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Computer, Mobiltelefone, Tablets – sie alle sind mehr als blosse Technik. Sie sind die
Türen zu einer schönen neuen Welt – zu einer Welt unendlicher Vernetzung, Informationsfluten
und unternehmerischer Möglichkeiten. Und diese schöne, neue Welt platzt bereits jetzt
aus allen Nähten: Facebook hat bald mehr Nutzer, als China Einwohner und Twitter ist
drauf und dran, Brasilien zu überholen. Noch dazu sind die Schwellen zur digitalen
Welt dabei, unsichtbar zu werden und sich in unseren Körper und Geist zu verlagern.
Reicht es in Zukunft, kurz zu blinzeln, um auf Wikipedia zuzugreifen? Können wir bald
Freunde in World of Warcraft treffen, ohne mit der Wimper zu zucken? Möglich. Die Frage
ist nur, wie wir, als Individuen, mit diesen überwältigenden Entwicklungen umgehen sollen?
Wie können wir nicht nur erfolgreich, sondern auch glücklich werden in unserem digitalisierten
privaten UND beruflichen Leben?
Kurz: was ist ein gutes digitales Leben? Sollen wir noch einmal die Stoiker lesen?
Allen digitalen Verlockungen entsagen und leben wie ein technologischer Mönch? Oder
das digitale Leben voll auskosten – ganz ohne Reflektion? Natürlich liegt die Antwort
irgendwo dazwischen. Unsere Forschung weist auf fünf zentrale Dichotomien hin, von deren
Balance das gute digitale Leben abhängt. Fünf Lichtungen im digitalen Dschungel.
1. Das Ich und das Wir In der digitalen Welt ist niemand allein,
aber viele fühlen sich dennoch einsam. Denn was wir sehen, ist oft eine Verzerrung der
Realität. Internetnutzer neigen dazu, ihr Leben als eine Reihe von Highlights zu präsentieren:
warum verbringen wir unsere Freizeit nicht damit, mit Tom Cruise Hai-Sushi in Mexiko
zu essen, während wir unsere gephotoshoppten Körper im Google-Hubschrauber bräunen? Es
ist wichtig, sich diese Verzerrung ab und zu bewusst zu machen. Neid und Angst, etwas
zu verpassen, vermiesen uns sonst das Leben. Denken Sie kurz nach, bevor Sie das nächste
Mal mailen, twittern, einen Beitrag schreiben oder kommentieren. Was bedeutet es für mich
und was bedeutet es für die anderen? Poste ich nur, um mit der Konkurrenz mitzuhalten?
Oder weil es wirklich sinnvoll ist? Finden Sie die Balance zwischen Over- und Undersharing
– und bahnen Sie sich so einen Weg durchs digitale Dickicht.
2. Das Bekannte und das Unbekannte Nehmen Sie sich vor sozialen Blasen in Acht:
jedes Mal, wenn Sie Google oder Facebook nutzen, Musik auf Spotify hören oder bei Amazon einkaufen,
füttern Sie Algorithmen mit Ihrer bevorzugten Informationsdiät, treu nach Speiseplan. Doch
solange Sie ihre Comfort-Zone nicht verlassen, gibt‘s nur mehr desselben – was nicht
nur, naja, etwas langweilig ist, sondern Sie auch daran hindert, sich persönlich und beruflich
weiterzuentwickeln. Erinnern Sie sich noch daran, wie Sie Ihren Partner oder Ihre Partnerin
kennengelernt haben? Weshalb haben Sie sich damals verliebt? Wir alle wissen: Sowohl Individuen
als auch Organisationen brauchen störende Kräfte, um sich weiterzuentwickeln!
Nutzen Sie alternative Suchmaschinen und tauchen Sie in die Unterwelt des Netzes ein! Aber
schauen Sie auch offline nach relevanten Informationen um. Reden Sie mit Ihren echten Freunden über
neue Musik, diskutieren Sie über Politik mit dem Fremden im Zug. Kurz: Mischen Sie
sich unters Volk! Denn eine ausgewogenen digitale Ernährung führt zu „serendipity“ und
„accidental sagacity“: zu „glücklichen Zufallsbegegnungen“ und angenehmen Überraschungen,
die Kreativität und neue Ideen hervorbringen. Das Gleichgewicht zwischen dem Bekannten und
dem Unbekannten war schon immer der Resonanzaum für Innovationen.
3. Das Geben und das Nehmen Die digitale Welt ist eine Welt der Gespräche.
Aber: diese Gespräche trocknen aus, wenn niemand an ihnen teilnimmt. Natürlich funktioniert
die Demokratie auch dann einigermassen, wenn Sie die nächste Wahl auslassen. Und auch,
wenn Sie darauf verzichten, Fragen bei Yahoo zu beantworten oder Artikel für Wikipedia
zu schreiben, können Sie trotzdem profitieren. Doch wie lange können wir im Internet noch
nach Rat suchen, etwas mit Hilfe von Crowdsourcing finanzieren und gemeinsam Ideen und Produkte
entwickeln, wenn Sie sich weiter wie ein digitaler Couchpotato verhalten?
Ein Beitrag im Netz ist wie ein Händedruck im echten Leben. Je öfter wir uns virtuell
die Hände schütteln, desto mehr Vertrauen können wir aufbauen. Das gilt nicht nur für
den einzelnen Nutzer, auch Organisationen können das Vertrauen stärken: indem sie
ihre Geschäfts-und Datenschutzbedingungen klar kommunizieren und ihre virtuellen und
realen „Touchpoints“ verbinden: wir nutzen Ihre Daten und Sie bekommen das beste Angebot.
Die Balance zwischen Geben und Nehmen.
4. Das Private und das Öffentliche Suchen Sie einen neuen Job? Natürlich hat
die Personalchefin längst Ihre digitale Akte überprüft. Man muss nicht bei der NSA
sein, um Ihren digitalen Fussspuren zu folgen. Und das Problem ist: Internetnutzer neigen
dazu, das Persönliche mit dem Privaten zu verwechseln. Persönliche Informationen SIND
das Lebenselixier des Internet. Dank ihnen ist das Internet eine öffentliche Quelle
des Geschichtenerzählens, voll von eindeutigem UND unausgesprochenem Wissen. Dennoch gibt
es Bereiche im Leben, die nicht nur persönlich, sondern auch privat sind. Impulsive Handlungen
oder falsche Datenschutzeinstellungen können im Netz katastrophale Folgen haben. Werden
Sie zum Geschichtenerzähler, gestalten Sie Ihre Internetpräsenz als einen Fortsetzungsroman
für die Menschen, die Ihnen am Herzen liegen. Aber definieren Sie auch die GRENZEN Ihrer
Privatsphäre. Wann sollen die digitalen Vorhänge auch mal zu sein? Überprüfen Sie regelmässig
die Datenschutzeinstellungen Ihrer Suchmaschinen und sozialen Netzwerke! Und, vor allem: bringen
Sie ihr öffentliches und privates Ich in Einklang. Statt ein Doppelleben zu führen,
sollten wir uns alle in einem Balance-Akt der Authentizität üben.
5. Das An und das Aus Das Internet IST eine schöne neue Welt. Milliarden
von potentiellen Freunden auf Facebook und ein paar ziemlich interessante Artikel auf
Wikipedia. Ja, aber das Internet kann auch ziemlich stressig sein, ja, süchtig machen!
Checken Sie alle zehn Minuten Ihre Emails? Oh, in neuer Tweet von Lady Gaga?, Und schauen
Sie sich diese süsse kleine Mietzekatze... KONZENTRIEREN SIE SICH! Gehen Sie ab und zu
in die Tiefe, nicht immer nur in die Breite. Und noch was: Menschen lieben es, in geselliger
Atmosphäre zu sein. Nie wieder allein dank dem grossartigen Internet! Leider sind diese
Gefühle trügerisch. Gehen Sie in eine echte Bar, betrinken Sie sich, heulen Sie sich in
einer dunklen Ecke aus. Da haben Sie ihre gesellige Atmosphäre.
Wie haben es fast geschafft. Aber vergessen wir eines nicht: Die Menschen haben schon
IMMER gern die Schattenseiten neuer Medien betont. Plato meint: Schreiben macht uns dumm.
Durch das Fernsehen hat die Menschheit ihre moralischen Werte verloren und Computerspiele
sind die Wurzel allen Übels. Ganz so schlimm ist es nicht. Aber fragen Sie sich: ist das,
was ich tue, den Aufwand wert? Entspannt oder inspiriert es mich? Und muss ich das Handy
wirklich schon wieder aus der Tasche ziehen?
Die fünf Dichotomien werden Sie vor digitalem Stress bewahren und ein Leben als konzentriertes,
respektiertes und geselliges Mitglied des Internet ermöglichen. Und übrigens: versuchen
Sie mal, diesen kleinen Knopf oben rechts zu drücken. Oder ziehen Sie einfach gleich
den Stecker raus.
Schalten Sie einfach mal ab – JETZT!