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Herr Doktor Gleisner, was spricht gegen ein Deflationsszenario wie in Japan?
Also ganz grundsätzlich gehe ich davon aus, dass die Rahmenbedingungen in Europa nicht
direkt vergleichbar sind mit dem was wir in Japan in den letzten
gut 20 Jahren erlebt haben. Zunächst einmal muss man sehen, dass
die europäische Zentralbank in der jetzigen Krise sehr schnell eine
expansive Geldpolitik in die Wege geleitet hat, wie in Amerika auch. Das war in
Japan das wesentliche später der Fall. Im Endeffekt ist jetzt erst die
Expansion der Geldpolitik wirklich festzustellen. Der zweite Punkt
ist die Ausgangssituation in der Bewertung der Assets. Wir haben in Japan
eine erhebliche Überbewertung gehabt, sowohl der Aktien als auch der
Immobilien,
die abgebaut wurde, also das Bewertungsniveau ist gesunken. Eine
derartige Fehlbewertung von Assets haben wir in Europa nicht festgestellt,
sieht man von ein paar Rahmenbedingungen, Besonderheiten wie in Spanien
beispielsweise im Immobilienmarkt ab. Und der dritte Grund: In den letzten Jahren
hatten wir eigentlich regelmässig Aufwertungen des Yen gehabt,
abgesehen vielleicht von den letzten
paar Monaten, und diese Aufwertung des Yens hat natürlich auch den Preis nach
unten gedrückt. Die Importpreise sind gesunken. Alle diese Effekte erwarte ich
in Europa nicht, so dass die Wahrscheinlichkeit einer solchen
Deflationskrise in Europa sicher niedriger ist als wir sie in Japan erlebt
haben.
Welche Implikationen für Anleger ergeben sich daraus?
Also eine Deflationskrise ist grundsätzlich
eine sehr schwerwiegende Krise mit erheblichen negativen Auswirkungen
für die Anleger und deshalb muss man sich als Anleger auch mit dem Szenario
Deflationskrise auseinandersetzen, obwohl man sie vielleicht nicht für so
wahrscheinlich hält. Ein vorsichtiger Anleger braucht ein robustes Portfolio, also
ein Portfolio, das sich auch mit geringeren Wahrscheinlichkeiten eintretenden
Krisen auseinander setzt und da gehört sicherlich die Deflationskrise dazu.
Was heißt das konkret?
Nun muss sich die Basisstrategie der Kapitalanlage in der jetzigen Situation
dazu erstmal ansehen. Wir haben eine Konstellation in der die
Bewertungen an den Aktienmärkten moderat ist, in den letzen den 10, 15 Jahren seit
2000 ist das Wertungsniveau in den Aktien- märkten deutlichen nach unten gegangen.
Zugleich extrem niedrige Zinsen, insbesondere auch reale Zinsen an den
Anleihenmärkten. Damit würde man bei einer langfristigen Perspektive sagen, im
Prinzip sollte man fast das gesamte Vermögen in den Aktienmarkt investieren.
Falls man allerdings eine Deflationskrise erleben würde, müsste man davon
ausgehen, dass das erhebliche negative Auswirkung für die Aktienmärkte hat aber
Staatsanleihen relativ gut abschneiden würden. Also um die
Möglichkeit einer Deflationskrise im Anlagekalkül zu berücksichtigen,
macht es damit Sinn einen gewissen Anteil, je nach Risiko-
präferenzen und Anlagehorizont auch dennoch in den
schlecht rentierten Staatsanleihen bester Bonität vorzuhalten.