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Ich weiss warum ich den dritten Teil der Prüfung nicht bestanden habe. Ich war faul.
Ich weiß, warum ich in Mathe versagt habe. Ich war nicht schlau genug!
Das ist einfach
Keine Ahnung, was ich hier falsch gemacht habe.
Und dabei ist das so ein wichtiger Teil deines Lebens... 6 00:00:25,594 --> 00:00:27,992 so ein wichtiger Teil deines Lebens...
Das sind mein Vater und meine Mutter 1964
Etwa zehn Jahre später,
und genauso wie eine Millionen andere Ehepaare,
werden sie sich scheiden lassen und ihre eigenen Wege gehen.
Dies hier ist Chadderton Park Road, in Oldham, nahe Manchester.
Ich wurde ganz in der Nähe geboren, im Haus meiner Eltern.
In meiner Erinnerung sieht alles ein wenig anders aus,
aber manchmal spielt uns die Erinnerung solche Streiche.
Sie war in der Klasse über mir. Weiß gar nicht mehr wie ich sie kennengelernt habe...
...vielleicht durch Freunde, "sag ihr ich find sie gut" oder so...
Ja, genau, da haben wir uns kennengelernt.
Sie war in der Klasse über mir, also gab´s keinen direkten Kontakt...
Ich war in der Klasse unter mir, er war schon ein Jahr weiter als ich.
Ich weiß nicht... Ich glaube, er...
Harry hat gesagt, er hätte ihn gebeten, mich nach einem Date zu fragen, aber...
Ich fühlte mich geschmeichelt, weil er doch in der Klasse über mir war...
Weißt du, du bist in dem Alter...
Nun, damals waren wir viel unschuldiger als die Teenager heute...
Nein, nein, sie war ein Jahr älter als ich!
Und deswegen...ein Jahr älter als ich.
Ich glaube wir waren fünfzehn, als wir das erste mal ausgingen...
...fast sechzehn.
Die Erinnerung ist nicht immmer hunderprozentig verlässlich.
Was seltsam ist, wenn man es sich genau überlegt.
Fast alles was man kennt, schätzt und liebt, basiert auf Erinnerungen.
Aber wir vergessen manches und erinnern uns nur an einiges.
Man liest von anderen Familien,in denen Scheidungen stattfanden, 34 00:04:22,023 --> 00:04:26,815 wie sich die Leute damit schließlich abgefunden haben, es akzeptierten,
doch das ist hier niemals, niemals wirklich passiert.
Wir haben vor 35 Jahren geheiratet, aber irgendwie ist es immer noch da.
Weil es so eine bittere Scheidung gewesen ist damals
und wegen der Zeit danach, und alles was erzählt wurde.
Das war ein tiefer Einschnitt, der jeden in der Familie berührt hat
und zwar bis in seine tiefste Seele.
Weißt du, da waren immer...
...Probleme.
Auf die eine oder andere Weise.
Die Famile wurde total auseinander gerissen, und zwar in alle Richtungen...
Ich glaube, dass es wirklich eine Schande ist, das wir uns kaum noch sehen.
Wenn man so zurückschaut...
waren wir eine sehr enge Gemeinschaft, trotz allem was so vorging.
Es ist schade, dass sich das dann später so sehr geändert hat.
Dieses etwas unbeholfen wirkende Foto wurde beim Begräbnis meiner Oma gemacht.
Das bin ich da links, mit meinen Brüdern und meiner Schwester.
Obwohl wir uns alle noch sehen, einzeln und zu unterschiedlichen Zeiten,
haben wir festgestellt, dass 30 Jahre vergangen sind,
seit wir alle das letzte mal zusammen in einem Raum waren.
Heute reden wir über Dinge, die vor langer Zeit passiert sind.
Aber sie sind immer noch aktuell, in dem Sinn, dass sie alle
...unsere Beziehungen heute beeinflussen.
Ich glaube, die Leute haben dieses Thema zum Tabu gemacht.
Niemand möchte darüber reden.
Irgendwie liegen die Nerven wohl noch immer blank...
und die Betroffenen wollen nicht ständig daran erinnert werden.
Man hat gelernt, einfach weiter zu machen, ohne wieder davon anzufangen,
aber genau dadurch haben wir es zum Tabu gemacht.
Wir haben alles zum Tabu erklärt.
Eigentlich ist meine Familie überhaupt nichts außergewöhnliches.
Wir haben keine Weltmeister hervorgebracht,
aber auch keine Psychopthen oder Junkies.
Wir sind alle unsere eigenen Wege gegangen.
Ich hatte Bedenken, diesen Film über meine Familie zu machen.
Ich habe sie immer noch.
Ich werde mir dadurch keine Freunde machen,
und vielleicht sollte man die Vergangenheit einfach ruhen lassen,
aber so wie es jetzt ist, ist es auch nicht wirklich toll.
Ich dachte, dass vielleicht dieser Film das beste ist,
was ich dieser Situation abgewinnen kann.
Hier sehen wir die M5 die nach Norden geht.
Ich fahre gerade von Devon kommend nachhause.
1984 sind meine Mutter, mein Stiefvater Harold und 3 meiner Brüder
nach Devon gezogen, um dort eine Pension zu eröffnen.
Obwohl es weit weg war, bin ich in Oldham geblieben
zusammen mit meinem Vater, meiner Stiefmutter Freda und meiner Schwester Libbie.
Jetzt fahre ich nach Devon, weil ich ein paar Interviews aufnehmen will.
Mein Stiefvater Harold und meine beiden Brüder Damian und Jimmy.
Nur Jimmy war bereit, mit mir vor der Kamera zu sprechen.
Dennoch war der Besuch noch aus einem anderen Grund wichtig.
Denn als ich wieder nachhause zurück fuhr, hatte ich all
die alten Familienfotos von Harold und meiner Mutter dabei.
Ein paar Wochen später kamen
dann noch die Fotos von Freda und meinem Vater dazu...
...die ich nun endlich einscannen konnte.
Diese Nachricht fand ich hinten auf einem Foto.
Vorne drauf sieht man meine Schwester Libbie mit ihrem Tedddybär.
Sie schrieb dies als sie 9 war.
Sie ist die älteste von uns.
Es ist ein wunderschönes Foto,
aber sie möchte in diesem Film anonym bleiben.
Auf vielen alten Fotos sieht Libbie erstaunlich glücklich aus.
In der Schule, im Urlaub, zuhause.
Das bin ich dort links, mit meinem älteren Bruder Richard zur Rechten.
Libbie ist sechs Jahre älter als ich. Das macht für Kinder einen Riesenunterschied.
Aber trotz des unterschiedlichen Alters
kamen wir immer gut miteinander aus.
Tatsache ist, dass Libbie diese Fotos nicht gerne sieht.
Ich verstehe das.
Obwohl sie auf den Bildern glücklich aussieht, weiß ich, dass es anders war.
In meiner Erinnerung sieht sie eher so aus, mit niedergeschlagenen Augen.
Niemand hat sie wirklich beachtet.
Libbie war zutiefst unglücklich
und ich war wohl der einzige, der das mitgekriegt hat.
Sie machten ihr das Leben zur Hölle, da bei Harold und meiner Mutter.
Als sei sie ein ungewollter Gast gewesen.
Libbie's Beziehung zu Harold war schon immer schwierig gewesen.
Er explodierte beim geringsten Anlass.
Ich wusste immer, wenn es ihr schlecht ging.
Schätze, dass war tatsächlich Einfühlungsvermögen.
Es war besser bei meinem Vater und Freda,
aber wir waren immer nur jedes zweite Wochenende da
und die Hälfte der Schulferien.
Ich denke, dass ich niemals wirklich begreifen werde,
was diese Fotos für Libbie bedeuten.
Ich habe sie gefragt, ob sie interviewt werden möchte,
doch zwischen uns gibt es immer noch diese Distanz und wir sehen uns kaum.
Das ist irgendwie traurig.
Granville Street.
Nahe der Ogden Street und in der Nähe der Brook Street,
nahe der X Street, und auch in der Nähe der Y Street.
Ein typisches Reihenhaus für Arbeiter, 4 Zimmer, Aussenklko...
...manche Häuser mit Gemeinschaftsklo.
Kopfsteinpflasterstrassen, Überbleibsel einer anderen Zeit,
Als der Milchman noch mit der Kutsche kam und die Milch in Kannen lieferte.
...von denen man sich was abfüllte.
Harry war ihr Liebling,
vielleicht weil er ein Junge war, und man weiß wie das ist...
...Mütter und Söhne.
Ich war immer die Nervensäge.
Der Schwierige, der mit dem es immer Probleme gab.
Mein Vater hat mich stets verteidigt, aber meine Mutter war immer für Harry.
Prinzipiell befürworte ich die Zwischenprüfungen an englischen Schulen.
Man sollte sich das mal überlegen. Wir reden über sozial benachteiligte Familien...
...und geben Ihnen eine Chance.
Jedenfalls war es eine Chance für mich.
Weil ich der einzige Junge in unserer Strasse war, der auf´s Gymnasium ging.
Ich wollte damals ungedingt Tierarzt werden, das war mein Traum.
Für mich gab es nichts anderes.
Aber meine Großmutter sagte: "Du bist viel zu klein für einen Tierarzt".
Denk an all diese großen Tiere, wie willst du mit denen fertig werden?"
Außerdem dachte ich mir, vielleicht bin ich ja nicht schlau genug für diesen Beruf.
In der Grundschule liefen die Prüfungs- vorbereitungen so ab, dass sie einem sagten:
"Kauf diese und jenen Bücher bei Barnsley's Book Stall in Oldham."
Es gab dort was über Allgemeinwissen, Wissenschaft und andere Fächer...
aber mein Vater kaufte da niemals mehr als zwei oder drei Bücher.
Das war einfach etwas, mit dem ich mich abfand.
Man hat mir niemals einen Begriff von Klassenunterschieden vermittelt.
Ich habe niemals wirklich gemerkt, dass es da einen Unterschied gab.
Wahrscheinlich im Unterschied zu meinem Vater.
Und das hatte seine Auswirkungen,denn er wollte sich immer irgendwie verbessern.
Aus seiner Situation ausbrechen. Und das verstehe ich.
Ich erinnere mich noch daran, wie wir eines tages die Park Road entlang schlenderten...
...und ich mir die Häuser dort anschaute.
Das heißt nicht unbedingt, dass mir der Kiefer herunter klappte,
aber die Häuser dort waren viel schöner, als das, in dem wir wohnten.
Allein die Gärten...es gab Gärten!
Von Granville Street musste man schon eine ganze Weile gehen, bevor man einen Garten sah.
Darüber habe ich zuvor nie nachgedacht. Es war mein Zuhause.
Es hatte nicht die gleichen Auswirkungen auf mich.
Eigentlich hatte ich ziemliches Glück mit meiner Erziehung.
Aber das ist ja immer etwas sehr subjektives.
Als wir zusammen ausgingen waren wir so 15 oder 16.
Ich kam in die 6. Jahrgangsstufe. Sie fing an zu arbeiten.
Ich habe die Schule nicht weiter besucht, weil dein Großvater zu mir sagte:
"Ach, als Hausfrau brauchst du eh kein Abitur."
Damals war ich mit deinem Vater zusammen und ich dachte, ja, vielleicht stimmt das.
Das ist ziemlich komisch, oder?
Nach der Verlobung ging ich nach London und kam jedes 2. Wochenende nachhause.
Das war klasse. Er kam immer mit dem Nachtbus.
Wir trafen uns gewöhnlich in Manchester, früh morgens.
Danach gingen wir meist in ein Cafe, in dem alle mögliche Gestalten rumhingen.
Ja, ich will damit sagen...
...für mich war dein Vater wie...
...meine große Liebe. Das dachte ich damals wirklich...
Er hatte etwas ganz besonderes an sich...
Das Brautkleid war fantastisch, sie sah an dem Tag umwerfend aus...
...die Brautjungfern.
Das Hochzeitsbankett gab es bei Park, sehr nett dort...
Im Nachhinein kann man wohl kaum sagen, dass es...
... billig oder lieblkos zusammengestellt war.
Nein, bestimmt nicht. Ganz bestimmt nicht. Es war sehr nett.
Dies hier bin ich mit meinem älteren Bruder Richard.
Man kann wirklich nicht leugnen, dass wir Brüder sind.
Und aus irgendeinem Grund kauften uns unsere Eltern immer dieselben Sachen.
Aber trotz unserer Ähnlichkeit sind...
...wir eigentlich total verschieden.
Wir kommen mit einander aus, aber wir werden wohl nie allerbeste Freunde werden.
Er ist immer mehr auf seinen eigenen Vorteil aus als ich.
Er verliert nicht gern.
Immer wenn wir zusammen irgenetwas spielten...
...schummelte er.
Ich habe nie verstanden warum.
Er zog andere immer gerne auf. Das macht er immer noch gerne.
Hauptsache er wurde beachtet.
Ich störte ihn wohl irgendwie.
Das hier ist gut...
...Jemand hat ihn wohl zu dieser kleinen Mutprobe überredet.
Und er hat sie ganz gut gemeistert.
Hier ist noch eins...
...Richard hat behauptet, er könne die ganze Torte auf einmal essen.
Daraufhin hat meine Mutter ihn heraus gefordert.
Jau. Das ist Richard wie man ihn kennt.
Eine echte Nervensäge.
Und irgwie hat er es immer hingekriegt, auf Fotos Grimassen zu schneiden.
Richard und Libbie haben sich nie wirklich verstanden.
Zunächst weil sie ein Mädchen war,
und dann auch noch älter, größer.
Und für Libbie? Für sie war er wohl einfach ein echter Quälgeist.
Seine Beziehung zu Harold war durchmischt.
Er war ihm näher als ich.
Sie machten sich gerne über mich lustig.
Manchmal waren sie wie Kumpel,
aber dann verkrachten sie sich wieder oft.
Nach einem Streit musste Richard sein Zimmer zwei Wochen lang hüten.
Trotzdem wollte er nicht nachgeben.
Wir gewöhnten uns daran, dass öfters dicke Luft war.
Ich kann nicht behaupten, dass ich Richard verstehe,
aber er war ein toller Hundetrainer für unseren Hund Toby.
Er stand jeden Tag früh auf, um mit ihm spazieren zu gehen.
Toby war cool.
Seit ich dreizehn war, haben Richard und ich nicht mehr zusammen gewohnt.
Das war, als ich auszog, um bei meinem Vater und Freda zu wohnen.
Er blieb bei meiner Mutter und Harold wohnen und zog mit ihnen nach Devon.
Aber sie warfen ihn mit 17 raus.
Wir sehen uns nur noch hin und wieder.
Ich glaube, das ist für uns beide okay.
Ich fühle mich, als würde ich gegen ein Tabu verstoßen.
Ich schrieb meinem Bruder Richard eine Email. Er lebt in China.
Ich fragte ihn, ob ich ihn interviewen düfte.
Er lehnte das ab.
Er wollte sich nicht vor Fremden äußern.
Ihn interessiert das alles einfach nicht.
Deswegen lehnte er höflich ab.
Es tut mir leid, dass ich seinen Standpunkt hier nicht im Film nicht darstellen kann,
aber er wollte das nicht und das ist okay.
Ein paar Tage später kontaktierte ich dann meinen Stiefvater Harold.
Harold ist wohl derjenige, mit dem ich am meisten über dieses Thema gesprochen habe.
Ich habe ihn zweimal getroffen und erklärt, was ich beabsichtige.
Ich ging davon aus, dass er verstanden hat, dass ich mit diesem Film niemanden angreifen wollte.
Aber auch er lehnte ab.
Eines Morgens kommst du zur Arbeit, du marschierst ins Zimmer...
und du siehst dort ein neues Gesicht.
Eine Frau in etwa meinem Alter...
...die ich bald sehr mochte.
Er hat dieses Briefchen von seiner Arbeitskollegin bekommen,
das in einem sehr leidenschaftlichen Stil verfasst war.
Unten stand "In Liebe, Margaret" und ein paar Schmatzer,
was mir ziemlich komisch vorkam.
Danach gab es ein paar seltsame Situationen,
denn sowas kann man nicht wirklich die ganze Zeit verbergen.
Ich hatte das bestimmte Gefühl, dass dort was passierte, aber ich war nicht...
...in der Lage, etwas dagegen zu unternehmen, denn ich war schwanger.
Tut mir leid.
Ich habe mich nicht nachts rumgetrieben, auf der Suche nach Abenteuern.
Es ist einfach so passiert.
Und ja, ich mochte sie. Und sie mochte mich. Blah blah blah.
Wir haben nichts Schlimmes gemacht.
Trotzdem schleppst du es mit dir rum,
egal ob du dir das eingestehst oder nicht.
Es würde Streit geben.
Bis heute weiss ich nicht, wie das passieren konnte.
Er fing an auszugehen.
Gewöhnlich nahm er den Wagen und kam dann erst nach Mitternacht zurück.
Das war so...untypisch für ihn.
Man verkracht sich, man hat endgültig genug, "Lass mich endlich in Ruhe".
So ist das eben, und dann macht man Dinge, die man nie tun wollte, man wird jemand anderes.
"Was ist los?" oder "Du bist heute so still", so in der Art.
Er und Harold gingen eines Abends aus...
Sie sagten uns, sie wollten ein Fußballspiel sehen,
und danach noch was essen.
Harold gab dann aber zu, dass sie in Wirklichkeit zu einer Betriebsfeier gegangen waren.
Und natürlich war Margaret dort auch gewesen...
nur mich hatte man nicht eingeladen.
Und er hatte mich angelogen.
Das war der grosse Wendepunkt für mich.
Meiner Meinung nach ist das entscheidende nicht das, was passiert ist,
denn das ist nunmal eine Tatsache,
sondern, die Art, wie man mit der Situation umgeht.
Wir sind alles nur Menschen, wir versuchen unser Menschenmögliches,
schließlich möchte man niemanden verletzen.
Soweit ich weiß, sagt er die Wahrheit...
Ich möchte nicht behaupten, dass er lügt...
...aber er sagt, dass es niemals zum Geschlechtsverkehr gekommen ist.
Stimmt,
aber heißt das, dass es deswegen kein Fremdgehen war?
Sie ist diejenige, die entscheiden muß, ob ich die Ehe damit gefährdet habe...
ich kann nur sagen, dass es zwischen uns niemals etwas körpliches gab.
Wir hatten keine heimlichen Rendezvous.
Es passierte alles am Arbeitsplatz...
...und zu der Zeit, als du geboren wurdest, hatte ich meinen Job schon gewechselt,
es war aus und vorbei.
Hier bin ich. Aber das sind nicht meine Fische.
Ich hab an dem Tag überhaupt nichts gefangen.
Wenn ich mich recht erinnere habe ich in meinem ganzen Leben nur einen einzigen Fisch gefangen.
Aber ich komme nicht oft zum Angeln.
Als Kind sah ich nicht wirklich so aus.
Meine Mutter hatte den alten Hut gefunden und mir aufgesetzt.
Sie riet mir, für dieses Bild den Blick eines "Gescheiterten" zu imitieren.
Ich musste raten, was sie damit meinte.
Das kommt meinem Aussehen schon näher.
Irgenwie dünn und sehr still.
In einer Gruppe eher schüchtern.
Ich weiß nicht, ob ich unglücklich bei meiner Mutter und Harold war...
...vermutlich war es nicht die beste Lösung für mich.
Ich war der Tagträumer der Familie.
Sie machten sich lustig darüber, dass ich nicht der hellste war.
Aber das war alles nicht sehr witzig.
Wir hatten guten Zeiten, doch irgendwie gab es auch immer Spannungen.
Ich nahm mich immer in acht vor Harold.
Er konnte ziemlich laut werden.
Er war nicht die Sorte Vater, die ich mir vorgestellt hatte.
Beim meinem richtigen Vater fühlte ich mich viel wohler.
Für mich war er der Hit.
Ich hasste es, wenn ich mich nach dem Wochenende von ihm verabschieden musste.
Das jagte mir einen echten Schrecken ein.
Als er für seinen Job nach Saudi Arabien ging, war das eine harte Zeit für mich.
Es gab ja noch keine E-Mails oder Webcams.
Ferngespräche waren teuer, nichts war so einfach wie es heute ist.
Alle paar Monate kam er nachhause, dann besuchten wir ihn,
aber davon abgesehen,blieben uns als Kontakt nur Luftpostbriefe.
Als er nach drei Jahren zurückkam,
fragte er mich, ob ich zu ihm ziehen wollte.
Für mich war das ohne Zweifel die beste Lösung...
...aber es brachte auch eine Menge Ärger mit sich.
Eines Abends musste ich vor meine Eltern treten...
und ihnen sagen, bei wem ich wohnen wollte.
Ich musste nicht lange überlegen,
aber es war nicht leicht, es ihnen ins Gesicht zu sagen.
Doch ich tat es.
Libbie war damals schon ausgezogen,
aber ich hatte keine Ahnung, wie die anderen meinen Auszug verkraften würden.
Ich weiß nicht, wie das für meine Mutter war.
Am Tag Ihres Umzugs nach Devon...
brachte mich meine Mutter wie gewöhnlich zur Schule,
aber abends war es dann meine Stiefmutter Freda, die mich von dort abhohlte.
Und damit war die Sache erledigt.
Mein ehemaliges Leben, die damit verbundenen Routinen.
Jener Teil meiner Familie, mit dem ich so lange zusammen gelebt hatte.
Vielleicht hört sich das komisch an...
...aber irgendwie war ich froh zu gehen.
Die Situation war für mich immer unerträglicher geworden.
Wir kamen nicht miteinander zurecht.
Ich begann darüber nachzudenken,
...wie ich das ganz allein mit Richard und Libbie und mir machen wollte.
Ich wollte mir einen Job suchen,
...doch dann erfuhr ich, dass ich schwanger mit dir war.
Vielleicht klingt das komisch, und die die meisten lachen, wenn ich das sage,
aber ich weiss ganz genau wann und wo ich schwanger wurde mit meinen vier Kindern...
oder zumindest,was dem vorausging,
doch in deinem Fall habe ich nicht...
...die geringste Ahnung, wie es passierte.
Du warst das dritte Kind und wir hatten dich nicht geplant.
Eigentlich wollte ich sagen, wir haben dich nicht gewollt...
Während der Scheidung sagte deine Mutter zu mir,dass ein drittes Kind nur eine...
...zusätzliche Bindung an mich wäre, die sie nicht wollte..
Man akzeptiert die Umstände, irgendwie passt man sich an.
Dein Vater verwirklichte seinen Traum, in der Chadderton Park Road zu wohnen,
Du akzeptierst es, aber tief in dir drinnen weisst du,
dass es nicht mehr das richtige für dich ist.
Es war einfacher, bequemer, und ohne wie ein... 366 00:30:31,252 --> 00:30:36,051 ...Held klingen zu wollen, nahm ich die Verantwortung...
auf mich und entschied mich dafür, mich sterilisieren zu lassen.
Die Ärzte machten mir klar, dass das entscheidende an einer Sterilisation war...
dass man sie nicht wieder rückgängig machen kann.
Man lässt sich sterilisieren und das war´s dann. Kein Weg zurück.
Harold war ein Freund.
Er war ein Freund und er half deinem Vater.
Er half am Haus und er baute Schränke zusammen und so.
Und er half auch bei dieser Sache.
Ich ging mit Harold einen trinken. Ich kannte seine Eltern.
Wir gingen zum Fußball.
Wir waren Kumpel. Die besten Freunde.
Eines Tages, als ich an Harold vorüberging,
tätschelte er meinen Hintern.
Und das war, als hätte jemand plötzlich bei mir Feuer gelegt.
Wie ich schon sagte, man spürt sowas...
...und ich spürte es in diesem Moment.
Eins Abends, nachdem wir unsere Schicht beendet hatten...
trank wir alle einen Tee.
Wir waren zu dritt, deine Mutter, Harold und ich...
und ich döste irgendwie ein.
Als ich langsam wieder zu mir kam...
da sah ich sie, auf dem Sofa, wie sie sich küssten.
Und dann...
...an manche Dinge erinnert man sich recht deutlich...
Ich machte mich bemerkbar, damit sie mit dem Küssen aufhörten.
Das hat alles nur bestätigt, das komische Gefühl, das ich schon vorher hatte.
Als Harold endlich weg war, sagte ich zu deiner Mutter:
"Ich habe nicht geschlafen."
Sie antwortete mir,es sei nicht das, was ich dächte. Das Übliche halt.
Zu der Zeit habe ich deine Mutter wirklich geliebt. Und ich schäme mich dafür nicht.
Ich wollte diese Sache nicht akzeptieren. Ich wollte ihr wirklich glauben.
Vielleicht war das naiv...aber so war ich eben.
Aber ich habe es gewusst. Ich habe es die ganze Zeit gewusst.
Ich wollte deinen Vater provozieren, also lud ich Harold zu uns ein.
Doch irgenwie schien es, und das ist vielleicht lächerlich, als hätte dein Vater die ganze Zeit...
über uns bescheid gewusst und es sogar noch forciert.
Ich sagte zu ihm etwa: "Wir haben ihn schon eine Weile nicht mehr gesehen, wahrscheinlich will er nicht vorgeikommen."
Und er antwortete dann, "Doch, doch, ich ruf ihn an und frag ihn, ob er kommen möchte."
Das hört sich bescheuert an. Das hört sich wirklich bescheuert an.
Aber genauso war es wohl.
Am schlimmsten war es natürlich, wenn wir zusammen waren.
Aber andererseits war es, als ob... jemand diese fürchterlich emotionale Leere,
in die ich mit deinen Vater geraten war,
...irgendwie ausfüllen.
Es war niemals die Absicht dieses Filmes, irgendwelche Schuldzuweisungen zu formulieren,
oder jemanden anzuklagen.
Das interessiert mich nicht.
Der Mensch handelt, er macht Fehler.
Manchmal aus guter Absicht, manchmal nicht.
Dafür habe ich Verständnis.
Doch diese Fehler wiegen doppelt schwer, wenn man Kinder hat.
Das ist eine ernorme Verantwortung.
Wie es in dem Gedicht von Philip Larkin heißt,
"Sie verkorksen dich, deine Eltern".
Ich möchte niemanden kritisieren, aber
auf der anderen Seite ist auch niemand über Kritik erhaben.
In mancher Hinsicht haben sie wohl wirklich Mist gebaut.
Aber die eigenen Eltern sind eben die eigenen Eltern.
Sie können sich trennen, scheiden lassen und sich dann später hassen.
Nur ich kann das nicht.
Mein ganzes Leben langen werden sie ein Teil von mir sein, und...
...ich kann nichts tun, um das zu ändern.
Und selbst wenn sie wirklich die schlechtesten Eltern auf der ganzen Welt wären,
welches Kind würde das akzeptieren?
Es sind schließlich die eigenen Eltern.
Harold war einige Zeit weg gewesen und als er zurück kam,
sind wir drei spazieren gegangen, und die beiden liefen vor mir her und redeten.
Und ich glaube, obwohl ich mich da auch irren könnte...
dass sie schwanger war, und dass sie das wusste und sie darüber sprachen.
Denn am Freitag darauf ist er abends gekommen und sie hat mich verlassen.
"Ich verlasse dich. Mit Harold".
Harold kam vorbei um was zu erledigen.
Es war, als ob ich einfach...irgendwie...ich kann nicht mehr so weitermachen.
- und deswegen hat er gesagt, er holt dich am Freitag ab?
Nein, gar nicht. Wir gingen einfach an dem Abend.
- Ah, ich verstehe. Ihr hattet es also gar nicht so geplant? Nein.
- Es überraschte mich zu erfahren, dass die beiden gar nicht geplant hatten, uns zu verlassen.
- Ich war einigermaßen überzeugt, dass sie von ihrer Schwangerschaft mit Damian wusste.
- Es war schwer für mich zu glauben, dass das nicht der Auslöser für ihren endgültigen Bruch war.
- Und damals...warst du zu der Zeit schwanger mit Damian?
Vermutlich, ja. Aber ich wusste davon nichts.
Meine Mutter rief ein paar Tage später an.
Sie wollte mir sagen, dass sie damals, bevor sie uns verlassen hat, doch von ihrer Schwangerschaft gewusst hat.
Ich glaube, sie sind gemeinsam gegangen. I glaube, dass er am Freitag dort war...
...und dass sie gemeinsam gegangen sind.
Ich könnte das nicht vor Gericht beschwören... 453 00:38:05,591 --> 00:38:08,491 ...aber ich glaube, so hat sich das damals abgespielt.
Nein, ich habe keine Ahnung, ob er an der Ecke gewartet hat oder so.
Ich kann mich an die Details nicht mehr erinnern.
Ich habe meine Tasche gepackt, und dann bin und zu deinem Vater und habe gesagt:
"Graham... Ich verlasse dich... wegen Harold."
Er hat sich umgedreht und gesagt: "Okay. Tschüss."
Das war alles.
Sie hat damals zu mir gesagt: "Ich verlasse dich."
Ich habe sie dann gefragt: "Brauchst du Geld?"
Einfach so: "Wenn du gehst, hast du genug Geld"?Y'know,
Das hat irgendwie alles bestätigt, was ich damals gefühlt habe. Das es ihm ziemlich egal war,
...ob ich bei ihm war oder nicht. Es war eine ziemlich seltsame Reaktion.
Er reagierte nicht mit: "Wie bitte? Können wir erstmal darüber sprechen?"
Das hat mich gar nicht überrascht.
Das hat nur all das bestätigt, was ich sowieso schon gewusst habe.
Wir sind in den Wagen gestiegen und nach Edinburgh gefahren.
Am nächstn Tag habe ich ganz früh deine Großmutter angerufen.
Ich habe ihr erklärt, was geschehen ist, und sie gebeten,
nach euch Kindern zu schauen
und wie es Graham ging.
Ich habe mir Sorgen gemacht. Sorgen wegen Euch alllen.
Ich habe gefragt: "Kannst du ihm mit den Kindern helfen?"
Ich war völlig überfordert.
Ich konnte dich nirgends abgeben.
In deinem Kopf herrscht totales Chaos.
Millionen Dinge gehen dir durch den Kopf.
Was ist mit Montag? Wenn ich zur Arbeit muss?
Du warst etwa zwei. Du hast damals noch in die Windeln gemacht.
Richard war vier...
Alles was ich sagen kann, ist...
...stell dir einfach mal vor, da sitzt du nun mit drei Kindern,
deine Frau hat dich verlassen, und du weißt nicht mal wo sie ist...
Und was das schlimmst an all dem ist, ein echter Schlag ins Gesicht,
dass sie dich mit deinem besten Freund velassen hat!
Das war...einfach...unglaublich. Ein echter Schock.
Ich dachte damals, es wäre falsch, deinem Vater auch noch die Kinder zu nehmen.
Vermutlich habe ich ihm durch das, was ich getan habe, weh getan.
Ihm die Kinder wegzunehmen wäre aber noch viel schlimmer gewesen.
Mit ging alles Mögliche durch den Kopf.
Es war besser für dich dort wo du warst. Du musstest zumindest nicht ausziehen.
So wie es war, hast du diese Stabilität gebraucht...
Ich weiß nicht,wie ich das hinbekommen habe mit den drei Kindern.
Ich hatte einen Job, der mich in Anspruch nahm, und habe für meine Prüfungen gebüffelt...
...alles, was damals passierte, hing einzig und allein an mir.
Ich konnte nicht einfach zu anderen sagen: "Was kann ich tun?"
Denn es war nicht Ihre Entscheidung. Sie hatten nicht die Wahl. Es war mein Problem.
So sah das aus und...
ich habe mich sehr, sehr allein gelassen gefühlt.
Völlig allein.
Hier ist meine Mutter mit meinem Bruder Damian...
etwa neun Monate nachdem sie uns verlassen hatte.
Das erste gemeinsame Kind von Harold und meiner Muttter.
Offiziell ist er wohl mein Halbbruder...
aber so kommt er mir gar nicht vor.
Für mich war er immer einfach nur Damian.
Er war ein ziemlich beherzter kleiner Bruder.
Ohne jede Angst.Man konnte ihm...
...an den Kopf werfen, dass er nicht genug Mut hätte, mit seinem Rad über eine Klippe zu fahren...
und er tat es einfach.
Mit Stil sogar.
Hin und wieder tat er sich weh...
und erst dann fiel einem wieder ein, dass er ja nicht unzerstörbar war.
Es hat immer Spaß gemacht mit ihm. Er war niemals niedergeschlagen oder gereizt.
Außerdem war er intelligent, leicht zu begeistern, und ein guter Zeichner.
Er spielte gerne und man musste ihn nicht lange dafür bequatschen.
Wir treffen uns noch immer so oft, wie wir es einrichten können.
Totzdem hat es immer wieder Spannungen gegeben.
Zunächst einmal haben wir nicht denselben Vater.
Vermutlich ist es nicht leicht, angenommene Kinder wie seine eigenen zu gehandeln.
Damians Großmutter war da so ein Beispiel dafür...
...ich meine dafür, wie man unwillkürlich jemanden bevorzugt.
Ich glaube nicht, dass sie eine Ahnung davon hatte, wie sich das für uns angefühlte.
Wir waren ziemlich pikiert.
Ganz so, als sei er der Musterknabe der Familie.
Natürlich war er nicht daran schuld,
aber es war eine ziemlich dumme Situation und schließlich waren wir alle noch Kinder.
Trotzdem bereue ich heute meine Vorbehalte von damals...
auch wenn sie nur einen Teil meiner Erinnerungen ausmachen.
Schließlich waren wir Brüder.
Wir sind gemeinsam aufgewachsen,
haben zusammen gespielt, dieselben Interessen geteilt.
Es war nicht alles gut, aber auch nicht alles schlecht.
Und er war immer dabei.
Zeitweise hatte ich das...
...vergessen.
Ich arbeitete damals bei Reddish Printworks...
...als Sekretärin des Betriebsleiters.
Ich war wahnsinnig schüchtern. Ehrlich!
Als man mich das erstemal in der Firma herumführte, als "die Neue" sozusagen...
...da pfiffen sie mir alle hinterher...
...und ich dachte, hier werde ich wohl niemals alleine herumspazieren!
Aber nach ein paar Monaten machte ich das sogar freiwillig.
Dein Vater arbeitete in einer anderen Abteilung...
...aber er hatte immer so etwas an sich...
...fast als wäre er ein wenig selbstverliebt.
Aber als er dann anfing, in unserer Abteilung zu arbeiten...
...und ich ihn besser kennenlernte, da funkte es zwischen uns.
Ich mochte seinen Humor und alles.
Es fühlte sich irgendwie "richtig" an. Es gab da sowas zwischen uns...
...das mir das Gefühl gab, dass es gut und richtig war. Ja, genau das war es.
Man erzählte mir, seine Frau hätte ihn verlassen.
Ich wusste kaum was darüber, bis er anfing, bei uns zu arbeiten.
Da ich als Sekretärin auch für ihn arbeitete...
...bat er mich irgendwann, seine private Korrespondenz mit seinen Anwalt für ihn zu tippen.
Erst ab da wusste ich besser bescheid über die Lage, in der er sich befand.
Mir taten die Kinder leid, ihre schwierige Situation...
...die mir dein Vater schilderte.
Natürlich möchte man helfen, auch wenn sich das ein wenig prahlerisch anhört.
Eines Tages, als er in meinem Büro war...
....ging er zum Fenster, starrte hinaus und sagte dann...
"Also, die Kinder denken, dass es das beste wäre, wenn wir heiraten würden."
Das war sein Heiratsantrag. Er rutschte nicht vor mir auf den Knieen herum oder so.
"Oh, ähem, was bitte?"
Und dann erklärte er mir, dass es sich wie die richtige Entscheidung anfühlte und worauf noch warten?
Insgesamt hat es von unserem erstem Rendezvous im November bis zu unserer Heirat...
...genau sechs Monate gedauert.
Meine Eltern waren ein wenig geschockt und prinzipiell dagegen.
Sie sagten, dein vater bräuchte nur jemanden, der sich um die Kinder kümmerte...
...was ich irgendwie verletzend fand...
...aber nachdem wir geheiratet hatten, stellten sie fest, dass dein Vater...
...gar nicht so war und dann akzeptierten sie auch unsere Verbindung.
Das war nicht ganz so gut...
...aber ich hatte das Gefühl, genau zu wissen, was ich tat und dass es klappen würde.
Die Hochzeit fing dann ziemlich schlecht an...
....denn das Taxi, das wir für Ian, Carol, mich und unsere Eltern bestellt hatten...
...kam einfach nicht.
Mein Bruder fuhr einen kleinen Triumph...
...und Harold konnte mich und meine Eltern mitnehmen. Niemand sonst passte mehr rein.
Wir kamen sprichwörtlich in letzter Sekunde auf dem Standesamt an.
Mein Bruder Ian hatte die Rolle der Brautjungfer übernommen.
Er unterschrieb die Unterlagen für mich. Carol fehlte auf meiner Hochzeit.
Ebenso mein Freund Pat.
Das war wie ein Sprung ins kalte Wasser.
Manchmal dachte ich: "Was mache ich eigentlich hier?"
"Ich bin mir nicht sicher, ob ich das schaffe."
Das war nicht einfach. Für niemanden. Ganz besonders nicht für einen Neuling wie mich...
...und dann meine drei Kinder, die eine Fremde in ihrem Zuhause zu akzeptieren hatten.
Nein. Ganz und gar nicht einfach. Wenn ich zurückdenke...
...denke ich, jeder macht Fehler, und so betrachtet hatte ich...
...ja auch keinerlei Erfahrung mit Kindern.
Wirklich, es war eine schwere Zeit. Eine sehr schwere Zeit.
Vermutlich für uns alle.
Das einzige, woran ich mich aus dieser Zeit noch erinnere...
...und zugleich meine frühste Erinnerung überhaupt, ist das 25-jährige Jubiläum der Queen.
Vermutlich, weil sich mein Vater damals als Frau verkleidet hat, und das...
...ist schon eine ziemlich schräge Sache für einen Dreijährigen.
Ein riesiger Kerl mit Bart in Frauenkleidern...
...das hinterlässt einen unauslöschlichen Eindruck.
Aber ich erinnere mich auch daran, dass er eine Menge gearbeitet hat. Das war hart für uns.
Er blieb oft monatelang weg. Das war wirklich nicht leicht zu ertragen.
Aber dann war es immer wieder schön, wenn er zurück kam...
...denn er hat uns immer irgendetwas ausgefallenes mitgebracht.
Als Kinder haben wir ihn als einschüchternd erlebt, mit seinem vollen Bart,
...seiner lauten Stimme...
...und seiner permanenten Gereiztheit...
...aber wenn man darüber nachdenkt, war er damals ja gerade 28 oder 29 Jahre alt...
...mit all der Verantwortung, die er trug, den drei Kindern, die nicht seine waren, und eins...
...das es war, und dann noch eins dazu...
Als er in seinen Dreissigern war, hatte er bereits für fünf Kinder zu sorgen...
...und das ist zweifellos eine ziemliche Verantwortung.
Es ist komisch, wenn einem bewusst wird, dass mein Vater damals jünger war als ich heute.
Vom ersten Tag an mit Libbie, bis zu dem Tag, als sie auszogen...
...hatte ich mit den Kindern zu tun.
Ich behaupte, der erste wirklich moderne Vater gewesen zu sein.
Und dich könnte ich damit nicht anlügen, schließlich bist du ja dabei gewesen.
Nachts habe ich den Kindern vorgelesen. Wir haben Fußball gespielt...
...Ausflüge gemacht...du weißt schon...
...und ich bin immer dabei gewesen.
Das hat mir geholfen, als sie weg ging. Ich habe gewusst, was zu tun war.
Was ich nicht vorausgesehen habe, das war...
...die heftige Reaktion deines Vaters, später...
...in Hinblick auf Euch Kinder.
Meiner Meinung nach hat er Euch als Waffe missbraucht.
Sie hat niemals angeboten, Geld beizusteuern. Nachdem sie weggegangen war, hat sie einen neuen Job gefunden...
...also musste sie Geld gehabt haben, aber sie hat niemals einen Penny beigesteuert.
Und auch sonst keinerlei Unterstützung.
Bis sie das Haus hatten...
,,,da wollte sie plötzlich das Sorgerecht.
Aber ich hatte mich schon lange davor entschieden, das ich die Kinder behalten wollte.
Euer Vater wollte nicht, dass ihr zu mir kamt.
Ich musste Euch zuhause besuchen kommen.
Er hat Euch ins Bad gebracht und die Tür zugemacht...
...und als ich Euch dann besuchen kam...
...wart ihr im Badezimmer und er liess mich nicht rein.
Manchmal machte er einfach das Licht im Zimmer aus...
...bei ihm konnte man auf alles mögliche gefasst sein.
Vergiss nicht, ich war sterilisiert. Ich konnte keine weiteren Kinder haben...
Sei waren nicht nur "die Kinder", sie waren...
...Ich habe es genossen, Vater zu sein. Ich habe die Rolle wirklich geliebt.
Damit hatte ich überhaupt kein Problem.
Dadurch habe ich festgestellt, dass ich nicht...wir konnte niemals gemeinsam...
...dafür sorgen, dass es Euch Kindern gut ging.
Und ich brauchte unbedingt das Sorgerecht. Weil er mich sonst irgendwie...
...aus Eurem Leben ausgeschlossen hätte. Und das konnte ich auf keinen Fall akzeptieren.
Immerhin bin ich Eure Mutter.
Wahrscheinlich keine besonders gute Mutter, aber trotzdem Eure Mutter. Nicht wahr?
Damsls hatte ich das Gefühl, und ich denke das noch heute, dass...
...es das Anständigste für sie gewesen wäre, einfach zu sagen: "Ich bin diejenige, die die Familie...
"...verlassen hat, und du kannst keine Kinder mehr haben, du hast diese Entscheidung für uns alle getroffen."
"Als Ihre Mutter würde ich die Kinder wahnsinnig gerne nehmen, aber...
"...jetzt habe ich eine neue Familie...
"...Ich möchte meine Kinder sehen...
"...aber ich möchte sie dir nicht wegnehmen."
Das tat sie auch nicht.
Es war wie eine Strafe, die ich über mich ergehen lassen musste.
Jeder hatte eine schlechte Meinung von mir.
Der Gedanke, euch Kinder einfach zu verlassen, hat mir gar nicht zugesagt...
und ich wollte auch die Ehe nicht zerstören.
Deswegen *** ich nichts gesagt.
Dadurch steht Euer Vater besser da, als derjeniger, den keine Schuld trifft...
Und er hat schließlich selbst an diese vereinfachte Version geglaubt.
Das ist meine...ganz persönliche Meinung.
Ich habe meine Mutter wegen eines zweiten Interviews gefragt.
Sie hat abgelehnt.
Sie hat mich wissen lassen, dass das letzte Interview sie zu sehr mitgenommen hatte.
Es hatte Wochen gedauert, bis sie sich wieder einigermaßen beruhigt hatte.
Ich bin derjenigen, der den anderen diesen Film aufdrängt. Ich richte meine Kamera auf sie..
...und ich habe das Gefühl, dass ich dazu kein Recht habe.
Dennoch weiß ich immer noch nicht, was ich über diese Weigerung...
...meiner Mutter denken soll.
Wie kann ich denn dann diese Geschichte aus der Sicht meiner Mutter darstellen?
Wie kann ich mich ihr gegenüber fair verhalten?
Sie ist in dieser Hinsicht ja meine einzige Informationsquelle.
Ich weiß nicht. Ich habe diese Dinge damals nicht miterlebt oder war noch nicht alt genug...
...um ihre Seite angemessen darzustellen.
All diese Dinge, die die Menschen in irgendwelchen Blechschachteln verstecken.
Schachteln, die über die Jahre rostig werden und Staub ansammeln.
Dosen voller Würmer...
..in denen sich die Würmer immer noch winden und hinaus wollen...
Man kann die Vergangenheit nicht ändern. Doch es scheint mir, dass sowohl die Gegenwart...
...als auch die unmittelbar absehbare Zukunft...
...von all diesen Dingen vergiftet wird.
Ich hatte gedacht, dass man die Chance begrüßen würde, diese alten, verrosteten Schachteln zu öffnen,
...doch es scheint nicht nur schwierig, den Deckel aufzuhebeln...
...sondern auch, überhaupt darüber zu sprechen.
Ich hatte nicht gerade ein positives Bild von der Ehe.
Am Anfang habe ich gleich gesagt, dass ich nicht heiraten möchte.
Ich war sicher, dass es ein Disaster werden würde. Ich hatte diese...
...seltsame Angst, dass alles schief gehen würde, wenn wir einmal heirateten.
Wie du weißt, bin ich heute verheiratet.
15 Jahre hat es gebraucht. Es war die beste Entscheidung meines Lebens.
Selbst als Jugendlicher habe ich oft... ich habe mich oft gefragt...
"Wenn sie sich scheiden liessen, bei wem würde ich wohnen wollen?"
Das geschah häufig.
Einmal, als wir in einem Hotel waren, kam meine Mutter ins Zimmer...
...und es schien mir, als wollte sie sich verabschieden.
Für immer.
Als hätte sie sich dazu entschlossen, uns zu verlassen.
Sie wurde sehr emotional und umarmte mich und Jim.
Und ich dachte bei mir: "Das war´s dann wohl."
Das war der Moment, vor dem ich mich immer gefürchtet hatte.
Jetzt ist er da. Aber dann ist nichts weiter geschehen.
Möglich, dass sie sich vorher gestritten hatten und sich später wieder vertragen haben.
Das ist es wahrscheinlich. Trotzdem habe ich mich immer davor gefürchtet.
Dann kommt der ganze Ämterkram, man sucht seinen Anwalt auf...
...vielleicht auch noch einen Sozialarbeiter, und schließlich geht´s zum Gericht.
Erst in Manchester, dann in Preston und am Ende in London.
Nichts davon war wirklich angenehm.
Niemand von uns hatte sowas zuvor schon einmal erlebt...
...sich in einem Gerichtssaal in London wiederzufinden...
Der Königliche Gerichtshof...wo man sich plötzlich ganz klein und unbedeutend vorkommt.
Sie gingen so weit, darüber nachzudenken, ob Libbie an der Verhandlung teilnehmen könnte.
Also haben wir Libbie von zuhause abgeholt...
...sind mir ihr nach Preston gefahren, zum Gericht...
Dort hat sich die Richterin hinter verschlossenen Türen mit ihr unterhalten.
Sie sagte uns, sie hätte Libbie gefragt, was sie wolle...
"...bei wem sie wohnen wolle. Und sie hat gesagt, sie wolle bei ihrem Vater bleiben.
Das heißt, das Gericht hat Libbie gefragt, eine eindeutige Antwort bekommen und diese einfach ignoriert.
Ich war eine von den vier Personen, die gar nichts mit dieser Sache zu tun hatten.
Das ist ziemlich bedrückend, so auf der Zeugenbank zu sitzen und auf...
...eine unterschwellig agressive Weise ausgefragt zu werden.
Wir haben all unsere Geschüte aufgefahren. Wir haben an diesem Tag unsere stärksten Argumente verwendet...
...einschließlich der Aussage der Richterin...
...und ich weiß noch, dass ich zu Freda nach der Verhandlung gesagt habe:
"Sie werden uns das Sorgerecht wegnehmen."
Es war noch nicht das finale Urteil, wir mussten dafür noch mal nach London.
Ich habe zu Freda gesagt: "Wir werden das Sorgerecht verlieren."
Libbie...die immer gesagt hat, dass sie bei ihrem Vater bleiben wollte...
...änderte plötzlich ihre Meinung und wollte nun bei ihrer Mutter wohnen.
Dein Vater hat gesagt: "Wenn das dein Wunsch ist, dann geht das klar."
Der Sozialbetreuer kam bei mir nur ein einziges Mal vorbei.
Er hat einen Bericht geschrieben, der später dem Richter vorgelegt wurde.
Der Richter hat dem Bericht einfach geglaubt.
Am liebsten hätte ich im Gericht geschrieen: "Das ist nicht fair, das stimmt so nicht!"
Wir haben nicht einsehen können, warum du und Richard nicht bleiben konntet, da es doch euer...
...Wunsch war. Aber das Gericht verfügte, dass alle drei Kinder nicht getrennt werden sollten.
Das wäre das beste für die Kinder.
Das war ein fürchterlicher Schlag...
...für deinen Vater.
Natürlich war es nicht so schlimm für mich, da ihr ja nicht meine Kinder wart.
Aber für euren Vater war das ein absolut vernichtender Schlag.
Das war eine Niederlage auf allen Ebenen. Amtlich, rechtlich und persönlich.
Ich hatte keine Ahnung, was ich noch machen könnte.
Ich würde gerne sagen, dass ich von unserem Rechtssystem fair behandelt wurde...
...und das ich das Urteil verdient habe.
Zumindest wäre es einfacher, mit dieser Einsicht zu leben.
Allerdings ist das glatte Gegenteil der Fall.
Dann, als wir von London wieder zurückgefahren sind, ich glaube es war Januar,
...an so einem kalten Winterabend...
...war er absolut...verzweifelt.
Das war eine...absolut beschissene Zeit.
Wir sind nachhause gefahren und am darauf folgenden Wochenende bist du zu deiner Mutter gezogen.
Ich sehe mich noch, wie ich deine Sachen gepackt habe und all deine Spielsachen zusammengesucht hab.
Deine Mutter, wie sie eines samstagmorgens unverblümt vor unserer Tür stand.
Natürlich bist sofort davongeflitzt...
...direkt zu ihrem Wagen, voller Vorfreude, einmal gewunken, und weg warst du.
Und dann drehst du dich um, gehst ins Haus und schließt hinter dir die Haustür..
Das ist Jimmy. Mein jüngster Bruder.
Er wurde 1977 geboren. Das zweiter Kind von Harold und meiner Mutter.
Wenn ich mich recht erinnere, haben wir ihn alle abgöttisch geliebt.
Er war ganz einfach der unwiderstehlichste kleine Bruder, den man sich nur wünschen kann.
Vermutlich ist er auch das erste Baby gewesen, das ich mir aus der Nähe angesehen habe.
Ich konnte gar nicht fassen, wie unglaublich klein seine Ohren und Fußnägel waren.
Vielleicht war er jemand, in dem wir uns alle wiederfinden konnten...
...ein Art allgemeine Schnittmenge.
Ich habe nicht allzuviele Erinnerungen aus der Zeit...
...aber in Bezug auf Jim sind sie alle positiv.
Aber niemand hat nur Schokoladenseiten.
Er hatte seine eigene Persönlichkeit.
Er dachte viel nach, hatte eine ganze Menge Einfälle.
Irgendetwas passierte immer in seinem Kopf. Immer, wenn man ihm über den Weg lief...
...hatte er diesen schelmischen Gesichtsausdruck.
Er liebte Tiere und die Natur. Er war unser kleiner Umweltforscher.
Einmal hat er Stunden damit verbracht, unseren kleinen Gartenteich zu säubern.
Später sagte er, er habe dieses Schild gesehen: "Haltet unser schönes England sauber".
Ein regelrechter Umweltaktivist, bevor es populär wurde.
Er fühlte sich sehr zu meiner Mutter hingezogen. Besonders zu ihren Füßen.
Stundenlang konnte er neben ihren Füßen auf dem Boden verbringen.
Sie waren für ihn wahrscheinlich soetwas wie ein Schmusedeckchen.
Aber er konnte auch ganz allein für sich spielen.
Er kam gut alleine klar.
Aber wir waren eine große Familie und er gehörte gern dazu.
Dadurch konnte er sich erst voll entfalten.
Er gehörte definitiv dazu.
Dummerweise war es so, dass wir alle, einer nach dem anderen, und aus...
...verschiedenen Gründen, ihn allein gelassen haben.
Als erste Libbe, 1982. Dann ich, 1984.
Richard wurde 1986 rausgeschmissen.
Dann fing Damian mit seinem Studium an...
...und schließlich ließ ihn auch meine Mutter allein, wenn auch erst etliche Jahre später.
Ich sehe Jimmy kaum noch.
Er legt nicht soviel Wert auf den Kontakt.
Ich habe versucht, den Kontakt für diesen Film wieder herzustellen...
...aber er hat mich nie zurückgerufen oder meine Nachrichten beantwortet.
Vielleicht ist das auch okay so...
Er war ein richtig aufgewecktes kleines Kerlchen, oder? Mit seinen großen, braunen Augen... 799 01:04:33,004 --> 01:04:37,154 ...und irgendwaws hat er immer im Schilde geführt.
Er war großartig. Er war witzig, es hat immer Spaß mit ihm gemacht.
Einmal haben wir ihn überredet, sich in einen Wäschekorb zu setzen.
Erinnerst du dich noch daran?
Wir haben ihn in seinem Wäschekorb dann oben an der Treppe platziert...
und hat nicht die geringsten Einwendungen gemacht.
Das war typisch für ihn. Absolut für jeden Quatsch zu haben.
Wir haben ihn also in den Wäschekorb gesetzt und ihn dann vom Treppenabsatz gestoßen.
Er sauste die Treppenstufen bis nach ganz unten hinab und wir liefer ihm nach, um zu sehen...
...ob er okay war und er sah uns an, als wollte er gleich noch mal die Treppe runterfahren.
Das war hundertprotzentig er, für alles zu haben.
Man musste immer lachen, wenn er dabei war.
Aber dann haben sich seine Lehrer mit meinen Eltern in Verbindung gesetzt...
...weil er überall blaue Flecken hatte.
Ich fühlte mich schuldig, schließlich war das alles auf meinem Mist gewachsen...
....es war meine Idee gewesen.
Das hat mich dann irgenwie aufwachen lassen, denn bis dahin habe wenig über sowas nachgedacht...
bis schließlich jemand Drittes gesagt hat "Hey, das geht jetzt aber wirklich zu weit."
Er sieht völlig ramponiert aus.
Das ist grässlich. Ich fühlte mich schuldig... und zwar richtig schuldig, gestehe ich.
Aber äh...nein, nein. Es war doch nur ein Spiel, oder?
Genauso wie die Sache mit dem tauben Arm.
Man hielt die Knöchel irgendwie so...
...und schlug damit auf den Arm des anderen. Derjenige, der zuerst einen tauben Arm hatte, hatte verloren.
Das war nur so ein Spiel und...
...Ich glaube, wir alle haben das auch so gesehen.
Ich glaube, Richard hatte damit angefangen.
Ja, er konnte manchmal echt brutal sein, immerhin war er ja älter.
Wenn ich heute daran zurück denke bin ich irgendwie froh darüber. Es hat einen härter gemacht.
In der Schule war ich immer der beste, wenn diese brutalen Spiele gespielt wurden...
...und dafür muss ich wohl Richard dankbar sein.
Weißt du noch, einmal, da hat Richard dir einen Hieb versetzt...
und dann hast du den an mich weiter gegeben und ich an Jimmy.
Das wurde dann...
...für dich etwas ganz selbstverständliches.
Jüngere Brüder sind dafür da, einen Hieb versetzt zu bekommen. Wenn er dich ärgert, hau ihn!
Aber wir haben uns natürlich auch um einander gekümmert...
...und wir haben vieles gemeinsam gemacht.
Ganz egal, ob das nun Radfahren, Rollerskaten oder Skateboardfahren war.
Vier Jungs alleine haben niemals Langeweile.
Und eigentlich haben wir uns nie ernstlich zerstritten, oder?
Jedenfalls nicht grundsätzlich. Natürlich gab es keinere Streitigkeiten...
...aber eigentlich waren wir immer die allerbesten Freunde.
Ich glaube, seit mein Vater das Sorgerecht verloren hatte...
...hat er von uns nicht mehr ernstlich erwartet, dass wir gegen unsere Mutter Stellung beziehen würden.
Aber vielleicht hätte es ihm ja geholfen, wenn wir es getan hätten.
Ich frag mich manchmal, ob das nicht so eine Art heimlicher Test war,
um herauszufinden, auf wessen Seite wir eigentlich standen.
Aber solche Tests kann man unmöglich bestehen.
Als Kind geschiedener Eltern...
...lernt man sehr schnell, sich neutral zu verhalten und so niemanden vor den Kopf zu stoßen.
Aber man ist wahrscheinlich niemals gut genug darin.
Aber ich habe es versucht...
...und tue es wohl noch immer.
In den späten Neunzigern...
...sah es mit einemmal so aus, als hätten Harold und meine Mutter tatsächlich sowas wie ein intaktes Familienleben.
Nicht auf allem Ebenen, aber immerhin auf einigen.
All das brach jedoch zusammen, als Harold...
...herausfand, dass meine Mutter fremdging.
Danach haben sie sich scheiden lassen.
Meine Mutter hat sich 2010 nach Frankreich zurückgezogen.
Sie lebt dort ganz allein, aber sie lernt Französisch und kann sich ganz gut beschäftigen.
Sie hat mir diesen Zeitungsausschnitt über ihre dortige Rentnergruppe geschickt.
Manchmal frage ich mich, ob sie sich selbst in dieses Exil verbannt hat.
Als meine Mutter...meine Vater verliess, war er danach lange Zeit extrem schweigsam.
Sehr...in sich selbst vertieft.
Er saß herum und dachte nach. Man konnte regelrecht sehen, wie er über diese und jene Dinge nachgrübelte.
Das war total untypisch für ihn.
Wir fingen an, uns ernsthaft Sorgen zu machen.
Aber heute ist er ganz anders.
Er kommt einem regelrecht glücklich vor, zufrieden mit seinem Leben,
...und das scheint auch so zu bleiben.
Ich habe mich gefragt, ob ich eigentlich eine fürchterliche Kindheit hatte.
Ich glaube, nicht. Ich hatte sogar eine recht gute Kindheit.
Ich glaube, wir hatte alle eine gute Kindheit. Unter dem Strich.
Natürlich war nicht alles perfekt, aber das gilt wohl für alle Dinge.
Ich hatte nicht nur eine gute Kindheit, ich habe meine Familie regelrecht geliebt...
...ich bin gern dort aufgewachsen.
- ich möchte das Ganze nicht zu negativ darstellen, denn es gibt einen Haufen Dinge,
...an die ich mich gerne erinnere.
Das will ich hoffen. Wir haben gerade letzlich darüber gesprochen...
...über gemeinsame Urlaube und Kindheitserinnerungen und dein Vater hat gesagt:
"Es war doch eigentlich recht schön, oder?"
...und ich hoffe, du stimmst dem zu.
Ich weiß nicht, ob das alles nur Zufall ist...
...aber niemand aus unserer Familie ist in Oldham geblieben.
Wir alle sind da schon lange weg, und heute sind wir wie in alle Winde zerstreut.
Devon, Cheshire, Yorkshire.
China, Frankreich, Deutschland.
Es ist komisch, wenn man dann mal wieder in Oldham ist.
Ich kenne dort niemanden, niemand kennt mich.
All die Orte, an denen man bestimmte Dinge erlebt hat...
...bedeuten einem plötzlich nichts mehr.
Sie sind einfach nur Stein und Mörtel.
Es ist fast schon komisch, dass es diese Orte übehaupt noch gibt.
Wahrscheinlich erwartet man, dass sie irgendwie verblassen, wie auf einem Foto.
Oder man erwartet, dass man ein wenig sentimental wird...
...anstatt einfach nur den Ort wiederzuerkennen.
Aber all jene Häuser und Strassen und Schulen gehören heute anderen Leuten.
Und so muß es wohl auch sein.
- Ich erinnere mich, dass du einmal gesagt hast, diese Sache hätte dir dein Vertrauen in den Menschen geraubt.
Ja. Das stimmt. Es ist immer noch so. Unglücklicherweise.
Auf die eine oder andere Weise...
...egal, ob es richtig oder falsch ist...
...oder ob jemand sagt: "Vergiss es. Zieh einen Schlußstrich. Lass es hinter dir."
Natürlich stimmt das irgendwie, aber niemand kann halt raus aus seiner eigenen Haut, verstehst du?
Das alles hat ihn sehr tief verletzt. Die Ungerechtigkeit des Ganzen...
Er hat das nicht vergessen können. Wir beide haben es nicht vergessen können.
Es ist ein Teil des eigenen Lebens geworden,
ein Teil der eigenen Persönlichkeit, dessen, was man ist und wer man ist...
Man weiß nun, das das Gute und Richtige nicht immer gewinnt...
Das hört sich vielleicht ein wenig naiv an, aber...
...diese Einsicht hat uns nachträglich ziemlich verbittert. In vielerlei Hinsicht.
Dein Vater ist wirklich verbittert.
Das, was mich die ganze Zeit beschäftigt hat, ist die Frage:
"Wer hat uns in dieses Minenfeld hineingeführt?"
Ich hab niemals durch dieses Minenfeld hindurchlaufen wollen, genauso wenig wie die anderen.
Falls ich uns dort hinein geführt habe, dann würde ich mir sagen:
"Verflucht nochmal, Graham." Und dann wird mir klar, nein...
...ich war es nicht. Vielleicht habe ich uns alle an den Rand des Feldes gebracht, aber nicht hinein.
Hast du nicht manchmal auch die Nase voll davon?
35 jahre...ich möchte mich am liebsten umdrehen und einfach weggehen.
Klar, man hat seine kleinen Trotzanfälle, in denen man am liebsten alles hinschmeissen möchte,
aber dann macht man doch einfach weiter.
Freda hatte eine ganze Menge durchzustehen. Es war für sie wirklich schwierig.
Vor 20 Jahren hätte sie wahrscheinlich einfach gesagt: "Ich schaffe das nicht mehr."
"...Ich bin am Ende meiner Kraft," Ich hätte ihr das nicht übelgenommen.
- kannst du dir vorstellen, dass es besser werden könnte? Nein.
- oder dass etwas passieren würde und plötzlich wäre alles wieder in Ordnung?
Nein. Nein. Es wird sich nicht mehr ändern. o
Jeder hat sich hinter seiner eigenen Meinung vergraben, nach all den Jahren.
Niemand von uns wird plötzlich ausrufen: "Ah! Jetzt weiß ich, was wir falsch gemacht haben!"
Niemand wird plötzlich eine Lösung wissen. Sowas wird nicht passieren.
Und darin liegt das Traurige, die Tragödie.
Und wenn ich mir manchmal sagen muss, das ich aus diesem Grund Menschen verletzt habe,
...Dann ist das ein gräßlicher Gedanke, etwas, das man sich...
...nie verzeihen kann.
Ich glaube, wir haben uns noch immer nicht wirklich erholt von dem, was damals passiert ist.
Kinder haben wohl ein Recht auf Unschuld, aber das macht keinen Unterschied.
Wie bei einem Atomunfall wird alles getroffen, was in Reichweite ist.
Jedes Ding hat seine eigene Geschichte, nichts ist, was es scheint.
Mit dem radioaktiven Niederschlag muss man den Rest seines Lebens klarkommen.
Er lässt sich nicht einfach abwaschen.
Kaum einer von uns hat noch Kontakt zu Libbie.
Richard lebt in China. Einmal pro Jahr kommt er zu Besuch.
Ich treffe mich so häufig wie es geht mit Damian, aber er hat kaum Kontakt zu Libbie oder Richard.
Niemand hat Kontakt zu Jimmy.
Harokd treffe ich vielleicht ein oder zweimal pro Jahr.
Mit meiner Mutter telefoniere ich alle paar Monate, aber ich habe keine Ahnung, wann ich sie wiedersehen werde.
Am meisten Kontakt habe ich zu meinem Vater und Freda. In der Regel sehen wir uns einmal pro Woche.
Alles scheint einigermaßen okay, allerdings hätte wohl niemand was gegen eine Verbesserung.
...Aber wer hat schon eine perfekte Familie?