Tip:
Highlight text to annotate it
X
(Vogelgezwitscher)
(Katze faucht, Vogel piepst aufgeregt)
(Vogel verstummt abrupt)
(Glocke klingelt laut)
(Standuhr tickt laut und gleichma?ig)
(Schusseldeckel klirrt laut)
(er atmet angestrengt)
Jetzt ist Schluss.
(Huhner gackern)
(er sto?t belustigt Luft aus)
(lauter Schuss)
"Als Gott die Nachtigallen schuf, gab es noch keine Katzen.
Sonst hatte er die Nachtigallen gelehrt,
dass sie ihre Nester nicht so nah am Boden,
so greifbar fur jede Katzenkralle in die Gebusche hangen durfen.
In dem Land, aus dem die Nachtigallen stammen,
dem Land der Liebe und des Liedes,
gibt es solche Krallen und Morder wohl nicht.
Drum sind sie wehrlos und hilflos in einem Land,
wo es solche, ganz andere Krallen gibt.'
Bernward, uberleg noch einmal...
Wenn keine Nachtigall mehr bei uns singen wurde,
wenn wir nachts aufwachen, und es ist totenstill...
- Willst du das? - Ich hatte auf Murr aufpassen konnen.
Nein, nein.
Wei?t du, Katzen gehoren einfach nicht zu uns.
Sie stammen aus dem Orient, sie sind die Juden unter den Tieren.
So, jetzt geh schlafen.
The time of fall will be 40 seconds.
You'll hear the countdown
from far away until the first time.
Remain in your holes
until the command raised...
(Countrymusik)
(Lied: " I Fall to Pieces' von Patsy Cline)
Lf you stand up too soon,
the intense light
will temporarily blind you.
And the heat will give you
the equivalent of a severe sunburn.
It is now eight minus two minutes.
Everyone kneel down in your fox-holes.
Look down and stay down.
(dumpfer Knall)
(Countrymusik lauft weiter)
(stumme Szene)
(dumpfes Tosen)
(stumme Szene)
(unverstandliche Lautsprecherdurchsage)
(Vogelgezwitscher)
(Mann) Warum sind Schriftsteller wie Musil, Heinrich Mann, Broch
fur die meisten von Ihnen unbekannt?
Weil man Ihnen an der Schule ein Literaturverstandnis vermittelte,
das in der Moderne noch nicht angekommen ist.
Aus tiefer Verunsicherung nach dem Ende der Nazibarbarei
fluchten Sie sich heute in die scheinbar sichere Klassik.
Das zeigt doch nur eins: Den Verlust lhrer Urteilsfahigkeit,
die nicht gestarkt wird, wenn Sie zu spat kommen.
(Gelachter)
Nicht jeder, der in die Emigration ging, schrieb deshalb Gro?es,
und nicht jeder, der blieb, produzierte nur Schund.
Viele Schriftsteller wurden in der NS-Zeit vereinnahmt
und werden heute zu Unrecht verfehmt.
Kolbeneyer oder Rene Schickele emigrierten innerlich
und blieben sich treu.
Nicht uninteressant, aber ich empfehle bei den beiden
ein doch etwas genaueres Literaturstudium.
- Herr Jens, kennen Sie das? - Will Vesper?
Das Buch nicht, den Autor mehr als genug.
Kann man beurteilen, was man nicht kennt?
- Sie sind mit ihm verwandt? - Spielt das eine Rolle?
Vielleicht.
- Entschuldigung. - Fur was?
Sie haben mit Jens geredet?
Ja, wir tauschen uns regelma?ig uber Literatur aus.
- Altere und neuere. - Daruber redet er mit Ihnen?
Es geht um die Frage, was Berechtigung hat und was nicht.
Das frage ich mich auch... den ganzen Tag.
- Was? - Ob ich eine Berechtigung habe.
Ich schreibe meistens nachts, so von zwei bis sechs.
Da kommt das Unbewusste mit hinein, wird alles direkt und schonungslos.
Ich schreibe, wie wenn man mit der Faust
in die Fresse der Gesellschaft haut.
Ist das nicht einsam, wenn man so da sitzt und immer wieder zuhauen muss?
Ich habe uberlegt, mit einem Freund zu schreiben.
- Wir konnen mitschreiben. - Das wird dann doch ein bisschen viel.
- Haben Sie Vorbilder? - Hans Henny Jahnn.
Das ist der wichtigste Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Kennen Sie den?
- Muss ich das? - Was lesen Sie denn?
- Hemingway. - Reisejournalismus.
Nein, er war im spanischen Burgerkrieg.
Ja, als Tourist.
Muss ich die Hand auf den Herd legen, um uber verbrannte Hande zu schreiben?
John Steinbeck recherchierte fur ' Fruchte des Zorns" auch,
aber der macht daraus wenigstens Literatur.
Sie kennen Steinbeck?
Ja.
(Gudrun) Hm.
(Vogelgezwitscher)
(Tur wird geoffnet)
Du bist ja eiskalt, zieh etwas Warmes an.
- Ist die Suppe fertig? - Gleich, gnadige Frau.
Es ist zwolf Uhr. Sie wissen, was ich gesagt habe!
- Danke, dass du gleich gekommen bist. - Wo ist Vater?
Er braucht dich. Geh zu ihm.
(Will) Bernward.
(Will atmet angestrengt)
Diese zwei Monate waren wie zwei Jahre.
Hast du eine Zigarette? Ich kriege keine mehr.
Lhr Vater darf nicht rauchen.
Dann soll es der Herrgott richten. Auf Wiedersehen.
Ich habe gelesen, was du mir geschickt hast.
Ich hatte es Tag und Nacht bei mir.
- (beschwichtigend) Das sind Skizzen. - Du brennst Kerzen an zwei Enden an.
So habe ich auch einmal angefangen.
Du bist ein Schriftsteller wie ich.
- Ich schrieb das in einer Nacht. - Ja, das merkt man.
Du musst unbedingt weitermachen.
Hast du jemanden kennengelernt?
Schon gut.
Irgendwoher mussen wir es ja hernehmen.
- ' Indem wir uber Liebe schreiben... ...fangen wir an zu lieben.'
Ja.
500000 Stuck Auflage...
(abfallig) Da sind diese Asphaltliteraten niemals rangekommen.
Du musst etwas tun fur uns.
Das muss man unbedingt neu herausbringen.
Du bist der Einzige, dem ich das zutraue.
Versprich es mir.
(kaum horbar) Ja.
(Sprecher) Die Nachricht brach durch die Hauswande.
Sie erfasste ganz Israel.
Wenige Stunden spater wusste die ganze Welt,
dass der Mann gefasst war, dessen Wort Leiden,
dessen Unterschrift fur Millionen grauenaftes Sterben bedeutete.
Von dem rechtlichen Sektor aus gesehen...
(Mann spricht hebraisch)
Ich habe abschlie?end zu erklaren,
dass ich personlich diese gewaltsame Losung
schon damals als nicht zurecht bestehend betrachtet habe,
schon damals als eine grassliche Tat betrachtet habe,
zu der ich bedauerlicherweise, gebunden durch Fahneneid,
auf meinem Sektor
die transporttechnischen Angelegeneiten mit bearbeiten musste
und von diesem Eid nicht entbunden wurde.
(Stimmengewirr)
Warten Sie schon lange? Ich bekam mein Referat nicht fertig.
Ich auch nicht.
Schone Gru?e ubrigens von Dorte Wellheim.
Ich habe mit ihr telefoniert.
Und ist alles okay bei ihr?
Schon.
Ich bin dabei, einen Verlag zu grunden.
Alte verkannte Sachen neu auflegen und neue bekannt machen.
- In zwei Wochen geht es los. - Neben dem Studium?
Ja, das lasst sich damit mitfinanzieren.
Kriegen Sie genugend von zu Hause?
Ich habe sechs Geschwister. Nur ich darf studieren.
Und die anderen?
Mein Vater hat sich fur mich entschieden.
Eigentlich brauchte ich noch jemanden, der mit einsteigt.
Ich kriege das nicht alleine hin.
Ware das etwas fur Sie?
Wie soll so etwas gehen?
Ich mache das Programm, Sie die Korrespondenz.
Also wir leiten den Laden.
(Filmprojektor rattert, Mann spricht im Film franzosisch)
Und wie fangt man so etwas an?
Ich habe gehort, Sie suchen auch eine Wohnung.
(Frau) Das ist das zweite Zimmer.
Sind Sie eigentlich verheiratet?
Unsere Verlobung ist bald.
(Gudrun kichert)
Damit wir uns recht verstehen:
Sittliche Verwahrlosung unterstutze ich nicht.
Das ist die Anspannung.
- Ich finde das nicht komisch. - Nehmen Sie es nicht personlich.
Wenn ich Sie hier in wilder Ehe leben lasse, mache ich mich strafbar.
Das ist Kuppelei.
- Das wird es bei uns nicht geben. - Ganz bestimmt nicht.
(Bernward) Wir brauchen einen privaten Anschluss
und einen geschaftlichen.
- Wo wollen Sie lhr Telefon haben? - Meinen eigenen Apparat?
Das ist doch das Mindeste.
Ich habe eine Druckerei. 5000 fur 5000.
- Eine Mark pro Buch? - Ja.
- So schnell? - Bethel Behindertenwerkstatten.
Aber eins a Referenzen. Unsere Bibeln kommen von da.
Da muss ja jetzt nur noch der Vertrieb zusagen.
Hans Henny Jahnn, "Das Holzschiff".
Es geht um eine Frau, die ermordet wird.
Die wird geopfert, damit zwei Manner zusammenkommen.
Ware es nicht interessanter, ein Mann wird geopfert,
damit zwei Frauen zusammenkommen?
- Wann kommt denn Dorte wieder? - Ubermorgen, das wissen Sie doch.
Soll ich etwas vorlesen?
"Wie wenn es aus dem Nebel kame, wurde das schone Schiff plotzlich sichtbar.
Mit dem breiten, gelbbraunen... '
Lies weiter.
"Mit dem breiten, gelbbraunen Bug
und der Ordnung der Masten, den ausladenden Rahen
und dem Strichwerk der Takelage.
Die eingerollten Segel waren an Rundholzern verschnurt.
Zwei Schleppdampfer, hinten und vorne, brachten das Schiff an die Kaimauer.
Nach zwei Wochen lag das Schiff noch an seinem Platz.
Die Segel waren abgenommen und in die Segelkammer verstaut worden.'
(Gudrun atmet zitternd)
(sie atmet schnell und erregt)
(er atmet tief ein)
(er atmet zitternd)
(Vogelgezwitscher)
(Gudrun) Was sagen wir Dorte?
Wir sagen ihr, dass wir ein Zimmer frei haben.
Warum muss ein Dreieck immer zur Geraden schrumpfen?
(Lied: " In a Broken Dream' von Rod Stewart)
(sie kichern)
(Musik lauft weiter)
(er lacht ausgelassen)
(Musik lauft weiter)
(Musik klingt aus)
Warum hast du das getan?
Weil ich es tun musste.
Martin Luther King?
Wie bist du denn auf den gekommen?
Ich war in den USA, ein Jahr als Austauschschulerin.
Lies etwas.
Ich will nur einmal horen, wie es klingt,
wenn du die Sprache der Besatzer sprichst.
"I am more convinced than ever
that this method is the most potent weapon to oppress people
in their struggle for justice and human dignity.
Until justice rolls down like water
and righteousness like a mighty stream.'
Wir konnten auch Amerikanisches herausbringen.
- Das muss ja alles ubersetzt werden. - Eine Ubersetzerin haben wir ja schon.
(flustert) Ich traue dir alles zu.
(Telefon klingelt)
Vesper.
Ja.
(Lautsprecherdurchsage wird von einfahrendem Zug ubertont)
(Zugbremsen quietschen)
Danke.
(Mann spricht englisch)
(psychedelische Rockmusik)
(Stimmen sind nicht horbar)
(Konrad Adenauer) Die Krise in Kuba ist die gefahrlichste Bedrohung
des Weltfriedens seit 1945.
Wenn da irgendetwas kommt, mochte ich lieber gleich mit runter kommen.
Da gehe ich gleich auf die Stra?e.
Ich wurde nichts machen.
Wenn es diesmal etwas gibt, hat es keinen Sinn.
Ein Krieg jetzt wird ein Atomkrieg.
Dann brauchen wir keine Vorrate mehr.
(Sprecher) In den vier Tagen der Kubakrise
wurden einzelne Artikel bis zu zehnfach und mehr verkauft.
(Mann) Was die Aktion Eichhornchen nicht geschafft hat,
hat Fidel Castro mit seiner Kubakrise im Handumdrehen geschafft.
(psychedelische Rockmusik klingt aus)
- Na, Rube. - (Rube lacht zufrieden)
- (flustert) Mutter. - (leise) Guten Tag.
- Wo sind die Blumen? - Ruth, benimm dich.
- Das ist Bernward. - Das war eigentlich fur Sie.
Ja, kommen Sie doch hinein.
Ja, Gudrun. Das ist ja schon.
- Bernward Vesper. - Ah, ja.
- Freut mich. - Mich auch.
Wir waren gerade bei der Auslieferung. Das erste Exemplar.
Aha.
- Nehmen Sie doch noch Kartoffelsalat. - Danke. Das ist sehr lecker.
- Hausgemacht. - Ich kann zurzeit nicht so viel essen.
Hunger ist manchmal schwer.
Ein Gedicht nur fur dich:
Arzte sind... Erwachsene. Verwachsene Erwachsene.
Die Medikamente, die man ihm gab, machten ihn erst richtig krank.
- Maxene. - Tschingtaxxene.
Laxene, Maxene.
(sie lachen) Mutachsene.
Tod den Mutachsenen.
- Wir machen noch mehr Gedichte. - Versprochen. Spater.
- Aber Salat essen Sie doch? - Bernwards Vater starb kurzlich.
- Er trank eine Woche nur Tee. - Ich muss mich um alles kummern.
Ums Erbe, Bucher.
Wir bringen alle Bande heraus.
So finanzieren wir unseren eigenen Verlag.
Du willst jetzt die Werke von Will Vesper herausbringen?
Ist dir klar, was du uns damit antust?
- Wie? Erklaren Sie mir das. - Mein Mann hatte ein Verfahren...
Mach Vater nicht zum Widerstandskampfer.
In einer Predigt sagte er: ' Hitler mag gro? sein, Gott ist gro?er.'
Er ging 1941 freiwillig zur Front.
Er hatte mehr Angst vor Mama als vor Russen.
- Nur deshalb wollte er an die Front. - (sie kichern)
- Ich muss mit dir reden. - Jetzt?
- Im Buro. - Das konnen wir auch hier.
- Ilse. - Kommt, wir gehen in die Kuche.
Lasst die Teller stehen.
Du hast als Einzige das Privileg, studieren zu durfen.
Hanna findet es hart, dass sie eine Lehre machen musste.
Und du lasst deine Prufungen sausen, vertust deine Zeit?
Dafur drehen wir hier nicht jeden Pfennig zweimal um.
- (Gudrun) Fur was? - (Vater) Fur diesen Dreck!
(Bernward) Soll ich ihn jetzt totschweigen?
Man darf sich doch mit ihm auseinandersetzen.
Auch kritisch, aber dafur muss er gedruckt werden.
(Gudrun) " Das Blut ist trunken, das Herz voll Heiterkeit,
ehe es noch einen Tropfen des guten Weins genossen,
der hier an den Hangen und in allen Talern wachst.
Die wilde brausende Luft... ' Wer soll das kaufen?
Die Elterngeneration kauft eine Jugenderinnerung.
- Mit jeder Menge Blut und Boden drin. - Jetzt *** ich deinen Vater reden.
Gudrun, ich brauche dich.
Ich schaffe das nicht alleine.
(Gudrun) Es wird alles nichts. Ich muss nach Gmund.
Ohne padagogisches Aufbaustudium gibt es kein Geld mehr.
Ich kann nur noch am Wochenende zu dir. In der Woche wohne ich hier.
(flustert) Wir schaffen das.
Noch bevor du Lehrerin wirst, haben wir die erste Auflage verkauft.
- Und du meinst, dann... - Ja genau, dann kann er uns mal.
- (leise) Wird das ein Regenbogen? - (flustert) Nee, ein Fernseher.
- (Madchen) Spinnst du? - Das kann man wieder ankleben.
(Madchen) Das Huhn kann aber nie mehr richtig laufen.
- Dafur kann es besser fliegen. - Huhner konnen nicht fliegen.
Wenn du ihm gro?e Flugel malst, schon.
- Ein Huhn hat nur zwei Beine. - Meins hat eben drei.
Ja, dann wird das wohl so sein.
Warum bestatigen Sie die Kinder in ihrem Fehlwissen?
Wir mussen sie doch aufs Leben vorbereiten, Fraulein Ensslin.
(Vogelgezwitscher)
(entfernte Lautsprecherdurchsage)
Kannst du das weiterschreiben? Ich komme da einfach nicht weiter.
Eine Rezension fur den ersten Band?
Fur wen?
- Furs Nationale Deutschland. - Das ist nicht dein Ernst.
Wir sind pleite!
Du forderst kritische Diskussionen und biederst dich bei den Ultrarechten an.
Wir haben uns verkalkuliert. Es gibt noch 4000 Exemplare.
Die Auslieferung hat nur 500 angenommen.
Wir haben fast keine Vorbestellungen. Gudrun...
- Das sind potenzielle Kaufer. - Wei?t du, was du da tust?
Du sprichst mit Leuten, die vom Vierten Reich traumen!
Ich habe verstanden. Dann bleib halt Lehrerin.
Ich ziehe es alleine durch.
(Tur knallt laut zu)
Na ja, Band zwei ist jetzt in Planung. Der soll zur Buchmesse rauskommen.
Der erste Band hat viel Resonanz bekommen.
Das war hervorragend.
- Die sind ohne Fleisch, oder? - Nur mit Gemuse.
Die sind in keinem Rezeptbuch.
Aber fur besondere Gaste geht man manchmal neue Wege.
Wir dachten, der Sohn eines gluhenden Hitlerverehrers ist sicher Vegetarier.
Ich wei? nicht, ob Sie das wissen,
mein Vater blieb auch nach 1933 bekennender Christ.
Er war gegen das mytho-germanische Neuheidentum.
Mit Goebbels hat er sich komplett uberworfen.
Aber nicht mit Adolf Hitler.
(mit Nachdruck) Dem Fuhrer.
"So gelte denn wieder Urvater Sitte.
Es steigt der Fuhrer aus Volkes Mitte.
Herzog des Reiches, wie wir es meinen, bist du schon lange,
im Herzen der Deinen.'
Will Vesper, 1942.
Jeder Dichter machte einmal so etwas.
Sie wissen, dass er nie ein politisches Buch schrieb.
Wenn Sie weiterkommen wollen, mussen Sie sich der Wahrheit stellen.
Lhr Vater bleibt immer lhr Vater, den durfen Sie auch verteidigen.
Aber nicht den Schriftsteller.
(Tur wird geschlossen)
Schon zuruck?
Ist das ein Wetter.
- Gudrun? - Willst du auch einen Tee?
Ja, gerne.
- Habt ihr Uli wieder weggebracht? - Ist besser so.
Das war heute in der Post. " Eine Aufgabe furs nationale Deutschland.'
'Das nationale Deutschland sollte die Ausgabe von Will Vesper unterstutzen,
damit der Versuch des Verlags nicht zum Scheitern verurteilt bleibt.'
Das ist von dir?
- Ist euch klar, was ihr da macht? - Keine Sorge.
Wie kann man mit denen zusammenarbeiten?
Fur die ist Hitlers Krieg Propagandaluge.
- Und Soldaten wie du machten mit. - Ich hatte keine Wahl.
- Fur dich war es ein Abenteuer. - Was wei?t du denn?
Dann erklar, warum mich Mama zwei Jahre zu dieser Schei?amme gab.
Wegen dir.
Du warst zu klein, um dich zu erinnern.
Damit ist fur dich alles gut?
Dich wegzugeben, war fur mich viel schwerer als fur dich.
- Und dir war das egal. - Wie auch immer...
Das ist kein Grund, den Mist zu verbreiten.
Du warst nicht besser. Vesper wusste es nicht besser.
Du hast es durchschaut und trotzdem mitgemacht!
Du hast uberhaupt alles in deinem Leben nur halb gemacht. Alles.
Gudrun.
Du kannst es doch besser machen.
(Lautsprecherdurchsage) Der Zug nach Tubingen, geplante Ankunft 20:24 Uhr,
verspatet sich heute um etwa 20 Minuten.
(laute Beatmusik)
(lautes Stimmengewirr)
(Swingmusik)
(Frau) Hallo, Bernward.
(sie lacht)
Du kommst ja gar nicht mehr ins Seminar.
Ich mache im Moment etwas anderes.
(stumme Szene)
Komm.
(er summt leise vor sich hin)
Da bist du ja.
- Willst du auch einen Kaffee? - Ja, gerne.
- Es ist spater geworden gestern. - Hattest du einen schonen Abend?
- Ging so. Du? - Hatte Zeit zum Nachdenken.
Ja.
Ich habe die Abrechnung gemacht.
Immerhin 28 Bestellungen in den letzten Tagen.
Also 28 mal zehn Prozent vom Ladenverkaufspreis.
Einnahmen: Rund 50 Mark. Und Ausgaben fur Anzeigen von 322 Mark.
Das geht so nicht.
Wir sollten uns parallel etwas Neues aufbauen.
Es dauert noch ein bisschen mit dem Wasser. Guckst du darauf?
- (Telefon klingelt) - Ensslin, Verlag Neue Literatur.
Schon, dass Sie zuruckrufen.
Das Thema ist die atomare Bedrohung, Titel: ' Gegen den Tod".
Bislang sagten Arnold Zweig und Gunther Anders zu.
- (flustert) Und Heinrich Boll. - Und Heinrich Boll.
Dann fehlt ja nur noch lhr Essay.
Schaffen Sie es bis Monatsende?
Prima, ich bedanke mich. Auf Wiederhoren.
Heinrich Boll haben wir ja noch gar nicht.
- Na und? Der sagt sicher zu. - Mit Enzensberger sind es 20 Texte.
Hier ist noch die Einleitung. Kannst du die gegenlesen?
Du hast jemanden kennengelernt.
Na und? Du redest immer vom Dreieck, das nicht zur Geraden schrumpft.
- Was soll ich sonst tun? - Mich nicht so anglotzen.
- Ich bin deine Sekretarin, Lektorin... - Keiner zwingt dich dazu!
- Ohne dich ware ich langst in Berlin. - Dann hau doch ab.
Dann macht jeder, was er will.
(er ruft) Wunderbar! (Metall klappert)
Was?
Bring sie mit.
Du kannst sie mitbringen.
(leises Stohnen einer Frau dringt durch die Wand)
(Tur knallt laut zu)
(Turglocke)
(Turglocke)
Wenn Sie wegen Gudrun kommen, die ist nicht da.
Und wo ist sie?
Setzen Sie sich.
- Mochten Sie etwas? - Danke.
Darf ich Sie etwas fragen?
Lieben Sie meine Tochter?
Ich habe mich damals fur die Familie entschieden... entscheiden mussen.
Und ich habe diese Entscheidung nie bereut.
Aber ob Sie sich entschieden haben, bezweifle ich.
Unsere Liebe hat ihre eigenen Gesetze.
Darf ich Ihnen noch etwas sagen?
Gudrun ist unsere begabteste, aber auch unsere schwierigste Tochter.
(eine Schublade wird aufgezogen)
(Gudruns Vater) Waren Sie schon einmal in den Alpen?
Da mussen Sie hoch hinaus, aber das liegt Ihnen ja.
(es knackt)
Gudrun?
Gudrun?
Gudrun?
Gudrun.
Gudrun, was machst du denn?
Wie geht's?
Das wollte ich dich gerade fragen.
Ich habe mir gewunscht, dass du kommst und dann auch wieder gar nicht.
(er flustert) Wenn du das geschafft hattest...
dann ware alles zerstort.
Ich habe es nicht wegen dir getan.
Ich bin noch nicht stark genug. Das ist alles.
Ich will dich so lieben, dass du nicht mehr zu einer anderen gehen musst.
Ich habe heute Nacht getraumt...
dass wir beide nach Berlin gehen.
War es ein schoner Traum?
Du bist auf einem Elefanten weggeritten.
- Elefanten sind meine Lieblingstiere. - Die sterben bald aus.
Wohin bin ich denn geritten?
Das wusste niemand.
Lass uns neu anfangen. In Berlin.
(Beatmusik)
(Lied: ' Keep on Running" von The Spencer Davis Group)
Ich bin ein Berliner.
(Beatmusik lauft weiter)
Na toll.
Es werde Licht.
Dafur ist die Wohnung billig.
Fur die Arbeit uber Jahnn plane ich die nachsten zwei Jahre ein.
Bei der unsicheren Quellenlage ist das mutig.
Mit lhrem Stipendium ist es zu schaffen.
Sie waren als Austauschschulerin in den USA.
Was haben Sie fur ein Verhaltnis zu diesem Land?
Seit den Schussen auf John F. Kennedy keines mehr.
Das Attentat verursacht einen Burgerkrieg und dann einen Weltkrieg.
Das mussen Sie uns erklaren.
Kennedy hatte keinen au?eren Feind, er befriedete das Land von innen.
Er hatte alle Truppen aus Vietnam abgezogen.
Sein Nachfolger unterdruckt die Schwarzen wieder.
Er wei?, man braucht in der Situation einen au?eren Feind: Den Kommunismus.
Etwas kuhn, aber nicht schlecht.
(freudig) Ich hab's!
(sie lacht erfreut)
(er jubelt)
Dieser Roman ist exemplarisch fur die Dekadenz des Zeitgeistes.
Er ist obszon, ungerecht und blasphemisch.
- Und genau deshalb Literatur. - (Kritiker) Literatur?
Diesen Wortdurchfall nennen Sie Literatur?
Geschlechtsakte uber dem Mullkubel im Kolner Bahnof werden beschrieben.
Ich zitiere:
"Die warme, streng su? riechende, heilige,
katholische Mannertoilette... '
So gierig, wie Sie das vortragen, muss Sie das doch sehr erregt haben.
(Gelachter)
- Den Roehler kenne ich von der Uni. - Den musst du mir mal vorstellen.
Sie haben Hans Henny Jahnn gekannt, oder? Ich schreibe uber ihn.
Hans Henny?
Da werden Sie Jahre brauchen, um das aufzuarbeiten.
Ich habe ihn auf seinem Hof besucht.
Wissen Sie, was er mir angeboten hat?
Stutenurin.
Stutenurin?
Er...
Er dachte, dass das jung und schon halt.
Und Sie haben es getrunken?
Wollen wir uns nicht duzen?
(Bernward, aus Nebenzimmer) Geht gleich los.
Ja, ich, ah... kann dir etwas zusammenstellen.
Ich hab eine Menge.
Uber seine literarischen Liebeskonstellationen zum Beispiel.
Bei ihm verwirklicht sich die Liebe erst durch den Tod.
Erst durch Gewalt, durch Mord kann Sexualitat gelebt werden.
Guten Appetit. Trinken Sie Wein?
Ja, wenn er gut ist.
(Bernward) Also das ist erst der Anfang.
"Gegen den Tod" lauft sehr gut.
Damit finanzieren wir Luxuseditionen wie das hier:
Ein Gedichtband von Gerardo Diego.
Schon.
(Bernward) Ein Fruhwerk, da hat er noch so eine artistische Spielfreude.
Ja, die haben Sie ja auch.
Aber wenn man auch das Werk seines Vaters neu verlegt,
das braucht eine gewisse Gelenkigkeit, oder?
Wie lebt es sich denn so als Sohn eines Gro?schriftstellers?
Lermontow wurde sagen: ' Das Leben ist, kuhl und nuchtern betrachtet,
ein lacherlicher, vergeblicher Witz.'
- Hey. Hey! - Lies etwas vor.
Heute keine Spielchen.
Hast du dich mal gefragt, was dein Vater wirklich getan hat?
Du willst es gar nicht wissen.
Roehler hat gesagt, dass er die Bucherverbrennung organisiert hat.
(Tur knallt zu)
(Erster Mann) Die ist fertig. Der Vogel kommt nicht mehr ubern Zaun.
(Zweiter Mann) Der Broiler ist am A...
(Roehler) Darf ich vorstellen? Gudrun Ensslin, Literaturdoktorandin.
Bernward Vesper, Verleger, Lektor. Noch kein SPD-Mitglied.
Wann treten Sie ein? Oder soll unser Land nie in der Demokratie ankommen?
Was haben Sie sich denn da umgebunden? Das brauchen Sie bei uns nicht.
So.
(Mann) Es ehrt uns, dass hier die aktuelle und kommende Elite
deutscher Schriftsteller und Verleger versammelt ist.
Harry, komm, sag, was du uns zu sagen hast.
Also kurz und gut, es ist Wahlkampf, und die SPD braucht euch.
- Das glaube ich auch. - Verbessert unsere Manuskripte.
Reagiert tagesaktuell darauf, was die CDU sagt.
Entwerft Slogans, die besser sind als unsere.
Hast du das Paket fur mich zusammengestellt?
Welches Paket? Habe ich Weihnachten verpasst?
Fur meine Arbeit uber Hans Henny Jahnn.
- Ring frei. Wer schreibt mit? - (Gudrun) Kann ich?
- (Mann) Bitte schon. - 'Wer CDU wahlt, wahlt Demokratie ab.'
- (Mann) Das ist doch ein Anfang. - (Zweiter Mann) Sehr gut.
'Der Frau treu bleiben, die Partei wechseln. SPD.'
(Gelachter) (Roehler) Gro?artig! Komm.
Schreib das auf, sonst vergisst du Gudruns schone Ideen.
- Bin ich euer Sekretar? - (Mann) Jedem das Seine.
Mitschreiben macht frei.
Bernward sagte neulich: ' Das Leben ist, nuchtern und kuhl betrachtet,
ein lacherlicher Witz.'
- Manchmal auch ein tragischer. - (Mann) Kommt, eure Vorschlage!
Jetzt schau doch nicht so.
(Mann) Was sagst du?
(Zweiter Mann) " Warum auswandern? Wahlen Sie erst SPD."
(Mann, uber Funk)
(*** entfernen sich)
(Kratzgerausch)
Komm herein.
Das ist alles, was ich habe. Setz dich.
Deine Hand...
Die gefangenen Vietcongs mussen ihre Hande an die Wangen legen.
Dann bohren die einen Draht durch Hand und Wange
und die andere Wange und Hand.
Und deswegen musst du deine Hand aufratschen?
Das nennen die dann "einen Vietcong hubsch verpacken".
Du bist nicht fur das Elend der ganzen Welt verantwon'tlich.
Was bist du nur fur ein saturierter Sack?
Ich gehe dann besser.
Du wei?t doch gar nicht, wohin.
(Bernward) Gudrun.
Was?
Fur unsere Reisen. Im Winter, als du im Schnee lagst...
Hast du uberlegt, was du dir mit dem Herumgeficke beweisen musst.
Wei?t du es jetzt?
Alles Gute.
Du erschlagst einen ja.
Ausblasen.
Das sind so viele.
(sie atmet angestrengt)
Das ist nicht einfach, so ein Tag.
Die hab ich selbst gemacht.
- Backt deine Gudrun nicht? - Die schreibt ihre Doktorarbeit.
Jetzt werden es bald drei Jahre.
Es ware schon, fur deinen Vater eine gro?ere Feier zu machen.
- Fur die Wegbegleiter und uns. - Keine offentliche Zeremonie.
Es ist ein Zeichen politischen Anstandes.
Du wei?t, was er zu Hitlers Geburtstag schrieb.
Dein Vater hat immer Haltung gezeigt.
Du konntest ruhig etwas dankbarer sein.
Das musst du mir erklaren.
Ja, ohne den Fuhrer hatte es dich doch gar nicht gegeben.
Dein Vater wollte keine Kinder.
Der Fuhrer hat sich Nachwuchs gewunscht.
(belustigt) Dem konnte man sich ja nicht entziehen.
(er atmet angestrengt)
Bernward?
Bernward?
Bernward?
(ruft) Mach auf. Ich wei?, dass du da drinnen bist!
Komm da raus. Komm raus!
Raus, raus, raus.
Das Wasser ist ja eiskalt. Komm, komm.
(sie stohnt und schreit)
(sie atmet hastig)
(*** nahern sich von drau?en)
(eine Trompete ertont, es wird an ein Glas gesto?en)
(Mann) Als ihr, liebe Gudrun, lieber Bernward,
mit der Entscheidung fur eine Verlobungsfeier zu uns kamt,
waren wir nicht wenig uberrascht,
denn nach den vielen Jahren eures Erprobens und Suchens
hatten wir ein solches Bekenntnis gar nicht mehr erwartet.
Umso mehr freue ich mich,
heute diese Verlobungsfeier hier
unter bluhenden Baumen feiern zu durfen.
Ich muss eingestehen, dass es mir nicht leichtfallt,
meine geliebte Tochter gehen zu lassen.
Aber es ist dein Leben, Gudrun.
Und dein Gluck ist auch meines und das der Familie.
(Applaus)
(Vogel zwitschern, Grillen zirpen)
(schnelle Rock-and-Roll-Musik)
Vielleicht passen die beiden ja doch gut zusammen.
(er singt auf Englisch zu Rock-and-Roll-Musik)
(sanfte Jazzmusik)
(Stimmen sind unorbar)
(Kiesinger) Ich schwore, dass ich meine Kraft
dem Wohle des deutschen Volkes widmen,
seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden,
das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen,
meine Pflichten gewissenaft erfullen,
Gerechtigkeit gegen Jedermann uben werde.
So wahr mir Gott helfe.
(Sprecher) Nach 14 Jahren Adenauer, drei Jahren Erhard
und funf Wochen Regierungskrise: Man lachelt.
Wenn die CDU mit der SPD kooperiert, gibt es bald Notstandsgesetze.
Du tust, als komme bald die SA.
Kiesinger machte die Nazi-Rassengesetze hoffahig.
Die SPD rollt ihm den roten Teppich aus.
Wann trittst du aus?
- Das beeinflusst man nur von innen. - Das dachten 1933 auch viele.
Willst du die Machtergreifung damit gleichsetzen, was die CDU plant?
Nein, aber vergleichen.
Dank seines Vater wei? er, wo das Bose schlummert und wie man es bekampft.
- Wir konnen ihm danken. - (Gudrun) Ja.
Weil er etwas begriffen hat, im Gegensatz zu dir.
So? Ich lese jetzt mal meinen begriffslosen Entwurf vor.
- " Die SPD-Fuhrung erweist sich als... ' - Gro?artig.
Danke.
(Verleger flustert) Ich habe etwas fur Sie.
Ich suche fur meinen Verlag einen Herausgeber
fur eine Reihe kleiner Broschuren, die Stellung beziehen.
Mit denen man auf die Gesellschaft einwirken kann.
(flustert) Das ist genau, was ich suche.
'Unsere intellektuelle Autoritat wird im Partei-Kungel missbraucht.
Wir stehen fur diese Vereinnahmung nicht mehr zur Verfugung."
Jahrlich vier Bande und wir haben unsere Fixkosten schon wieder drinnen.
Dann noch die Umsatzbeteiligung.
Wir bekommen ein Kind.
(er lacht erfreut auf)
Ich habe es mir immer gewunscht.
(Frau) Guten Tag.
(Mann) Es geht hier nicht um einen Reisefuhrer.
- Es wird scharfer, hei?er. - (Frau) Gut, dass du kommst.
(Mann) Hier... das muss in den Band. Es kommt frisch aus unserer Presse.
Sie wollen dazu aufrufen, Kaufhauser anzuzunden?
(Mann) Damit auch wir ein knisterndes Vietnam-Gefuhl haben.
Das ist menschenverachtend.
Jetzt mach dir mal nicht ins Hemd.
(Bernward) Wir sind der Motor der neuen Opposition.
- Das zeigen die Vorbestellungen. - 5000?
- 12000. - Gratuliere.
- Gudrun ist am Telefon. - Ja, spater.
Sie ruft aus dem Krankenaus an.
Und?
Wir konnen kurz hineingehen, wenn er schlaft.
(Bernward) Vier Zimmer, Wohnkuche, gro?es Bad.
(Lied: " Summer in the City' von The Lovir Spoonful)
(Musik lauft weiter)
(stumme Szene)
(Musik lauft weiter)
Schlaft Felix schon?
Ja.
- Die haben in die Menge geschossen. - Ich habe es im Radio gehort.
Die schie?en auf hilflose Leute.
(Turklingel)
Mach nicht auf.
(uberrascht) Ruth.
Man erkennt dich ja kaum wieder. Komm rein.
- Ich dachte, du kommst um halb neun. - Stimmt ja auch. Es ist fast zehn.
Schon, dass du da bist.
Rube.
Na, wie gefallt dir dein neues Kindermadchen?
Dir bleibt noch Zeit fur anderes. Du hast schlie?lich Ferien.
Papa sagt, ich soll dafur sorgen, dass du deine Arbeit schreibst.
Seit wann nimmst du denn den ernst?
Ist der Student jetzt eigentlich tot?
Vielleicht wollte der Polizist ihn nicht erschie?en.
Ich habe gesehen, dass sie uns hassen.
Was man hasst, bringt man um.
Fruher beschossen sie Russen, heute uns.
Viele wurden so etwas nie tun. Papa etwa.
Obwohl er das Unrecht erkannte, kampfte er als Soldat.
Das ist noch viel schlimmer.
Den Vorwurf will ich mir nicht machen lassen.
Etwas erkennen und trotzdem nichts tun?
(Felix brabbelt)
(Mann) Es gibt taglich Demonstrationsverbote,
Verhaftungen, Schwerverletze und einen Toten.
Wir durfen keiner angeblich demokratischer Ordnung mehr folgen.
Wirtschaftswunder ankurbeln, KZs bauen, Menschen vergasen.
Solche Leute sind das.
Wir mussen in die Geschichte eingreifen.
Ich war im Knast, da spricht man die Sprache, die die Schweine verstehen.
Man labert nicht von Widerstand. Da schlagt man zu.
- Wer ist das? - Der ist uns zugelaufen.
Er geht noch in die Lehre bei uns...
(Stimmengewirr aus dem Nebenzimmer)
Habe heute in einer Kneipe ein paar Brieftaschen abgefischt.
Ofter hier?
- Warum warst du im Knast? - Keinen Fuhrerschein. Das reicht.
Entweder du steckst ein, oder du fickst die anderen.
Und du fickst lieber die anderen?
Na, das ist genau der Punkt, wo es politisch wird.
Nachste Woche fahre ich nach London.
Da treffe ich Leute aus Amerika, "Black Panther'.
- Und wer bezahlt das? - Der Verlag.
Faschismus ist nicht nur ein deutsches Problem.
- Wir brauchen mehr als Bucher. - Erst muss ein neues Bewusstsein her.
Sich aus dem Geiste der Literatur neu erfinden, ja?
Warum musst du deine schei? moralische Uberlegeneit immer vor dir hertragen?
(Mann, auf Englisch)
(lauter Jubel, Applaus)
Rauchbomben an markanten Orten, so als bengalisches Feuer.
- Wir sind nicht beim Fu?ball. - Im Turm der Gedachtniskirche.
Ich fande es gut, das Teil gleich in die Luft zu sprengen.
Was der zweite Weltkrieg nicht schaffte, bringen wir.
- Gehst du noch in die Kirche? - (Gelachter)
(Mann uber Megafon) Unsere Alten waren im Dritten Reich Opfer oder Schuldige.
- Genau das wollen wir nicht mehr sein. - Es muss gleich losgehen.
(Mann uber Megafon) Als der Schah nach Berlin kam,
feierte der Faschismus hier Verbruderung.
...faschistischer Diktator... - Schei?kabel.
Die sind sicher aus dem Osten. (lauter Knall)
(Menschen reden aufgeregt durcheinander)
(Bernd uber Megafon) Glotzt nicht so blod. Lhr konnt uns vergasen.
(Mann) Geht doch ruber. Ab uber die Mauer mit euch.
- (Gudrun) Wir erreichen die nie. - Mit Flugblattern nicht.
Aber mit Dynamit, oder was?
(Polizeisirenen)
Du denkst nur an das Mogliche, das ist dein Fehler.
Abmarsch!
- Ist der von deinem Vater? - Meinem Vater? Nein.
Der ist tot. Er war Widerstandskampfer.
- Nach dem sind Stra?en benannt. - Auch in Berlin?
Nein, hier nicht. Dafur gibt es hier bald eine Andreas-Baader-Stra?e.
- (sie lacht) - Ja! Warte es ab.
(singt melancholisches Lied auf Englisch)
(Stimmengewirr)
We would send you back to hell
lt's never over
(sie singen gemeinsam)
Lt's never over Because we won't give up
No, any way, any day soon
Laughter, later on I still see your eyes
Twinkling and inviting me They promise paradise
Now my only sorrow
Is ticking on the wall
Chasing ever forwards and backwards
Nevermore
(sie kichern)
(Musik aus der Bar lauft leise weiter)
(Musik lauft weiter)
(Schuhe fallen auf den Boden)
(Musik lauft weiter)
(Musik verklingt)
(Vogelgezwitscher)
Hast du mal mit einem Mann?
Hast du mal mit einer Frau?
Ich habe mich nie getraut.
- Das ist dein zweiter Fehler. - Du hattest Lehrer werden sollen.
Ich war auf keiner Schule langer als drei Monate.
Ja, das merkt man.
Ich war viel unterwegs.
- Ausland und so. - Wo denn?
Monte Carlo.
Autorennen war Familientradition.
Warum erzahlst du mir Geschichten, die du selbst nicht glaubst?
Also...
Mein Opa... hatte eine gro?e Fabrik im Saarland und richtig viel Asche.
Und der... ist solche Rennen wirklich gefahren.
Spater war dann alles weg. Krieg und so.
(er seufzt tief auf)
Wir hatten nichts.
Gar nichts.
Und deshalb nimmst du dir jetzt alles.
Auch, wenn es dir gar nicht gehort.
- Hallo. - Hallo.
Hallo, Bernward.
(flustert) Er ist gerade eingeschlafen.
- Ist alles okay? - (sie brummt zustimmend)
Wir haben ein neues Projekt.
Texte aus dem US-Widerstand. Black Panther.
(Toilettenspulung)
- Kannst du das ubersetzen? - Mach ich gerne, klar.
Hi.
Hi.
- Alles klar? - Ja, in London geht es ab.
- Schon mitdiskutiert? - Gab es keinen anderen zum Ficken?
Kleiner Tipp: Schreib ein Buch druber. Soll helfen.
(Telefon klingelt)
Ja.
Hallo, Mama.
Ahm... Geht gerade nicht.
Ich kann da jetzt nicht hineingehen.
Wenn du es unbedingt wissen willst, die vogelt.
Na, ficken! Wie sagst du denn dazu?
Nein, nicht mit Bernward. Mit jemand anderem, ja.
Bernward? Ich schaue mal.
(Tur quietscht)
(Felix quengelt)
Ja?
Jetzt spul dich mal nicht so auf.
Ich muss euch gar nichts erklaren.
Schei?e, was?
Geht gerade nicht.
Andreas?
Also liegt es an mir?
Als du mich vor Roehlers Haus abgefangen hast, als du irgendeine...
Jetzt nehme ich mir, was du dir genommen hast.
Das ist doch gar nicht schlecht, oder?
Sie sollen dazu aufgerufen haben, Kaufhauser anzuzunden.
Zitat: " Es sollen auch Kaufhauser in Berlin brennen,
damit die Bevolkerung endlich auch ein knisterndes Vietnam-Gefuhl bekommt."
Die Angeklagten verstehen ihr Machwerk als Satire.
- Genau wie Sie, Sie Machwerk. - (Gelachter)
- Lauft doch wunderbar da drinnen. - Du wei?t nicht, worum es hier geht.
- Schone Hose hast du an. - Lauf mal den Ku' damm entlang.
Wie oft horst du: ' Hitler hat vergessen, dich zu vergasen."?
Funf Mal? Zehn Mal bestimmt, wenn nicht mehr.
Wer wei?, ob die nicht morgen Ernst machen? Der tote Student war nichts.
Die legen jetzt richtig los. Wir sind als Erste dran.
Dann sagst du: " Das war nur ein Witz.' Wie gerade eben.
- " Es war nicht so gemeint.' - Man braucht uns drau?en.
Warum sagt ihr nicht, die Kaufhauser sollen wirklich brennen?
- Es konnten Menschen brennen. - Das macht man nachts.
Wen willst du mit angekohlten Tiefkuhlhahnchen mobilisieren?
Euch Nuckelpinnen bestimmt nicht.
(ein Kind redet unverstandlich)
(Baby brabbelt)
Der kleine Mo wunscht sich etwas.
Was wunscht sich denn der kleine Mo?
Dass du morgen mitfahrst.
Nach Frankfurt.
Und ich will es auch.
Ist Andreas da?
(sie kichern)
Oh.
- Ich wollte mich kurz verabschieden. - Von wem?
Ich fahre auf die Messe.
- Wir stellen da unser Buch vor. - Schei? Bucher!
Damit anderst du nie etwas.
Aber das wei?t du doch.
Darum geht es doch gar nicht.
- Warum willst du gehen? - Wir fahren zu dritt mit Felix.
Dann geh doch zu deiner schei? Kleinfamilie!
Fass mich nicht an! Nie mehr.
(Tur knallt zu)
Ich prasentiere Ihnen die Flugschrift
'Black Power, Ursachen des Guerilla-Kampfes in den USA".
Carmichael begrundet in diesem Essay
die Abkehr von der erfolglosen Strategie der Gewaltlosigkeit.
Ubersetzt hat Gudrun Ensslin, die ebenfalls anwesend ist.
Wenn Sie Fragen haben, auch zum neuen Programm, Sie zum Beispiel...
Sie rufen in lhrer Broschure zum gewaltsamen Sturz
unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung auf.
- Das wurde ich so nicht sehen. - Sie schreiben im Vorwon't:
"Protest muss zu Widerstand mit Gewalt werden.'
Das ist ein Gewaltaufruf. Wer legitimiert Sie dazu?
Erfahrenes Unrecht legitimiert Carmichael.
- Ich spreche von Ihnen. - Und ich vom Buch.
- Er hat ein anderes Umfeld. - Sie distanzieren sich?
Carmichael ist wichtig, weil er wei?, dass Gewaltlosigkeit nichts bringt.
Man erschie?t Anfuhrer und Demonstranten.
Ich interviewe Herrn Vesper.
Wer fur eine gerechte Welt kampft, wird vernichtet.
Carmichaels Aufruf zum Kampf ist nur Notwehr!
Erst schreiben, dann sagen: "Es ist nicht so gemeint.'
Nur so erreichen wir Leute, die uns nie lesen wurden.
- Du hast nichts kapiert. - Carmichael schreibt:
"Go home. Kill your parents, hang yourself.'
Damit es weniger Wei?e gibt, das ist sein Kampf.
- Er hat mehr Schei?e gefressen. - Dann tu es doch.
Worauf wartest du noch?
(Baby schreit)
- (Mann) Hier die Neuerscheinungsliste. - Das hier ist ubrigens interessant.
(Telefon klingelt)
Hallo?
(Mann) Kommunistenpack! Euch hat Hitler vergessen.
(*** nahern sich)
- Bitte, ich will einfach nur... - Ich muss fur mich sein.
Ich mache dir einen Kaffee, und dann gehst du wieder.
(Andreas) Hast du gehort? Der Vietcong sturmte die US-Botschaft in Saigon.
Jetzt geht es uberall los: Paris, Tokio, Brasilien, London.
Nur im verpennten Deutschland passiert nichts.
Wankt der Riese, muss nachgetreten werden. Und einer muss damit anfangen.
Was bist du nur fur ein bloder Arsch!
Ja.
Und jetzt?
- Wir machen weiter. - Nein, wir machen nicht weiter.
Lass es uns besser machen als alles, was war und was kommt.
Nach uns kommt sowieso nichts mehr.
(Sprecher) Saigon, Sudvietnam.
Der verbissene Kampf um Platze und Hauser
wandelte das Gesicht des Krieges.
Jetzt kampft der Einzelne, in kleinen Trupps oder auf sich allein gestellt.
Zu schnell war der Vietcong gekommen.
(Schusse fallen)
Amerikanische Gls und ihre Verbundeten haben wenig Grund zur Gelasseneit.
Die Zahl der Toten, auch der eigenen,
markiert einen neuen Abschnitt im Vietnamkrieg.
(Rudi Dutschke) Wir haben in der Tat nicht sehr viel Zeit.
Wir haben nicht Zeit, uns jetzt langsam und sicher
auf eine Periode vorzubereiten,
sondern wir stehen schon im tagtaglichen Kampf.
Und jeder hat sich mehr denn je direkt zu beteiligen.
Sich als Organisator in der Praxis zu bewahren.
(unverstandliche Sprechchore)
So... Nachste Woche brennt das KaDeWe.
Einmal oben, einmal unten.
Nicht jeder Gedanke muss zur Tat schrumpfen.
Wenn hier einer schrumpft, bist du das.
- Den Wahnsinn mache ich nicht. - (Gudrun) Du verstehst das nicht.
In Vietnam ist seit zwei Jahren Volkermord.
Das andern brennende Kaufhauser nicht.
Hier steigen Flugzeuge mit Waffen und Bomben auf.
Du siehst die Morder bei der Arbeit.
Wir tun das, damit Leute wie du sich nicht hinter ihrer Feigheit verbergen.
- Ich mache auch etwas. - Was denn?
Wenn ihr das Zeug ins KaDeWe legt, gehe ich don't einkaufen.
Und wenn Gudrun hier einzieht, hast du da auch etwas dagegen?
Bernward? Bernward?
Andreas und ich fahren weg.
Wenn wir zuruckkommen, wohne ich hier nicht mehr.
- Und wohin geht es? - Nach Frankfurt.
- Wie lange? - Open End.
- Wir werden da etwas machen. - Und was?
Das wirst du schon noch sehen.
- Und was ist mit Felix? - Er bleibt bei dir.
- An ihm habe ich nie gezweifelt. - Ja, das merkt man.
Nein.
(er schluchzt)
(beide weinen)
- Mach es uns nicht so schwer. - Warum? Warum jetzt?
Weil wir was gecheckt haben: Reden ohne Handeln geht nicht.
Wei?t du, ich finde es gut, dass ihr etwas macht.
Man muss etwas machen. Ich...
- Ich mache auch etwas. - Mehr als Bucher.
Ja.
Du musst mir Zeit geben. Ich... Ich bin nicht so schnell.
Geh jetzt.
(au?er sich) Hau ab! Jetzt geh!
(Tur wird geoffnet)
(Tur knallt zu)
(Sprecher) Zwei Kaufhauser der Frankfurter Innenstadt
brannten in der Nacht zum 3. April dieses Jahres.
Der Sachschaden wurde mit zwei Millionen Mark angegeben.
Feuerwehr und Polizei entdeckten in den Trummern
Reste von Brandsatzen und elektrischen Zundern.
Zwei Tage spater fuhrte eine Anzeige zur Verhaftung von vier Verdachtigen.
(sanfte Jazzmusik mit weiblichem Gesang)
(Musik verklingt)
Entschuldigung, ich habe Anweisungen, nachzusehen, ob Sie noch leben.
(Zellentur wird geschlossen und verriegelt)
Gudrun ordnet sich leicht unter.
Sie macht Dinge, die sie im Nachhinein nicht gemacht hatte.
Was wollen Sie damit sagen?
Mit was muss sie schlimmstenfalls rechnen?
Sechs Jahre.
- Tut mir leid, es ist spater geworden. - Komm schnell hinein.
(Stimme aus TV) Du sollst ihn nicht davor setzen.
...Rudi Dutschke niedergeschossen. Der Tater erlauterte, warum er es tat.
Er hielt den Zonenfluchtling Dutschke fur einen Kommunisten
und wollte ihn darum toten.
Jetzt ist Krieg.
Man fragt sich, woher der Tater wusste, dass Dutschke Kommunist ist
und wie er auf die Idee kam, dass man Kommunisten totmachen durfe?
(Felix weint)
Felix?
(Bernward) Heute stand ich mit ihm am Fenster. Der Mond kam.
Ich erklarte ihm, dass da oben der Mond, und wir auf der Erde sind.
Und er wollte hochklettern zum Mond.
Wir sprachen leise, da schon alles schlief in der Stadt.
Der Mond wollte auch schlafen unter der Wolkendecke.
Er legte den Arm auf meine Schulter,
und wir hatten uns viel ganz heimlich zu sagen.
(Bernward) Die Dutschke-Sache machen wir, exklusiv.
Wir drucken all die Hass- und Liebesbriefe, die er bekommt.
- 50000? - Mehr.
(lauter Knall)
(Bernward atmet zitternd) Alles gut. Ist nichts passiert.
"Kommunistenschweine.'
(Bernward) Bernd, hor auf. Ich brauch einfach bessere Konditionen.
2500 Grundgehalt mindestens.
- Dazu die 500... - Fur den Wachschutz?
Nein, fur etwas anderes.
Meine Freundin sitzt im Knast.
Ja, gute Anwalte sind teuer.
Frau Ensslins verbindliche Idee wurde ein Satz von Peter Wei?:
"Die Verbrechen in den KZs sind so schlimm,
dass wir sie im Leben nie bewaltigen.'
- (Richter) Sie sind kein Gutachter! - Aber nach Auschwitz folgte Vietnam.
Gudrun Ensslin demonstrierte mit dem Baby gegen Waffen.
Man griff sie an, nicht die Waffen.
Das ist symptomatisch, wie die Gerichtsverhandlung zeigt.
- Nicht das Verbrechen wird bekampft... - Ich entziehe Ihnen das Wort!
Verurteilt werden Matratzenverbrenner,
aber nicht die, die Kinder in Vietnam verbrannten.
- Die Sitzung ist unterbrochen! - Das glaube ich auch.
Lhr Schei?faschisten!
(alle rufen durcheinander)
Lm Brandstifterprozess wurde heute das Urteil verkundet.
Die Angeklagten Baader und Ensslin sowie zwei weitere Mitangeklagte
werden zu Zuchthaus von je drei Jahren verurteilt.
Nach dem Urteil gab es tumultartige Szenen im Zuschauerraum.
(Tur wird geoffnet)
(Gudrun) Welche Ehre.
Darf ich mich setzen?
Sie sagten in der Verhandlung,
Sie mussen etwas tun gegen die Gewalt in Vietnam.
Das hat mich erreicht.
Sprechen Sie als Anstaltsleiterin oder ist das privat?
Da mache ich keinen Unterschied.
Bei aller Ubereinstimmung, in einem Punkt verstehe ich Sie nicht.
Wen wollten Sie mit der Tat erreichen?
Welcher Arbeiter oder kleine Angestellte
hat sich mit Ihnen solidarisiert?
Wenn Sie die nicht mit einbeziehen, die sie befreien wollen,
wie wollen Sie lhre Ziele erreichen?
Fidel Castro besiegte in Kuba mit ein paar Hundert eine Armee.
Was dem europaischen Sozialismus-Kampf fehlt,
ist genau das wahnsinnige Element.
Sie wollen also mit Gleichgesinnten den USA den Krieg erklaren?
Sie haben ein Kind, Fraulein Ensslin.
Sind Sie gekommen, mich daran zu erinnern?
Nein.
Ich wollte nicht, dass Sie diesen Brief... alleine uberreicht bekommen.
Wenn Sie meine Post offnen, konnen Sie mir auch sagen, was darin steht.
Lhr Bruder hat sich das Leben genommen.
Wie?
- Er erhangte sich auf dem Dachboden. - Wer hat ihn gefunden?
- Das wei? ich nicht. - Sie wissen es.
Lhre Schwester Ruth.
Wie kann jemand wie Sie Anstaltsleiterin sein?
Ich wei?, was Sie von mir denken:
"Jemand, der fur ein Unrechtssystem arbeitet, ist ein Teil davon."
Ich bewege mich in den Niederungen der kleinen Veranderungen.
Vier *** vor und drei zuruck. Man darf nicht aufgeben.
Und Sie durfen es auch nicht.
Felix fangt jetzt an zu sprechen.
Wenn ich ihm von dir erzahle, dann sagt er: "Gulun".
Gulun.
Erzahl so etwas nicht.
Er greift in lange blonde Haare, wenn er sie sieht.
Bernward, solange es Felix gibt, gibt es auch uns.
Nimmst du Zeugs?
Kahle Wand, Tasten, leeres Blatt, Walze, Acid und ich.
Ich muss Klarheit schaffen.
Ich zieh die Lugen... mit langen Haken... aus ihren Hohlen.
Wer braucht das?
Du.
Andreas.
Leute, die vor sich weglaufen, die brauchen das.
- Komm endlich in der Gegenwart an. - Wer bin ich denn eigentlich fur dich?
Einer, der nichts fur die Revolution tut, der zu feige und zu kaputt ist?
- Nein, das ist es nicht. - Dann sag es mir doch.
Sag mir doch, woran es liegt.
Wir haben verschiedene Auftrage.
Wer hat dich denn beauftragt und zu was, um...?
(Tur wird geoffnet)
Sie kommen heraus, bis uber die Revision entschieden ist.
So ist das mit den Niederungen der kleinen ***.
(es klingelt)
Ist Andreas da?
(Andreas) Auch schon da?
(flustert) Ich kann nicht warten.
- Nicht morgen. Heute. - (Mann) Heute kann ich nicht.
Du rauchst jetzt eine, entspannst dich. Dann kannst du, Alter.
(sie atmen erregt)
(Gudrun) Komm her.
(er stohnt)
(sie atmet erregt)
(er stohnt)
(stumme Szene)
Hallo?
Bernward?
(erfreut) Felix?
Ich bir s, die Gudrun.
(au?er sich) Wann kapierst du endlich, worum es geht?
Schreibt ihr zusammen? Du hast dir wieder den Schei? reingezogen?
Stor ich?
Mir sind ein paar Sachen klar geworden.
Erstens: Der Ruckzug ins Private ist ein Fehler, da hat Andreas recht.
Zweitens: Aktionismus bringt uns nicht weiter.
Konsumtempel abzufackeln brachte uns Sympathie nicht, wo wir sie brauchen.
Die Arbeiterschaft halt uns fur Idioten.
Suchen wir unser Potenzial bei denen,
die ein Bewusstsein ihrer Unterdruckung haben:
Lehrlinge, Heimjugendliche, Psychiatriepatienten.
Die Gesellschaft hat sie krank gemacht.
Aus ihrer Krankheit machen wir eine Waffe.
Und wenn wir damit nicht weiterkommen, dann bleibt immer noch Plan B.
(flustert) Ein bisschen Gras dazu. (Telefon klingelt)
Ja. Gudrun.
Bist du noch in Frankfurt?
Nein, ich bin raus aus dem Verlag. Ich kann nicht einmal die Miete zahlen.
(verzweifelt) Du kannst mich jetzt nicht allein lassen.
Ich werde hier gebraucht.
Wenn du es mit Felix nicht schaffst, musst du ihn weggeben.
Die Revision ist heute abgelehnt worden.
Setz dich.
Lhr werdet das Jahr absitzen mussen.
Das kann jetzt schnell gehen mit dem Haftbefehl.
Alles au?er Knast. Das versteht sich von selbst.
Also Plan B.
(Felix weint)
(es klingelt)
- Wo ist Gudrun? - Kann ich dir nicht sagen.
- Wir duschen, dann gehen wir. - Lhr habt nicht angerufen.
Wir werden gesucht, das wei?t du doch. Ich gehe zuerst.
Wir mussen eine Zeitlang verschwinden.
Ich will nicht etwas erkennen und dann nichts tun.
Griechenland, Spanien sind schon faschistisch,
bald auch Italien und Deutschland.
Das klingt, als sehntest du den Faschismus herbei.
Und wenn er nicht kommt?
(*** nahern sich) (Frau) Bernward?
Warum machst du denn nicht auf?
Es gibt sieben Welten der Angst.
Ich habe sie alle gesehen.
Ich bin Fallschirmspringer.
Mir passiert nichts.
- Karla. - Lange nicht gesehen.
(Verleger) Das kann ich nicht. Konnt ihr das ubernehmen?
Das dauert noch einen Moment. Mochtest du einen Kaffee?
(Radiosprecher) Der steckbrieflich gesuchte Kaufhaus-Brandstifter Baader
wurde bei einer Polizeikontrolle festgenommen.
Weiterhin fluchtig ist die 29-jahrige Gudrun Ensslin.
Und nun zum Wetter.
Atlantische Tiefauslaufer ziehen nach Osten.
(Radioton verklingt)
Das kommt von innen.
Ja, das merkt man.
Das Buch ist ein Trip.
- "Die Reise". - Ja.
So eine pillengeschwangerte Abrechnung interessiert keine Sau.
Schreib es fertig.
- Ich glaube daran. - (unglaubig) Ja, ja.
(es klirrt)
(es kracht)
(*** nahern sich)
Siehst du nicht, was hier los ist?
Jetzt *** du dich mal um Felix.
(Bernwards Stimme) Ich spurte die Verlasseneit,
die materialistische Gesamttheorie... Geografie, die sich darin bestimmt...
(seine Stimme uberlagert sich in verschiedenen Zitaten)
Diese gottverdammte Existenz hat sich an mich geklebt wie ***.
Die Formel unserer Krankheit... Ich bin darauf angewiesen...
(seine Stimme uberlagert sich mehrfach in unverstandlichen Zitaten)
Ich bin am Ende und am Anfang.
Ich bin noch nicht fertig. Ich bin noch nicht fertig.
(es sind weiterhin Wortfetzen mit Bernwards Stimme horbar)
(er ruft etwas Unverstandliches)
(Bernwards Stimme flustert Wortfetzen)
Ich bin... noch nicht fertig.
Ich bin noch nicht fertig.
Der Herr segne euch und preise dich wie im Guten und im Bosen.
- Und in schlechten Zeiten. - Jetzt ist gut. Kommen Sie runter.
- Wir mussen Sie mitnehmen. - Ich wollte alle segnen.
Damit ihr ihr nichts tut!
- (Bernward ruft laut) Gudrun! - (Polizist) Komm, pack an.
(Radiosprecher) Die bewaffnete Entfuhrung war kurz nach elf Uhr
im Dahlemer Zentralinstitut fur soziale Fragen.
(Gudruns Stimme) Glaubten die Schweine, wir konnten Andreas Baader
im Kampf gegen den US-lmperialismus zwei bis drei Jahre entbehren?
Die Baader-Befreiungsaktion mussen wir nicht intellektuellen Schwatzern,
Hosenschei?ern, Besserwissern erklaren,
sondern den potenziell revolutionaren Volksteilen.
Denen haben wir zu sagen, dass jetzt Schluss ist.
Dass es jetzt losgeht.
Dass die Befreiung Baaders nur der Anfang ist.
(Radiosprecher) Ein Institutsangestellter
wurde durch einen Bauchschuss lebensgefahrlich verletzt.
'Als die Katze tot war, sprach ich nicht mehr uber sie.
Etwas spater traf ich eine Nachbarin.
' Ich habe die Katze erschosser sagte ich.
Sie sagte: ' Nein, das warst nicht du.'
' Doch', sagte ich. Ich konnte nicht ertragen, dass Vater es getan hatte.'
Also schreiben konnen Sie.
Ich komme nicht weiter.
Gehirn ist kaputt.
Am Wochenende haben Sie doch Ausgang, oder?
Ja.
Dann sollten wir vielleicht bald uber lhre Entlassung nachdenken.
Haben Sie Plane?
Copyright © 2011 TITELBILD, Berlin Untertitel: Andreas Heinle u. A.