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Wenn man mit seinem Roman den Leser davon überzeugt,
dass ein Mensch, ein einzigartiger Mensch, eine Welt ist die noch nie zuvor existiert hat
und nie wieder existieren wird und, dass dieses eine Leben einen unendlichen Wert hat,
ich denke, dass das an und für sich sehr viel ist.
Ich bin nicht in einer Atmosphäre des gekonnten Geschichtenerzählens aufgewachsen.
Ich meine, manchmal hört man über Familien in denen
der Großvater unglaubliche Gesichten erzählt hat. Oder der Vater,
die Mutter, wer auch immer es war.
Das hatte ich nicht, muss ich sagen. Aber es gab Dinge,
die subtiler waren und es gab Erfahrungen,
die irgendwie auf untergründigen Wegen kommuniziert wurden.
Nur um ein Gefühl dafür zu vermitteln, ein Bild: Ich meine, meine Großeltern
kamen alle aus vier verschiedenen Orten
und zu diesen Orten wurde mehr oder weniger nie zurückgekehrt,
bis auf vielleicht eine Ausnahme.
Also kamen sie aus einer Welt und haben entweder beschlossen
nicht mehr zurückzukehren oder sie konnten nicht mehr zurück,
weil es den Ort nicht mehr gab. Stellen Sie sich vor, was es bedeutet
aus einem Nichts zu kommen.
Ich meine, wenn man an andere Orte reist, wie Skandinavien,
wo es diese Familien gibt die
seit hunderten von Jahren in diesen Häusern leben.
Und wenn man sie fragt "Wo werdet ihr in hundert Jahren sein?"
ist die Antwort "Hier."
Diese Gefühl gibt es in meiner Familie überhaupt nicht.
Dieser Gedanke einer Heimat, die eine Art verwurzelter Ort ist aus dem man kommt
und von dem man ausgehen kann, dass man dort in der Zukunft bleiben wird,
der war nicht wichtig. Es war einfach nicht Teil des Vokabulars.
Der eine kam von hier, der andere von da...
Meine Mutter, weil die Ströme der Geschichte ihre Eltern nach England verschlagen haben,
wurde in England geboren und ist dort aufgewachsen.
Sie hat meinen Vater in Israel kennen gelernt, wo er aufgewachsen ist,
sie sind nach Amerika gekommen. Auf eine Art waren Orte,
die geographischen Details, nebensächlich.
Und deswegen können sie nie betont werden.
Ich schätze ich bin an ernsten Dingen interessiert weil es mir so scheint,
dass ich mich immer zu dieser Art Literatur hingezogen gefühlt habe.
Es ist für mich eine Erleichterung ein Buch von einem Autor den ich liebe aufzuschlagen.
Plötzlich sind der ganze Krach des Lebens und der Smalltalk und
die Belanglosigkeit und die Dinge die unwesentlich sind,
plötzlich fallen die weg.
Du schlägst ein Buch auf, ich weiß nicht, Knut Hamsuns
"Hunger". Oder ein Buch von W. J. Sibbhult. Oder wenn auch immer Du liebst.
Thomas Bernhard. Alles was nicht wichtig ist,
ist weg. In einem Augenblick.
Und du bist in einer Welt wo alles wichtig ist,
auf die entscheidenste Art. Und da wollte ich leben.
Ich wollte da ein Leben bauen und ich schätze, dass ich
deswegen versucht habe Autorin zu werden.
Ähm, ich glaube es waren viele Dinge involviert aber
wenn ich zurück schaue dann muss es eine Art Gefühl gegeben haben,
dass schreiben nicht nur eine Chance ist, mich auszudrücken - es ist zu leicht, naja,
wir können uns in einer Unterhaltung wie dieser 'ausdrücken'.
Ich glaube es war etwas anderes, ich denke ich habe erkannt,
dass es eine Chance war mich selber zu erschaffen.
Wirklich selber zu entscheiden wer ich sein würde.
Und das ist ein unglaublich aufregender Gedanke.
Es ist auf eine Art radikal. Besonders wenn man jung ist, wenn man vierzehn Jahre alt ist
und alles in deinem Leben für dich entschieden wird.
Deine Eltern entscheiden, deine Familie, deine Schule.
Der Gruppenzwang, deine Freunde. Da ist diese ganze Welt.
Der Kosmos presst dich in eine Form.
Und dann hast du diese leere Seite,
und auf dieser leeren Seite kannst du entscheiden, du kannst werden was du willst, sagen was du willst.
Und du zeigst es jemand anderem oder auch nicht.
Und Jahre später veröffentlichst du es, oder auch nicht.
Aber diese Möglichkeit, absolute Freiheit so weit wie du bereit bist zu gehen -
Es hängt von dir up, nicht?
Diese Chance etwas zu werden, dich zu erfinden,
ich denke das fand ich immer unglaublich verlockend.
Und bis heute ist das wahrscheinlich der überzeugendste
Grund zu schreiben.
Aber als Autorin könnte ich ein alter Mann am Ende seines Lebens sein.
Ich könnte jemand sein, der in London lebt.
Ich könnte ein jüdischer Flüchtling aus Deutschland sein.
Ich könnte jemand aus Chile sein, einem Land in dem ich noch nie war.
Ich könnte alles sein!
Und es gibt immer dieses Gefühl, wenn ich einen Charakter erschaffe,
oder viele Charaktere, dass ich der Entgültigkeit
entkomme. Ich entkomme der Endlichkeit des Lebens.
Ich erweitere die Horizonte meiner Selbst.
Meiner Erfahrung im Leben. Ich habe nur eins.
Mir wurde nur ein Leben gegeben, leider.
Ich hätte gerne mehr gehabt. Ich hätte gerne andere Wahlmöglichkeiten gehabt
und diese Wahlmöglichkeiten führen zu anderen Wahlmöglichkeiten und - aber ich habe nur
diese bestimmte Route, die ich in meinem Leben genommen habe.
Aber als Schriftsteller, was für ein Leben.
Wenn ich die Tür meines Büros schließe und mit der Arbeit anfange,
multipliziere ich diese Möglichkeiten jeden Tag.
Ich habe die Chance alles mögliche zu leben, dass ich
sonst nicht gelebt hätte. Und es fühlt sich wirklich so an,
als würde ich es leben.
Wenn ich werde, oder einen Charakter den ich gerade in dem anderen Zimmer gelesen habe, schreibe.
Ein alter Mann, ein Vater der das Gefühl hat,
dass er die Beziehung zu seinem Sohn furchtbar ruiniert hat.
Er hat es irgendwie nie geschafft sich seinem Kind gegenüber auszudrücken
und er steht kurz vor seinem Tod,
und wie kann er diese etwas zertrümmerte Beziehung wieder gut machen?
Das ist keine Erfahrung die ich jemals machen werde, jemals machen könnte,
jemals unbedingt in meinem Leben wollen würde.
Aber ich wollte - weil ich neugierig bin wie es ist da zu sein.
Ich bin über dieses Extrem neugierig.
Und schreiben erlaubt mir das auf eine, ähm,
sehr oft sehr heftige Art.
Wenn man einen Charakter in einem Moment der Schwäche findet,
ob es ein Moment des Versagens ist, oder des Zweifels oder des Verlusts
oder des in seiner Selbst leidens, findet man ihn oft
am menschlichsten. Und das interessiert mich.
Da will ich hin.
Es ist nicht um meine Nase reinzustecken oder die Nase des Lesers.
Es ist weil ich denke, dass wir eine Gelegenheit haben uns eine Weile mit diesen schwierigen Dingen
auseinanderzusetzen. Wir finden auch einen Weg
sie zu überwinden.
Ich will auch nicht zu hoffnungsvoll sein -
aber ich denke schon, dass es da was gibt
wenn man sich diesen Dingen stellt, wo wir im Leben ständig Gelegenheiten kriegen
ihnen aus dem Weg zu gehen.
Ob es der Tod ist oder etwas über uns selber, was wir
unser Leben lang vor uns selber versteckt haben,
und unser ganzes Leben ist auf dieser Lüge aufgebaut.
Das interessiert mich an einem Charakter und das ist der
Punkt zu dem ich hingezogen werde, diese Lüge oder dieser
Ort, der unter der gesamten Struktur des Charakters
versteckt ist - was passiert wenn man ihn bewegt,
stürzt der Charakter?
Oder kann sie einen Weg finden sich wieder neu aufzubauen?
Ich bin nicht Schriftstellerin weil ich an Solipsismus oder an Einsamkeit interessiert bin, ehrlich gesagt.
Was mich wirklich interessiert und mir wirklich etwas bedeutet ist dieser Moment
an dem man das überwunden hat und den größmöglichen Kontakt,
die tiefgründigste Kommunikation mit einer anderen Person hat.
Wie nah kann man einer anderen Person kommen?
Das hat mich immer interessiert und das ist seit dem ersten Buch da.
"Kommt ein Mann ins Zimmer" ist ein Experiment in dem Erinnerungen aus einem Kopf
entnommen wird und in einen anderen Kopf gepflanzt wird um zu sehen ob es eine Möglichkeit für
eine Abkürzung zur Empathie gibt? Weil, was ist
Empathie anderes als in den Schuhen eines anderen zu stehen?
Zu wissen wie es sich anfühlt ein anderer Mensch zu sein.
Und dieses Experiment ist ein kompletter Misserfolg.
Und ich denke, was ich wirklich gefragt habe -
ich war 25 als ich das Buch geschrieben habe, ich hatte gerade angefangen zu schreiben.
Es war die erste Fiktion, die ich je geschrieben habe. Aber meine Frage war
"Gibt es noch irgendetwas anderes, das tun kann
was die Literatur tun kann?"
"Was kann nur die Literatur?" ist ein anderer Weg diese Frage zu stellen.
Und das ist, dass sie uns die Möglichkeit gibt in dem Innenleben einer anderen Person
zu stehen und zu fühlen was es ist er oder sie zu sein,
auf die intensivste Art und Weise.
Ich glaube nicht, dass es irgendetwas anderes im Leben gibt, dass uns das geben kann.
Und das interessiert mich, das die Möglichkeit des Kontaktes,
des Verstehens, der Empathie, des Mitgefühls...
Meine Bücher führen immer dort hin aber sie fangen
mit Charakteren an, die allein sind.
Weil ich denke - ich könnte falsch liegen
weil ich ja immer nur in meinem eigenen Kopf bin -
aber ich denke, dass es eine ziemliche Bemühung ist, so einen echten, profunden Kontakt
zu einer anderen Person aufzubauen, sie wahrhaftig zu verstehen.
Es gibt so viele Schichten durch die man durchdringen muss.
Aber ich denke, dass alle meine Charaktere sich danach sehnen oder sich in Richtung
dieses Momentes mit einer anderen Person neigen.
Ich bin besonders davon bewegt, nicht davon wie die Vergangenheit uns beeinflusst oder
uns formt... wir wissen, dass sie das tut. Da kommt man nicht drum herum.
Wir sind alle, auf so tiefe Weise, gemeiselt und geformt von unseren Eltern,
unseren Großeltern, der Geschichte.
Okay, also wir wissen das von Anfang an.
Was macht man dann damit?
Was mich wirklich bewegt, ist nicht das, sondern wie
Menschen darauf reagieren indem sie sich irgendwie neu erschaffen.
Also, wenn man hinschaut, sind alle 3 meiner Bücher
(Und das wusste ich beim Schreiben nicht, aber jetzt wo ich zurückblicken muss und Journalisten
ihre Fragen beantworten muss, sehe ich, dass) sie
alle auf eine Art von dieser Idee handeln. Vielleicht ist es eine
Art über-optimistischer Amerikanischer Gedanke (Ich weiss es nicht, ich habe bis gerade eben
noch nie darüber nachgedacht) aber der Gedanke,
dass wir uns, zu einem gewissen Grad, selber erschaffen.
Ja, die Vergangenheit formt uns. Aber was dann?
Nehmen Sie einen Charakter wie Leo Gursky,
der, durch bloße Phantasie und Willenstärke, sich
und sein Leben und seine Vergangenheit neu erfindet um sie erträglich zu machen.
Ich glaube er sagt irgendwann in "Die Geschichte der Liebe",
'Die Wahrheit ist das was ich erfunden habe damit ich überleben konnte.'
Und Alma tut das mit ihrem kleinen Bruder
um aus ihrem Vater einen Helden zu machen.
Und Sampson Greene, in "Kommt ein Mann ins Zimmer",
er hat diesen enormen Verlust den er erleidet.
24 Jahre seines Lebens sind weg aber er muss
eine neue Kohärenz finden um wieder ein Selbstempfinden zu schaffen.
Oder in "Das große Haus", wo es diese Titelgeschichte gibt,
von der ich denke, dass sie eine der schönsten Geschichten der jüdischen Geschichte ist.
Es geht um das, was den Juden im ersten Jahrhundert n. Chr. passiert,
wenn Jerusalem stürzt und alles was sie waren -
Judentum war ein nationaler Gedanke. Er basierte auf einem Ort und
er basierte auf Ritualen um den Tempel herum.
Diese Dinge gehen verloren und werden zerstört - wer
können diese Leute sein? Und die Antwort darauf ist wunderschön.
Okay, wir ersetzen Opfer am Tempel mit Gebeten.
Das ist etwas internes und das können wir überall hin mitnehmen.
Wenn wir die Stadt verloren haben, sie aber in das
aufwendigste Buch der Welt übersetzen können, welches
nach vielen Jahrhunderten der Talmud wurde.
Und wenn wir es unter unserem Arm tragen können und der Judentum
plötzlich etwas internes und tragbares wurde.
Diese Momente der radikalen Neuerfindung eines Individuellen,
eines ganzen Volkes, ich schätze, dass ist was mich
am meisten bewegt hat, weil ich das Gefühl habe,
dass es irgendwie nicht genug ist, nicht akzeptabel ist
die Vergangenheit einfach nur zu erben. Von ihr geformt zu werden.
Das ist nicht fair. Wie können wir so leben?
Was für eine Wahl haben wir?
Es scheint, dass wir ein Mitspracherecht haben müssen wenn es darum geht, wer wir sind.
Und ich denke nicht, dass wir ein vollständiges Mitspracherecht haben,
Ich schreibe ja ständig über
die Last des Erbens, könnte man wohl sagen.
Ich meine, wenn man an seine eigenen Erinnerungen denkt, oder
an die Erinnerungen die einem von den Eltern und Großeltern weitergegeben werden,
das ist nicht was wirklich passiert ist - woran man sich erinnert ist nicht das, was wirklich passiert ist.
Man hat diese enorme Portion Zeit genommen, wie viele Jahre auch immer man schon am Leben ist,
und man hat einfach
riesige Teile davon, die nutzlos waren oder irgendwie nicht funktioniert haben
und in die Erzählung nicht gepasst haben, ausgeblendet
aber dann diese Momente ausgewählt,
diese Momente (sehr wenige von ihnen) illuminiert
und sie aneinandergereiht um diese Kohärenz zu erschaffen.
Und das ist dann wer du bist. Das ist die Geschichte die du dir selber erzählst.
Du bist ein Autor. Wie wir alle, nicht wahr?
Aber diese Fiktion ist die Fiktion des Selbst.
Das geht zurück zu meiner Vorstellung vom Schreiben als die Erschaffung des Selbst.
Ich bin mir sicher, dass es nicht nur Schriftsteller sind, die das tun. Da bin ich mir sicher.
Ich denke, dass ist wie wir erschaffen, wer wir sind.
Und es ist etwas beängstigend,
aber es ist auch ermächtigend.
Weil dann ist die Vergangenheit nicht etwas das auf deinem Kopf landet,
mit dem du dann den Rest deines Lebens umgehen musst
und unter dessen Schatten du lebst.
Nein, du hast diese Vorstellungskraft, mach was daraus.
Ich habe schon seit vielen Jahren keine Gedichte mehr geschrieben und ich hoffe,
dass ich es irgendwann wieder tun werde.
Ich sehe mich nicht als jemand der mal Gedichte geschrieben hat
und dann aufgehört hat und zu etwas anderem übergegangen ist.
Aber ich muss sagen, dass die Form eines Romans zu mir zu passen scheint,
zumindest zu diesem Zeitpunkt in meinem Leben scheint sie sehr gut zu mir zu passen.
Ich denke, es hat damit zutun, dass es als Form
sehr schlecht definiert ist.
Und deswegen, weil wir nur sagen können
"Es ist eine lange Geschichte mit einem Anfang und einem Ende",
was können wir sonst darüber sagen? Ich habe das Gefühl,
dass ich eine Gelegenheit habe, der Roman bittet mich darum ihn neu zu erfinden,
jedesmal wenn ich mich hinsetze um einen zu schreiben, und ich finde das aufregend.
Ich glaube, dass Gedichte besser definiert sind.
Irgendwie.
Ich konnte in ihnen beim Schreiben zumindest nicht die selbe Freiheit finden,
und weil ich sie nicht finden konnte, weil ich ständig gegen
eine Mauer gestossen bin, habe ich aufgehört und meinen ersten Roman geschrieben.
Nicht, weil ich gedacht habe, dass ich Romanautorin werden würde, sondern weil
ich dachte, dass ich vielleicht eine Fluchtmöchlichkeit finden würde um in meiner Arbeit
wieder frei sein zu können.
Und, siehe da, ich habe sie gefunden. Und noch viel mehr als das.
Ich habe in dem Roman ein Gefühl der Unvollkommenheit gefunden,
er konnte nie perfekt sein
weil die Form nicht definiert ist.
Keiner von uns kennt den perfekten Roman.
Ich glaube jeder Roman hat Fehler. Das ist eine Erleichterung.
Ich fühle ich mit gewissen Arten des Versagens wohl, wenn ich
im Voraus weiss, dass es sie geben wird.
Es gab für meine Romanie nie eine Art von Plan oder Blaupause
die ich im Voraus gemacht habe. Sie sind komplette Improvisationen
und, für den größten Teil,
besonders die letzten zwei Romane,
die polyphon sind, also aus verschiedenen Teilen
bestehen, die anfangen ineinanderzugreifen
um diese ganze zu erschaffen, ähm...
am Anfang, vielleicht die ersten 20-30 Seiten dieser Bücher,
habe ich ungeordnet geschrieben, vielleicht habe ich Leo Gursky oder Alma Singer entdeckt, oder
in "Das große Haus" habe ich alle vier Charaktere gleichzeitig entdeckt.
Und als ich wusste, dass sie in dem Roman sein würden,
habe ich das Buch in genau der Reihenfolge geschrieben, in der man es liest.
Ich wusste nie, was passieren würde.
Ich habe die Gänze der Erfahrung eines Charakters geschrieben,
und dann die nächste. Aber dann hat die nächste angefangen die ersten zu widerhallen,
und ich habe angefangen diese ganzen Muster zwischen ihnen zu finden,
und manchmal habe ich ein Muster erweitert
oder ich habe ein Muster widerborstig durchbrochen
wenn es irgendwie zu unautentisch oder irgendwie zu gezwungen schien.
Für mich ist es ein bisschen wie Musik schreiben.
Wie kann man im Voraus wissen, was man für Harmonien zwischen diesen entfernten Teilen
des Romans entdecken wird wenn man erst mal da ist?
Für mich ist es immer mit diesem Gefühl etwas größeres,
dieses größere Ganze zu erschaffen.
Ich könnte es einfach nicht anders schreiben.
Ausserdem wäre ich sonst total gelangweilt!
Warum würde ich ein Buch schreiben, wenn ich schon
weiss was passieren wird?
Das habe ich nie verstanden.
Also, es ist wie als gäbe es bestimmte Stränge des Lebens, persönlicher Erfahrungen,
die benutzt werden aber zu etwas verwoben werden,
das für jeden unerkennbar ist,
selbst für die, die mir sehr vertraut sind, denke ich.
Wenn ich einen Roman schreibe, glaube ich, ist da
eine Art von Sehnen danach ein Zuhause in der Art in der ich beschreibe zu erschaffen.
Diese schwer fassbare Vorstellung eines 'Zuhauses', die ich nie hatte.
Es gibt dieses Gefühl, dass ich mit dem zusammenfügen all dieser
Stränge, ein bisschen wie eine Spottdrossel -
ein paar glitzernde persönliche Dinge aber auch komplette Erfindungen
und Dinge die mich faszinieren oder bewegen
oder mich traurig machen; wenn ich irgendeine Form finden kann mit der ich sie perfekt
verweben kann, in diese Art Architektur
dann wäre das "Zuhause".
Zumindest für die Zeit in der ich das Buch schreibe.
Sobald es fertig ist, kann ich nicht mehr darin wohnen.
Die Tür wird geschlossen und es wird veröffentlicht und ich muss
sozusagen "umziehen", schätze ich.
Ich sehe diese Romane wirklich, räumlich, als diese Art von
Häusern mit Zimmern die ich baue, wie von
innen, und ich ziehe diese Teile zusammen...
aber Sie haben recht, zu sagen - anzudeuten, dass es
irgendwie von dieser diasporischen Erfahrung
einers Lebens, dass über den ganzen Globus verstreut ist, kommt. Wie zeiht man
diese Stücke zurück und macht wieder ein Ganzes daraus?
Ich glaube, dass ist eine Besessenheit, auf eine Art,
die man in allen meiner Bücher finden kann.
Ich sehe es als Kontinuum. Ich sehe
Musik, Malerei nicht getrennt
von Büchern. Sie tun verschiedene Dinge auf verschiedene
Wege, aber sie bringen mich alle an den selben Ort,
der dieser abgesonderte Ort ist.
Ähm, dieser Ort wo Dinge eine Chance haben, bedeutungsvoll zu sein.
Es sit eine Art Trost weil
das Leben sonst so willkürlich passiert.
Und man nicht die Zeit hat die Teile zusammenzusetzen,
sie zu einer Art von Bedeutung zusammenzufügen...
Dann schreibt man oder steht man vor einem Gemälde,
dass einen einfach tiefgreifend bewegt, weil es etwas
bedeutet. Es ist Du, und in sich selber. Ich weiss nicht,
ich denke an Gemälde zu denen ich in meinem Leben immer wieder zurückkehre.
Zum Beispiel Rembrandts späte Selbst-Porträts, über die
ich, ich glaube ich habe in allen drei Romanen
über sie geschrieben, vielleicht sogar über das selbe.
Aber ich hatte gerade die Chance mein Lieblingsporträt zu
sehen; es war in New York, im Metropolitan
Museum of Art, für ein paar Wochen. Und ich bin
viele Tage hintereinander hingegangen, nur um diesen alten Freund zu sehen.
Du stehst davor und es ist wieder dieses selbe
Gefühl plötzlich wieder in Verbindung
mit den essenziellsten Dingen zu stehen.
Ich denke, dass so vieles so schnell verloren geht,
dass wir es fast gar nicht bemessen können.
Ich meine, wie lange sind es jetzt? 15 Jahre? In denen wir alle
im Internet sind? Und Google ist nur, gibt es erst seit 2002,
es ist nicht so alt. Zehn jahre später haben sich unsere Gehirne
auf solch eine schockierende Art verändert, und eins dieser Dinge
die wir verloren haben, wir wir alle wissen, ist unsere Konzentration.
Anstatt langsam zu lesen, wo man eine Chance hat
komplexe Verbindungen und Anspielungen zu machen und
Bedeutung zu finden, wurden wir alle dazu trainiert
sehr, sehr schnell zu denken. Und das finde ich beängstigend.
Offensichtlich wurde dieses Experiment unabsichtlich
an dieser jüngeren Generation ausgeführt -
nicht an unseren Kindern - vielleicht werden unsere Kinder wenn
sie etwas älter sind einen Teil dieser Probleme gelöst haben,
aber Kinder die jetzt etwas älter sind, Teenager -
waren im Grunde genommen Versuchstiere; was bedeutet es
nicht in einer Welt der Langsamkeit aufzuwachsen, wo die Dinge
in der Geschwindigkeit in der sie, mehr oder weniger, über
die letzten hundert, tausend Jahre passiert sind, passieren.
Es hat sich nicht so viel verändert, bis jetzt!
Ähm, und wir sehen was mit ihnen passiert ist.
Und man sieht nicht nur echte Schwierigkeiten in ihren Beziehungen
zu einander aber auch die absolute Unfähigkeit
sich auf einen längeren Text zu konzentrieren.
Als Romanautorin finde ich das unglaublich schade und natürlich gibt es
alle möglichen Dinge die es schwerer
und schwerer und schwerer machen für die Art Bücher,
die ich liebe und mit denen ich aufgewachsen bin und die ich immer noch wertschätze
neue Leser zu finden.
Es gibt den Verlust von Buchläden und
den Aufstieg von e-books.
Es gibt weniger und weniger Chancen
in einen Buchladen zu stolpern und
einen Schriftsteller zu entdecken, der dein Leben verändert.
Oder man muss die Geduld haben um den Raum, eine Ecke,
im Leben zu finden in der es still genug und langsam genug ist
um dieses Buch wirklich lesen zu können.
Das finde ich alles traurig.
Aber ebenso muss ich mir vorstellen,
dass sich langsam etwas korrigieren wird.
Ich denke nicht, dass die Menschen aufhören werden zu lesen.
Vielleicht werden weniger Menschen lesen.
Ich glaube es wird immer - zumindest in meiner Lebenszeit, in unserer
Lebenszeit - es wird immer ein Publikum
für diese Sorte von Roman die mir wichtig ist geben.
Und das reicht. Ich denke nicht, dass ich massig Menschen brauche.
Ich wünschte, alle liebten die Sorte Roman
die ich liebe, aber solange ein paar Leute sie lieben
und sie immer noch gedruckt werden können, reicht das.
Ich schätze ich denke, dass Schriftsteller in ihrer
Arbeit in ihrer besten Form sind und ich denke, die Arbeit ist immer
auf ihre Art politisch weil es immer
um Beziehungen zwischen Menschen geht. Und sie
setzen sich immer für den Einzelnen gegen die Masse ein.
Jeder Roman der es schafft den Leser dazu zu bringen eine Person
und ihre oder seine einzigartige Welt ins Herz zu schliessen,
tut etwas sehr politisches. Nicht unbedingt
mit Absicht. Es muss nicht das Hauptziel sein.
Aber es ist unausweichlich eine Art politscher Akt.
Wenn man einen Leser mit seinem Roman davon überzeugt,
dass eine einzigartige Person eine Welt ist, die nie zuvor existiert hat
und nie wieder existieren wird, dass dieses eine Leben
einen unendlichen Wert hat, dann bringt man ihm
etwas politsiches bei, denke ich. Also, ja,
vielleicht ist es etwas vages,
aber ich denke, dass das an und für sich viel ist.
Es macht es schwieriger, ja. Alles macht
es schwierig - älter werden macht es schwierig.
Ein Buch geschrieben zu haben und nicht nochmal
das selbe Buch schreiben zu wollen.
Sich all der Wege auf die ein Buch versagen kann bewusst zu sein,
was ich nicht war, als ich zum ersten Mal ein Buch geschrieben habe.
Ja, est ist schwieriger aber es wird immer und immer
ernster, der Einsatz wird immer größer,
nicht wegen anderen,
nicht wegen irgendwelchen Auszeichnungen,
und nicht wegen einem Publikum, sondern für mich.
Ich habe ein besseres Gespühr für mich als Schriftstellerin.
Ich meine, nach drei Büchern kann ich sagen
"Okay, jetzt glaube ich habe ich eine Ahnung davon was
ich tun möchte" Verstehen Sie? Und das werde ich wahrscheinlich immer sagen
weil ich mit jedem Buch etwas lerne.
Es wird tiefgreifender, das Leben, je älter ich werde, je älter wir alle werden...
Ich glaube es wird profunder.
Man kriegt Kinder - das verändert alles.
Man wird älter, die Leute um einen herum fangen an zu sterben -
das verändert alles. Unsere Eltern
werden krank - was auch immer diese Dinge sind,
das Leben ist nicht so leicht wie es war als man jung war.
Ich glaube, dass wenn man diese Art Autor ist die über
diese Dinge schreiben will, eröffnet die Arbeit einem
immer mehr Boden unter einem...
Neue Abgründe in denen man sich verirren muss.
Also, ja, es wird schwieriger.
Aber ich glaube, ich bin dazu bereit.
Danke.