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Herzlich Willkommen zu VibelleTV.
Heute beschäftigen wir uns mit dem Thema Autismus.
Dazu habe ich zwei Interviews geführt. Zunächst habe ich das gehörlose
Ehepaar Hopfenzitz befragt. Sie haben einen gehörlosen, autistischen Sohn.
Als zweites sprach ich mit dem gehör- losen Sozialarbeiter Iain St John Key,
der bereits viele Jahre mit Behinderten arbeitet. Sein Schwerpunkt ist Autismus.
Alle drei haben viel Erfahrung im kommunikativen Umgang mit Autisten.
Im ersten Teil unsere Sendung geht es nun um Kommunikationsmethoden.
Ich habe im Januar 2011 eine Gebärden- sprachschule mit Namen GEPETE gegründet.
GE steht für Gebärden, PE steht für den englischen Begriff PECS,
das ist ein Bildtausch-Kommunikationssystem.
TE steht für TEACCH, was eine Methode zum strukturierten Unterrichten ist.
Daraus ergibt sich die Abkürzung GEPETE.
Phase 1 bis 4 schaffen Menschen mit Kanner Autismus, 5 und 6 nicht unbedingt.
Wenn Sie Ihr Kind von früher Kindheit, über die Schulzeit bis zum Übergang
in den Beruf durchgehend unterrichten, ist das sehr gut.
So erreichen Sie sicher Phase 4. Eventuell schaffen Sie auch
Phase 5 oder 6, das kann ich nicht sagen. Probieren Sie es aus.
Sie hält keinen Augenkontakt. Nun wollen wir unsere Bilder austauschen.
Ihr Arm wird geführt und ich bestätige sie. Wenn sie begriffen hat,
was zu tun ist, kann sie es ohne Hilfe ausführen. Ist sie nicht konzentriert,
muss man weiter üben. Es kommt vor, dass man ein halbes Jahr oder ein Jahr
das gleiche übt, bis es beherrscht wird. Bei unserem Sohn mussten wir das
aushalten und alles immer wiederholen. Die Betreuer können wechseln,
aber es ist wichtig, sich zu gedulden ggf. auch ein halbes bis eineinhalb Jahre.
Das hängt ganz vom jeweiligen Können ab. Da braucht man schon starke Nerven.
Gut. Jetzt kommt Phase 2.
Ich möchte, dass er mir selbstständig ein Bild holt und wir tauschen wieder.
In Phase 1 haben wir mit Unterstützung getauscht, wenn er sich nun konzentriert,
kann er mir nun ein Bild bringen.
Die dritte Phase:
Ich zeige ihm dieses Bild.
Nein, das stimmt nicht. Er regt sich nun auf und wird nervös.
Nun muss man darauf beharren, dass das passende Bild heraus gesucht wird.
Das ist bei einem Konzentrations- und Wahrnemungsproblem schwierig.
Deswegen beginnt man mit der ersten Phase und geht schrittweise vor.
Die vierte Phase beschäftigt sich mit freiem Gebärden.
Anhand der Karten soll gebärdet werden "Ich möchte...", wie man es in der Muttersprache
lernt. Also nicht nur mit Vokabelkarten, sondern es geht auch um die Wortstellung.
Meine Arbeit mit tauben Kindern soll eine Brücke sein! Und zwar für
alle Menschen, auch für geistig Behinderte und Autisten, aber nicht nur auf sie beschränkt.
Ich arbeite auch mit Menschen mit Down-Syndrom, einer köperlichen
und geistigen Behinderung. Ich unterstütze, fördere und betreue ambulant
in der Schule, im Kindergarten, Autismustherapie und in der Familie.
Zu Beginn nutze ich kein PECS.
Ich habe Symbole, die sich besonders für gehörlose Menschen eignen
die ich aber erst ab dem Alter von zwei oder drei Jahren einsetze.
Dieses Buch ist eigentlich für Blinde und Taubblinde, es ist aber auch für Autisten
geeignet, da es ihnen schwerfällt den Augenkontakt zu halten und sie den Blick
oft abschweifen lassen. Hier können sie fühlen, worum es geht. Um eine Raupe.
Man muss nicht erzählen, wie groß eine Raupe ist oder dass sie im Wald zu finden ist.
Man benutzt nur das Subjekt, also "Raupe". Die Abbildungen sind farbig.
Hier ist eine Sonne.
Das Abtasten verschafft weitere Reize. Dinge anzufassen oder zu fühlen, fällt
häufig schwer, aber zusätzliche Reize entwickeln den Tastsinn.
Daher eignet sich dieses Buch besonders gut.
Wenn die Kinder drei bis vier Jahre alt sind, verwende ich PECS.
Die Mappe ist immer schwarz, vorne wird das Foto des Kindes aufgeklebt.
Jedes Kind hat seine eigene Mappe. Hier die Mappe für den Themenbereich "Frühstück".
Diese beiden Bilder bedeuten "Ich möchte". Dann wählt das Kind weitere Karten, z.B. "essen".
Würde das Kind diese Karte nehmen, würde ich "nein" sagen, denn der Satz stimmt nicht.
Das Kind wird sauer und wütend, weil es nichts zu essen bekommt.
Es muss warten und kann es noch mal versuchen.
Ich drehe die Mappe zu mir um und sortiere die Karten wieder zurück an ihren Platz.
Ich gebärde dann die Wörter. Einige Kinder können gebärden, andere nicht.
Die Karten sind ausreichend, z.B. "Ich möchte essen". Das Kind schaut mich an.
Ich gebärde alle Wörter vor. Das Kind entscheidet sich dann z.B. für den Apfel.
Dann gebe ich dem Kind einen Apfel. Gut gemacht!
Hier sind nur drei Bilder und drei Farben. Auf den blauen Karten ist Brot, Müsli, usw.
Die grünen Bilder sind für Obst und Gemüse. Auf den roten Karten sind Getränke.
Es gibt noch gelbe Karten mit Fleisch, Wurst, Marmelade, Butter, etc. Das ist oft genug.
Diese Mappe wird täglich genutzt. Manche Kinder brauchen sechs Monate,
ein oder sogar zwei Jahre um das Prinzip zu verstehen.
Das hängt auch von den individuellen kognitiven Leistungen ab.
Manche lernen schnell, andere sehr langsam.
Hier sind z.B. die Schulferien markiert, damit Zeiträume klar sind.
Ist ein Tag vorbei, wird er abgehakt. Die Farbe können die Kinder selbst aussuchen.
Tägliche Aktivitäten, z. B. Besuche, werden in den Kalender eingetragen.
Das Bild steht für die Jahreszeit, so wird auch dafür ein Verständnis entwickelt.
Denn das Bild haben wir zusammen erstellt, ich habe es also nicht alleine gebastelt.
All das ist wichtig, damit diese Kinder "begreifen".
Und der Kalender sieht auch noch schön aus.
Ein weiteres "Buch". Hiermit kann ich Fragen stellen.
Dann sucht sich das Kind vielleicht die mittlere Karte heraus und erhält ein Lob.
Dabei hat es in diesem Fall drei mögliche Antworten zur Auswahl.
Gummibärchen, Salzkekse und Sesamstangen.
Greift das Kind dann zu den Sesamstangen, obwohl es ein anderes Symbol gegeben hat,
so bekommt es diese nicht und als Antwort von mir ein deutliches "Nein." Das Kind wird
sauer und wütend reagieren, aber ich bleibe bei meinem "Nein". Hat das Kind dann kein
Einsehen, so nehme ich alle drei angebotenen Süssigkeiten wieder an mich.
Dieses Vorgehen wird sich über ein bis drei Wochen wiederholen, bis das Kind versteht.
Dabei sind drei vorgegebene Möglichkeiten ausreichend.
Und die Wahrnehmungsmöglichkeit des Kindes wird nach zehn Minuten nachlassen.
In der Schule lernen die Kinder dies bis hin zu zwölf möglichen Antworten.
Anschließend lernen sie das Bilden von kompletten Sätzen. Ein Beispiel dazu:
Zuerst unterstützt man das autistische Kind beim Zeigen auf die Karten.
Man zeigt also auf eine Karte und wartet anschließend, bis das Kind darauf schaut.
Dabei kann es vorkommen, dass man zehn oder zwanzig Minuten warten muss, aber das ist egal.
Wenn die anderen Schulkameraden fertig mit ihren Arbeiten sind, wird das Kind vielleicht
ungeduldig, aber dann muss diese Arbeit zuerst beendet werden. Auch wenn schon Pause ist.
Dies ärgert das Kind zwar, wirkt aber auch motivierend.
Dann beginnt das Kind und legt die erste passende Karte unter die Bilder.
Das Kind wird gelobt und man wiederholt die Zeigegestik auf den Bildern.
Anschließend geht es mit anderen Karten beim nächsten Bild weiter.
Oft braucht das Kind viel Zeit. Die muss ich ihm aber auch geben.
Wenn es dann die falsche Karte wählt, muss ich verneinen, nur mit dem Wort "Nein".
Dann setze ich die Bildkarte wieder zurück.
Denn nur das ist logisch.
Dann wählt es möglicher Weise die richtige Bildkarte, dann bestätige ich mit "ja".
Und lobe "super gemacht".
Dann sieht man oft an der Mimik, dass sich das Kind freut.
Typischer Weise haben autistische Menschen wenig Mimik, aber an den Augen erkennt
erkennt man ein Lächeln, oder zumindest eine Veränderung.
Dies wiederum bestätige ich durch Loben und sehr freundliche Mimik.
Wir haben nun den Teil 1 der VibelleTV- Sendung zum Thema "Autismus" gesehen.
Im Teil 2 werden wir über den Alltag mit autistischen Kindern berichten. Tschüß.