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(Musik)
Das Lustige daran, ein Gehirn zu haben, ist,
dass man keine Kontrolle über die Dinge hat, die es ansammelt und behält,
also die Fakten und die Geschichten. Und mit zunehmendem Alter wird es nur noch schlimmer.
Manchmal behält man Dinge jahrelang,
bevor man versteht, warum sie einen interessieren,
bevor man deren Bedeutung für sich selbst versteht.
Hier sind drei meiner Beispiele.
Als Richard Feynman ein kleiner Junge war und in Queens wohnte,
ging er mit seinem Vater, seinem Spielwagen und einem Ball spazieren.
Er bemerkte, dass, wenn er den Wagen zog,
der Ball rückwärts rollte.
Er fragte seinen Vater: „Warum rollt der Ball rückwärts?“
Und sein Vater sagte: „Das ist Trägheit.“
Er fragte: „Was ist Trägheit?“ Darauf antwortete sein Vater: „Hm.
Trägheit ist der Name, den die Wissenschaftler
diesem Phänomen geben, also wenn der Ball rückwärts rollt.
Aber eigentlich weiß es niemand so genau.”
Feynman machte Abschlüsse
am MIT und in Princeton. Er klärte die Challenger-Katastrophe auf
und gewann schließlich den Nobelpreis für Physik
für die Feynman-Diagramme, welche die Bewegung von subatomaren Partikeln beschreiben.
Er sagte, dass das Gespräch mit seinem Vater
ihm ein Gespür dafür gab,
dass einen die einfachsten Fragen an den Rand des menschlichen Wissens bringen können,
und genau dorthin wollte er sich begeben.
Und das tat er dann auch.
Eratosthenes war der dritte Bibliothekar der bedeutenden Bibliothek von Alexandria,
und er leistete viele Beiträge zur Wissenschaft.
Der wissenschaftliche Beitrag, für den er die größte Anerkennung bekam,
begann mit einem Brief, den er als Bibliothekar
aus Syene, einer Stadt südlich von Alexandria, erhielt.
Der Brief enthielt diesen einen Fakt, der Eratosthenes nicht mehr aus dem Kopf ging,
und zwar sagte der Briefschreiber, dass, wenn er zwölf Uhr mittags
zur Sommersonnenwende hinein in diesen tiefen Brunnen schaute,
er seine Reflektion auf dem Grund des Brunnens sehen könne, und auch dass sein Kopf
die Sonne blockiere.
Ich sollte Ihnen vielleicht noch sagen – die Behauptung, dass Christoph Kolumbus entdeckt hat,
dass die Erde rund ist, ist totaler Unsinn. Sie entspricht überhaupt nicht der Wahrheit.
Denn wer gebildet war, wusste seit Aristoteles, dass die Erde rund ist,
und Aristoteles hatte dies
mit einer ganz einfachen Beobachtung bewiesen.
Er bemerkte, dass der Erdschatten immer, wenn er auf dem Mond sichtbar war,
rund war,
und die einzige Form, die stetig einen runden Schatten bildet,
ist eine Kugel, q. e. d., die Erde ist rund.
Aber niemand wusste, wie groß sie war,
bis Eratosthenes einen Brief mit diesem Fakt bekam.
Er verstand, dass die Sonne direkt über der Stadt Syene stand,
weil, als der Mann in den Brunnen hineinschaute, es eine gerade Linie
bis zum Grund des Brunnens ergab, direkt am Kopf des Mannes vorbei hinauf zur Sonne.
Eratosthenes kannte noch einen weiteren Fakt.
Er wusste, dass in Alexandria
am gleichen Tag zur gleichen Zeit ein Stab im Boden steckte,
nämlich um zwölf Uhr mittags, dem Höchststand der Sonne, zur Sommersonnenwende.
Die Sonne warf einen Schatten, der zeigte, dass dieser 7,2 Grad vom Stab entfernt war.
Wenn man den Umfang eines Kreises
und zwei Punkte darauf kennt,
braucht man nur die Entfernung zwischen diesen zwei Punkten zu wissen
und kann schließlich den Umfang hochrechnen.
Dreihundertsechzig Grad geteilt durch 7,2 ist gleich 50.
Ich weiß, dass es eine runde Zahl ist und das macht die Geschichte etwas verdächtig,
aber es ist eine gute Geschichte, also werde ich sie weiter erzählen.
Nun musste er nur noch die Entfernung zwischen Syene und Alexandria wissen,
was einfach war, da Eratosthenes gut in Geografie war.
Denn er war es sogar, der das Wort „Geografie“ prägte.
Die Strecke zwischen Syene und Alexandria
war eine Handelsstraße,
und die Händler mussten wissen, wie lang es dauerte, um dorthin zu gelangen.
Also mussten sie die exakte Entfernung kennen und so wusste er ganz genau,
dass die Entfernung zwischen den beiden Städten 793,8 km betrug.
Multipliziert mit 50 ergibt das 39.690 km,
womit er weniger als ein Prozent vom eigentlichen Umfang der Erde abwich.
Und dies vor 2200 Jahren.
Heute leben wir in einem Zeitalter, in dem
Multi-Milliarden-Dollar-Maschinen nach dem Higgs-Boson suchen.
Wir sind im Begriff, Partikel zu entdecken, die wahrscheinlich schneller als das Licht sind,
und all diese Entdeckungen werden uns
von Technologien ermöglicht, die erst in den letzten paar Jahrzehnten entwickelt wurden.
Jedoch war es in der Geschichte oft so,
dass wir diese Dinge entdeckten, indem wir unsere Augen, Ohren und unseren Verstand benutzten.
Armand Fizeau war ein Experimentalphysiker aus Paris.
Sein Spezialgebiet war es, die Ergebnisse anderer Wissenschaftler weiterzuentwickeln und
zu bestätigen. Das hört sich vielleicht nicht gerade erfolgsversprechend an,
aber eigentlich ist das die Seele der Wissenschaft,
weil es keinen Fakt gibt, der nicht unabhängig bestätigt werden kann.
Er war mit Galileis Experimenten
zur Bestimmung einer existierenden Lichtgeschwindigkeit vertraut.
Galilei hatte ein wirklich wunderbares Experiment ausgearbeitet,
bei dem er und sein Assistent je eine Lampe in den Händen hielten.
Galilei öffnete die Klappe seiner Lampe und sein Assistent öffnete die Klappe seiner Lampe.
Der zeitliche Ablauf war gut abgestimmt.
Sie wussten genau, wann sie was zu machen hatten. Dann postierten sie sich auf zwei Hügeln,
die gute 3 km auseinanderlagen. Sie führten das gleiche Experiment durch, aufgrund von Galileis
Annahme, dass, wenn das Licht eine wahrnehmbare Geschwindigkeit hat,
er eine Verzögerung des zurückkommenden Lichts von der Lampe des Assistenten bemerken würde.
Aber das Licht war zu schnell für Galilei.
Er verschätzte sich um einige Größenordnungen, als er annahm,
dass das Licht grob geschätzt 10 Mal schneller als der Schall sei.
Fizeau war mit diesem Experiment vertraut. Er wohnte in Paris
und stellte dort zwei Messstationen auf,
die etwa 8,6 km voneinander entfernt waren.
Er löste Galileis Problem,
und dies tat er mit einer wirklich relativ banalen Ausrüstung.
Er führte das Experiment mit einem von diesen durch.
Ich werde die Fernbedienung für einen Moment weglegen,
weil ich möchte, dass Sie mitdenken.
Das ist ein Zahnrad. Es hat jede Menge Lücken
und jede Menge Zähne.
Das war Fizeaus Lösung: einzelne Lichtimpulse senden.
Ein Strahl wurde von der Lichtquelle zu einer der Lücken weitergeleitet.
Wenn ich einen Strahl von dieser Lücke auf einen Spiegel richte,
etwa 8 km entfernt, reflektiert dieser Strahl
und kommt durch diese Lücke zu mir zurück.
Aber etwas Interessantes geschah, als er das Zahnrad schneller rotieren ließ.
Er bemerkte, dass er den zurückkommenden Strahl
nicht mehr sehen konnte.
Warum war das so?
Weil der Lichtimpuls nicht durch die gleiche Lücke zurückkam.
Er traf nämlich auf einen Zahn.
Wenn das Zahnrad also schnell genug rotierte,
blockierte es komplett den Lichtstrahl. Dann
berechnete er auf der Grundlage der Entfernung der zwei Messstationen,
der Drehzahl des Zahnrades und der Anzahl der Zähne
die Lichtgeschwindigkeit, die nur zwei Prozent vom eigentlichen Wert abwich.
Und das war im Jahr 1849.
Das ist es, was mich so an Wissenschaft fasziniert.
Immer wenn ich Schwierigkeiten habe, ein Konzept zu verstehen, recherchiere ich die Menschen,
die dieses Konzept entdeckt haben. Ich schaue mir an, wie sie das Konzept begriffen haben.
Und was geschieht, wenn man sieht, was sich die Entdecker dabei gedacht haben,
als sie ihre Entdeckungen machten:
Man sieht, dass sie sich nicht so sehr von uns unterscheiden.
Wir bestehen alle nur aus Fleisch und Wasser. Wir fangen alle mit den gleichen Werkzeugen an.
Ich liebe den Gedanken, dass verschiedene Bereiche der Wissenschaft als „Forschungsfelder“ bezeichnet
werden. Die meisten Menschen finden, dass Wissenschaft eine geschlossene schwarze Kiste ist,
aber eigentlich ist sie ein weites Feld.
Wir alle sind Entdecker.
Die Menschen, die diese Entdeckungen machten, dachten ein bisschen mehr darüber nach,
was sie sahen, und besaßen ein bisschen mehr Neugier.
Und ihre Neugierde veränderte die Art und Weise, wie die Menschen über die Welt dachten,
und sie veränderte die Welt.
Sie veränderten die Welt und das können Sie auch.
Vielen Dank.
(Applaus)