Tip:
Highlight text to annotate it
X
Straßenlärm, lautes Durcheinander. Für Menschen mit Hörschäden ist es extrem schwierig, sich hier noch zu unterhalten.
Noch schlimmer ist es für völlig taube Menschen, kein Ton, kein Geräusch, keine akustische
Information erreicht sie mehr. Doch sogar völlig tauben Menschen kann die
Wissenschaft ihren Hörsinn wieder geben, mit sogenannten Cochlea-Implantaten -- den
ersten alltagstauglichen Sinnesprothesen. Am Zentralinstitut für Medizintechnik der
Technischen Universität München erforscht Professor Werner Hemmert die Grundlagen dazu.
Ein Hochleistungscomputer im Mini-Format verarbeitet die Schallwellen zu elektrischen Impulsen
und leitet sie in das Innenohr. Im gesunden Ohr übertragen Sinneszellen die
Schallwellen auf den Hörnerv. Sind diese Zellen geschädigt, kann das Implantat ihre
Funktion übernehmen. Die Elektroden und die Steuereinheit werden
mit einer Operation in den Schädelknochen hinter dem Ohr eingesetzt -- in den Händen
eines erfahrenen Operateurs ein Routine-Eingriff. Vier Wochen später beginnt in der Klinik
die Anpassung des Sprachprozessors. Die Patientin muss das Hören völlig neu lernen.
Unser Gehirn ist einfach unglaublich plastisch und schafft, Dinge auszuwerten, die Sie eigentlich
für unmöglich halten. Doch die Technik hat ihre Grenzen. Kaum möglich
ist bisher räumliches Hören. Denn Schallsignale erreichen in der Regel
erst das eine und dann das andere Ohr. Aufgrund dieser winzigen Zeitdifferenz kann das Gehirn
die Schallquelle orten. Professor Hemmert und sein Team entwickeln
Strategien, wie räumliches Hören in Zukunft auch mit Implantaten möglich sein soll.
Wir versuchen jetzt zu verstehen, wie die neuronale Verarbeitung zumindest in den ersten
Stufen des Gehirns, also des auditorischen Systems, funktioniert, und wir können dann
die Codierungsstrategien anpassen. Ein klassisches Konzert.
Cochlea-Implantate können zwar Rythmen gut übertragen, doch komplexere Klänge können
die Patienten damit kaum auflösen. Musik ist natürlich ein ganz großes Problem,
weil ein normal hörender Mensch über 1000 Töne auseinanderhalten kann. Und beim Cochlea-Implantat
haben wir 12 oder 22 Elektroden. Eine Lösung könnte sein, den Hörnerv nicht
elektrisch sondern mit Licht zu stimulieren. Elektrischer Strom, der breitet sich in den
Flüssigkeitsräumen des Innenohres kugelförmig aus, also sehr breit, während ich Lichtstrahlen,
die kann ich fokussieren auf einen sehr schmalen Bereich vom Nerven.
Sprache wieder zu verstehen ist für taube Menschen ein ganz großes Geschenk.
Ein immer besseres Verständnis der Signalverarbeitung im Gehirn und immer leistungsfähigere Mikroprozessoren
könnten ihnen schon bald weitere Geschenke machen.