherung näherrückte,
versuchte ich einige Blumen in den Sarg zu legen.
Ich erinnere mich selbst jetzt noch deutlich an diesen Moment.
Die Frau starb durch Ersticken.
Ihre Zunge trat heraus, wie wenn man rennt und nicht atmen kann.
So ragte ihre Zunge heraus.
Ihr Gesicht war total verzerrt.
Als wir dabei waren, den Sarg zu schließen,
sagte ich: „Lasst uns einige Blumen hineinlegen."
Doch ihre Mutter erwiderte, es täte ihr leid, aber sie könne diesen Anblick nicht länger ertragen.
Es bedürfe keiner Blumen.
Ein Drittel aller Selbstmordopfer in Japan ist über 60.
Aber es wird nicht wirklich viel über Altersselbstmord gesprochen.
Sie sind einfach nur alt, des Lebens müde.
Worüber soll man da sprechen?
Die Herausforderungen nach dem Ruhestand:
Nummer 1: keine tägliche Anlaufstelle,
Nummer 2: keine Identität in der Gesellschaft,
Nummer 3: keine Hobbys,
Nummer 4: keine sozialen Kontakte
und Nummer 5: keine Idee, was man machen soll.
Ich stelle die medizinische Versorgung für eine kleine Gemeinde bereit.
Sie befindet sich in einer sehr ländlichen und abgelegenen Gegend.
Dort leben viele ältere Menschen.
Sofern sie laufen können, kommen sie zum Krankenhaus.
Aber die, denen das Laufen schwerfällt, bleiben fast immer zu Hause.
Sie sind nur einen Schritt davon, entfernt bettlägerig zu sein. Sie sind unfähig, ihr Haus zu verlassen.
Falls sie noch mit ihrer Ehefrau zusammenleben, ist es nicht allzu schlimm.
Es ist auch in Ordnung, wenn der Ehemann noch lebt.
Aber wenn sie ganz alleine sind, kann es eine äußerst tragische Situation sein.
Ernährungsphysiologisch - sie können nicht mehr selber kochen.
Sie fangen an, Hygieneprobleme im eigenen Haushalt zu haben.
Sie können sich nicht mehr um sich selbst kümmern. Nicht einmal mehr ein Bad nehmen.
Hinzu kommt noch, dass sie in völliger Einsamkeit leben.
Das ist solch eine herzzerreißende Situation.
Falls man auf sich allein gestellt ist,
ist Japan ein sehr, sehr einsamer Ort.
Und Einsamkeit ist einer der Schlüsselfaktoren der Probleme,
vor allem für ältere Menschen.
Sie können weder ausgehen, noch gibt es Möglichkeiten, zu ihnen zu kommen.
Wer möchte sich mit ihnen unterhalten?
Einsamkeit tötet so viele Menschen in Japan.
Sie werden niemals eine Depression zugeben, oder sterben zu wollen.
Wenn sie einen Arzt aufsuchen,
sagen sie: „ Ich bin so erschöpft, ich kann des Nachts nicht schlafen. Ich fühle mich nicht gut." -
„Ich habe immer Kopfschmerzen und fühle mich scheußlich."
In diesem Fall haben wir als Ärzte frühzeitig zu realisieren,
dass es sich um keine gewöhnlichen Kopfschmerzen handelt.
Wir müssen uns ihre familiäre Situation anschauen und das Problem baldmöglichst identifizieren.
Der medizinische Begriff lautet "larvierte Depression".
Es ist ausschlaggebend, diese in einem frühen Stadium ausfindig zu machen, und Maßnahmen zu ergreifen.
Einfach nur mit ihnen zu reden und zu beraten, ist eine Maßnahme.
Falls notwendig, sollte jedoch baldigst eine medizinische Behandlung eingeleitet werden.
Ich unterhalte mich häufig mit meiner Frau.
Sollten wir plötzlich einen Schlaganfall oder dergleichen bekommen
und fortan gelähmt sein und im Rollstuhl sitzen
und immer auf die Hilfe und Pflege unserer Kinder angewiesen sein,
wäre ein langes Leben nicht sinnvoll,
wenn es anderen Menschen Umstände bereitet.
Und höchstwahrscheinlich würde eine normale Person anfangen, zu denken:
„Vielleicht sollte ich von der Erdoberfläche verschwinden,
damit ich meiner Familie und Freunden keine Schwierigkeiten bereite."
Glücksspiel ist in Japan nicht erlaubt.
Glücksspiel ist illegal.
Also ist, was man hier sieht, kein Glücksspiel.
Es sieht lediglich nach Glücksspiel aus.
Es sind Menschen, die Geld gewinnen und verlieren.
Einige verlieren Geld und häufen massive Schulden an.
Aber bitte nicht vergessen: In Japan ist Glücksspiel keine Sucht.
Und es besteht überhaupt keine Verbindung zu Selbstmord, Schulden oder irgendetwas Negativem.
Es geht einzig und allein darum, glücklich zu sein.
Vor allem für ältere Menschen,
die es wirklich genießen, 7 oder 8 Stunden pro Tag
all die kleinen Pachinkokügelchen fallen zu sehen,
und sagen: „Was für ein wundervolles Leben ich doch habe!"
Aber bitte, wie dieses Poster sagt:
"Lassen Sie Ihr Kind nicht im Auto, während Sie spielen,
Weil sie ansonsten in der Sommerhitze lebendig gekocht werden."
Selbstmord in Japan mit Alkohol in Verbindung zu bringen?
Wie kann man das auch nur in Erwägung ziehen!
In Japan lässt Alkohol dich besser fühlen,
wenn du einsam und deprimiert bist.
Und eine Flasche Whisky kann dir helfen, klarer zu denken
und dein Leben in Ordnung zu bringen.
Niemand würde jemals irgendetwas Dummes anstellen,
wenn er betrunken und deprimiert ist.
Und im Fernsehen werden dir all die großen Prominenten sagen:
„Komm schon, gönn' dir noch ein Bier! Es ist schließlich Sommer!"
In Japan gibt es wirklich keinerlei Einrichtung, um Alkoholismus zu heilen.
Zu diesem Thema ist keine einzige Statistik vorhanden.
Die Welt des Journalismus erstattet überhaupt keine Berichte.
Vermutlich habe ich in den letzten 50 Jahren nicht mehr als zwei Berichte über Alkoholprobleme gesehen.
Diese Problematik wird lediglich als Bestandteil der japanischen Gesellschaft erachtet
und ist daher kein Thema, dessen man sich annimmt.
Ich lebe in Tokyo, im Stadtteil Shinjuku.
Kabukicho ist hier eine sehr lebhafte Gegend.
Überall aus Japan kommen viele Leute hierher, um zu arbeiten.
Weil Kabukicho solch eine geschäftige Gegend ist,
gibt es dort sehr viel Nachtleben und Prostitution.
Wenn man sich die Statistiken der Stadt Tokyo anschaut,
ist die Selbstmordrate in Shinjuku
für diejenigen in ihren 20ern und 30ern hoch.
Insbesondere gibt es viele weibliche Opfer in dieser Altersgruppe.
In anderen Stadtteilen geschieht das nicht wirklich.
Wieso ist die Selbstmordrate unter jungen Frauen in Shinjuku so hoch?
Ich vermute Folgendes:
Letztes Jahr habe ich mehrere Bestattungen für junge Frauen in Shinjuku durchgeführt.
Sie kamen mit einem Traum aus dem ländlichem Raum.
Aber aus irgendeinem Grund wurden ihre Träume zerstört.
Sie fingen an in Bars oder im Sexgewerbe zu arbeiten.
Aber sie wurden von Männern betrogen oder um ihr Geld gebracht.
Oder sie wurden aus irgendeinem Grund krank.
Viele von ihnen verloren die Hoffnung in die Zukunft.
Sie beschlossen von Gebäuden zu springen oder eine Überdosis Drogen zu nehmen, um sich selbst zu töten.
Viele von ihnen begingen auf diese Art und Weise Selbstmord.
Selbstmordprävention
Das ist das blaue Licht.
Wenn man ins blaue Licht schaut,
wird alles gut.
Alle Probleme und Sorgen lösen sich einfach in Luft auf.
Es ist eine günstige Art der Selbstmordprävention,
wie fröhliche Bilder an den Bahnhofswänden.
Um ehrlich zu sein, ich dachte, das blaue Licht wäre ein Witz.
Aber erste Ergebnisse beweisen
einen dramatischen Rückgang der Selbstmordrate
in den Bahnhöfen mit dem blauen Licht.
Niemand kann genau sagen, warum,
aber das blaue Licht funktioniert.
Züge scheinen ein besonders effektives Mittel zum Selbstmord zu sein.
Aber Statistiken belegen, dass 40 % aller Opfer von Zugkollisionen
Nicht sterben, sondern nur schrecklich verletzt werden:
Sie verlieren ihre Beine, sie verlieren ihre Arme.
Die armen Lokführer, die heimgesucht werden
von diesem "letzten Blick" -
Auge in Auge, die Sekunde vor dem Aufprall.
Mein Freund hat sich im Bahnhof Ogikubo umgebracht.
Das war vor rund 10 Jahren, und der Schadensersatz, den die Familie zahlen musste, betrug 45.000 €.
Dann habe ich jemanden vom Zugunternehmen kennen gelernt.
Ich habe ihnen geholfen, eine Telefonseelsorge einzurichten.
Ich habe herausgefunden, dass das Zugunternehmen einen Manager für "Personenschäden" hat.
Also habe ich ihn zum Schadensersatz von den Hinterbliebenen befragt.
Er sagte, dass jeder Selbstmord vor dem Zug das Unternehmen rund 500.000 € kostet,
weil die übrigen Fahrgäste zu anderen Linien wechseln.
Dann ist da noch die Reinigung des Unfalls.
Das kostet etwa 45.000 €.
Dieses Geld stellt die Firma der Familie in Rechnung.
Die Familie meines Freundes hat das alles bezahlt.
In der japanischen Gesellschaft trägt die Familie die Verantwortung.
Bringt sich jemand in einer Mietwohnung um,
müssen die Eltern enorme Summen an den Vermieter zahlen,
weil angeblich böse Geister andere Mieter verjagt haben sollen.
Um die bösen Geister zu vertreiben, wird ein "Exorzismus" benötigt.
Warum kommen die bösen Geister nur bei Selbstmorden? -
Das zeigt die schrecklichen Vorurteile und die Diskriminierung.
Ich finde diese Denkweise absolut furchtbar.
Wenn man gegen diese Exorzismusgebühr vor Gericht gehen würde,
weil sie eine Verletzung der Menschenrechte darstellt,
würde das Gericht die Klage abweisen.
Auf einen Selbstmord kommen zehn Selbstmordversuche.
Das bedeutet, dass es mindestens
300.000 Selbstmordeversuche jedes Jahr in Japan gibt.
Daher gibt es in den Krankenhäusern viele Patienten,
die dort wegen eines Selbstmordversuchs sind.
In Japan sind -
Und das ist eine erstaunliche Zahl -
10 bis 20 % aller kritischen Fälle, die ins Krankenhaus eingeliefert werden,
kritisch beinhaltet Herzprobleme, Schlaganfälle, Autounfälle,
10 bis 20 % der Patienten in den Notaufnahmen in Japan
sind dort wegen eines Selbstmordversuchs.
Es kommen jeden Tag Menschen in die Krankenhäuser
mit aufgeschnittenen Pulsadern oder mit einer Überdosis.
Und dann im Krankenhaus bekommen sie
das Handgelenk verbunden und gesagt:
"Mach's nicht wieder, geh nach Hause!"
Sie schneiden sich die Adern wieder und wieder auf
und kommen wieder zurück in die Notaufnahme.
Man könnte so viele Leben retten.
Eine Möglichkeit wäre, für diese Menschen
in der Notaufnahme einen Psychologen
oder Sozialarbeiter gleich vor Ort zu haben.
Ist das zu teuer? Ja?
Dann sollte man wenigstens Namen und Daten aufnehmen,
in Verbindung bleiben: Wie geht es ihnen nach der Entlassung?
Warum bringt man sie nicht in Kontakt mit einem Psychologen?
Warum gibt man ihnen kein kostenloses Beratungsgespräch?
Gebt ihnen Anreize, sich Hilfe zu holen,
sodass sie nicht wiederkommen. Nicht nach Hause geschickt werden,
und sich eine Woche später wieder die Adern aufschneiden.
Denn irgendwann schließlich, bei einem der nächsten Versuche
werden sie nicht mehr ins Krankenhaus kommen,
sondern direkt ins Leichenhaus.
Hier sind wir im Epizentrum des Selbstmords in Japan:
das japanische System der psychiatrischen Behandlung.
Welche Art der Unterstützung können Japaner erwarten,
wenn sie in den dunklen Tiefen von Depressionen
diese Unterstützung am meisten benötigen?
Psychiatrische Dienste sind noch nicht so gut in Japan.
Psychiatrische Dienste sind noch nicht so gut in Japan.
Ein Grund dafür ist, dass die meisten psychiatrischen Patienten
in Krankenhäusern oder anderen Einrichtungen untergebracht werden.
Aufgrund dieser stationären Behandlung
ist es für sie zum Teil schwierig,
aus ihrer Umgebung, aus ihrer Gemeinschaft
gute Unterstützung und ausreichenden Rückhalt zu finden.
Die psychiatrischen Patienten empfinden es als schwierig,
in dieser Gesellschaft zu leben.
Sie werden als charakterschwach bezeichnet
und an den Rand der Gesellschaft gedrängt.
Dann entscheiden sie, sich das Leben zu nehmen.
Von 30.000 Selbstmorden in Japan
sind 10.000 bereits im System der psychiatrischen Behandlung.
Sie erhalten Beratung, nehmen Medikamente
oder werden stationär behandelt.
Psychiater in Japan müssen sehr viele Patienten behandeln.
Eine durchschnittliche Klinik in einer Stadt betreut 40 oder 50 Patienten.
So hat der Psychiater nur 3 bis 4 Minuten Zeit für einen Patienten.
Glauben Sie, Sie können Ihre Probleme in 3 oder 4 Minuten lösen?
Insbesondere wenn der Arzt die Hälfte der Zeit darauf verwendet,
Rezepte für die ganzen Medikamente auszustellen.
Wirken die? Spielt das eine Rolle?
"Gerne - bitte - hier, Ihre Medizin."
An der Tür wartet schon der Nächste.
Sie haben Probleme mit Schulden,
sie haben Probleme in der Familie,
in der Schule wird gemobbt,
sie denken, dass Ihr Leben keinen Sinn hat -
"Unsere Zeit ist leider um."
Aufgrund der knappen Kapazitäten bei Psychiatern und Fachpersonal,
wie psychiatrisch ausgebildeten Pflegern, Sozialarbeitern
und bei Spezialisten im therapeutischen Bereich
konzentriert sich die Behandlung in Japan
größtenteils auf Psychosen und ist meist stationär.
Das ist verbunden mit sehr langen Aufenthalten in geschlossenen Einrichtungen.
Wenn man in Japan in eine Psychiatrie geht,
ist es sehr schwer, dort wieder herauszukommen.
Denn psychiatrische Einrichtungen sind private Einrichtungen.
Wie in einem Hotelbetrieb
muss man die Betten voll bekommen;
man muss die Zimmer belegen.
Ärzte müssen übermäßig auf hohe Dosen verschiedener antipsychiotischer Medikamente setzen.
Das ist wirklich sehr ungewöhnlich.
Die Art der Behandlung, die man im Westen erwarten würde
-- individuelle Therapie, Gruppentherapie, Milieutherapie --
existieren einfach noch nicht
im System der japanischen stationären Psychiatrie.
Jede Reise muss ein Ende haben.
Unsere endet hier, an den Klippen von Tojimbo.
Yukio Shige war Polizist.
Seine Dienststelle war einer von Japans berüchtigsten Orten für Selbstmorde.
Oft musste er in einem kleinen Boot hinausfahren und die Überreste von Opfern aus dem Meer fischen.
In einem Monat barg er zehn Leichen und fragte sich:
Warum hat nie jemand versucht, die Menschen vom Springen abzuhalten?
Nach der Pensionierung ging er zurück nach Tojimbo, um etwas zu bewegen.
Mit Geld aus seiner Rente eröffnete er ein kleines Café nahe dem Rand der Klippe.
Von hier aus dreht er seine Runden - jeden Tag, den ganzen Tag.
Das Symbol der Einsamkeit der Selbstmordprävention in Japan.
Wenn es um Verkehrsunfälle geht,
trägt die Polizei die Verantwortung.
Zur Prävention von Verkehrsunfällen
gibt es Gesetze und Verordnungen.
1970 wurde dem Tod auf der Straße der Krieg erklärt,
weil 16.000 Menschen auf den Straßen starben.
Die Polizei hat hier eine führende Rolle übernommen,
um die Zahl der Verkehrsunfälle zu senken.
Regierung und Bürger haben in dieser Sache zusammengearbeitet.
Heute ist die Zahl auf 5.000 Tote gefallen.
Das ist ein Drittel verglichen mit 1970.
Wenn wir uns dagegen die Zahlen für Selbstmord ansehen,
hat es in den letzten 12 Jahren jedes Jahr 30.000 Tote gegeben.
Trotz dieser hohen Zahl der Opfer unternimmt niemand etwas.
Es ist eine schlimme Situation.
Wenn wir die Regierung nicht dazu bringen können, etwas zu tun,
können immer noch wir Bürger etwas dagegen unternehmen.
Ich konnte einige Freiwillige zusammenbringen.
Derzeit sind es 87 Leute, die hier arbeiten.
Etwa 20 von ihnen gehen mit mir die Klippen ab.
Wir machen das jetzt seit 6 Jahren und 7 Monaten
und haben so bis heute 297 Leben retten können.
Diese Klippe ist der beliebteste Ort für Selbstmord hier.
Oft warten Leute hier alleine bis zum Sonnenuntergang.
Sie sitzen einfach nur da und warten auf jemanden zum Reden.
Wir gehen zu ihnen und reden mit ihnen.
Wir fragen, was sie bedrückt.
Und wir versuchen, ihnen bei der Lösung ihrer Probleme zu helfen.
Das ist die Art von Hilfe, die wir geben.
Von den 297, die wir gerettet haben,
haben sich anschließend nur 4 das Leben genommen.
Allen anderen geht es gut, sie haben neu angefangen.
Niemand möchte sterben.
Die Menschen warten auf Hilfe.
Warum gehen wir nicht auf sie zu und helfen ihnen?
Das Leben der Bevölkerung ist der Schatz unseres Landes, oder nicht?
Die Menschen flehen um Hilfe, oder nicht?
Warum reichen wir ihnen nicht die Hand?
Ihr Leid zu kennen und dennoch wegzusehen ist ein Verbrechen.
Es ist vorsätzliches Aufgeben von Menschenleben.
646 Menschen sind hier in den letzten 30 Jahren in den Tod gesprungen.
646 Menschen!
Es gibt hier nur drei Orte, an denen man herunterspringen kann.
An diesen drei Orten kann man doch sicherlich etwas anbringen.
Wir haben die lokalen Behörden darum gebeten.
Sie sagen, das gehe nicht, weil es ein beliebter Ort für Touristen sei. Was genau wollen die damit sagen?
Leben zu retten, ist weniger wichtig als Geld mit Tourismus zu machen?
Das ist ein Verbrechen. Eigentlich es ist das gleiche wie Mord.
Sie kennen die Antworten und Lösungen.
Sie wissen genau, was zu tun ist.
Aber sie unternehmen trotzdem nichts.
Das ist unverzeihlich.
Zu wenig, zu spät.
Ich dachte: "Was für ein Albtraum, so eine Nachbarin zu haben.
Eine, die immer anklopft, um Tee und Mitleid zu bekommen."
Mit fortschreitendem Alter bekam sie immer weniger Arbeit.
Sie sagte, dass sie kaum noch die Wohnung verlassen würde.
Ich war bald gelangweilt. Es war deprimierend.
Wenn sie an der Tür geklopft hat, habe ich irgendwann
den Fernseher ausgemacht und so getan, als wäre ich nicht da.
Sie schob mir einen kleinen Zettel unter der Tür durch.
Darauf standen ihre Telefonnummer, ihre E-Mail-Adresse und ihre mobile E-Mail-Adresse
und die Worte "Bis bald!"
Danach hat sie zum Glück nicht mehr angeklopft.
Ein paar Monate später
wurde ich sauer auf den Vermieter, weil er das Gasleck nicht behob,
das so einen schrecklichen Gestank im Gang verursachte.
Man hat sie erst nach 3 oder 4 Wochen Sommerhitze gefunden.
Zwei Tage danach sah ich durch den Spion meiner Tür
wie eine ältere Frau Kisten packte.
Trotz des Gestanks trug sie keine Maske.
Es war immer noch ihre Tochter.
Egal wie viele Leute ich interviewe,
oder welche Antworten ich finde, um 10.000 zu retten -
Ich werde nie vergessen, dass ich nicht einmal eine retten konnte.
Es hat mich nicht interessiert.
Es ist nicht Aufgabe der Regierung, uns zu retten,
oder dieser und jener Sache die Schuld geben.
Manchmal ist alles, was nötig ist, um ein Leben zu retten,
sich Zeit zu nehmen und zuzuhören.
Wenn wir im Krieg gegen den Selbstmord den Feind finden wollen,
so müssen wir nur in den Spiegel sehen.
In Erinnerung an eine Freundin