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Dieser Film war f�r mich ein langer und schwieriger Kampf. Ich h�tte ihn nicht in Angriff nehmen und beenden k�nnen ohne die Unterst�tzung und den festen Glauben einer Reihe von M�nnern und Frauen ; manche von ihnen sind nicht mehr unter uns. Dieser Film ist auch der ihre.
Ich danke den Mitgliedern meiner Crew, den M�nnern und Frauen, die an den Recherchen, Reportagen und der Filmarbeit beteiligt waren. Besonders danke ich lr�ne Steinfeldt-L�vi und Corinna Coulmas, die mir assistierten und sogar ihre pers�nliche Sicherheit in Stunden der Gefahr aufs Spiel setzten. Und Ziva Postec, mit der ich den Film geschnitten habe.
Mein Dank gilt auch Yehuda Bauer., Professorr f�r Zeitgen�ssische J�dische Geschichte an der Hebrew University of Jerusalem und Ra�l Hilberg, Professor f�r Politische Wissenschaften an der University of Vermont in Burlington, USA.
Die Geschichte beginnt in unseren Tagen, in Chelmno, Polen. Chelmno liegt etwa 80Kilometer nordwestlich von Lodz, mitten in einer Landschaft mit ehemals sehr dichter j�discher Bev�lkerung. In Chelmno fand die erste Judenvernichtung durch Gas in Polen statt. Sie begann am 7.Dezember 1941.
400 000 Juden wurden in Chelmno in zwei verschiedenen Zeitabschnitten ermordet : Dezember 194 1 bis Januar 1945. Die Methode, mit der die Juden umgebracht wurden, blieb bis zum Ende dieselbe : Gaswagen.
Von den 400 000 M�nnern, Frauen und Kindern, die an diesen Ort gebracht wurden, gibt es zwei �berlebende : Micha�l Podchlebnik und Simon Srebnik. Simon Srebnik, �berlebender der zweiten Periode, war damals ein Kind von dreizehneinhalb Jahren. Sein Vater war vor seinen Augen im Getto von Lodz umgebracht worden, seine Mutter wurde in den Wagen von Chelmno vergast.
Die SS steckte ihn in ein Kommando von � Arbeitsjuden �, die das Funktionieren der Vernichtungslager gew�hrleisteten und selber f�r den Tod bestimmt waren. Er trug Ketten als Fu�fesseln, wie alle seine Leidensgenossen : so ging der junge t�glich durch das Dorf Chelmno.
Er blieb warscheinlich deshalb l�nger verschont als die anderen, weil er von aussergew�hnlicher Behendigkeit war, weshalb er bei den Spring- und Schnelligkeitswettbewerben gewann, die die N#azis unter den Angeketteten veranstalteten. Und wegen seiner melodi�sen Stimme.
Mehrmals in der Woche fuhr Simon Srebnik das kleine Fl��chen N#er hinauf zu den St�llen der SS, um dort die Kaninchen zu f�ttern, auf einem flachen Kahn, begleitet von einem Wachposten, bis an den Dorfrand hin zu den Luzernenfeldern. Er sang dabei polnische Volksweisen, un der Wachposten brachte ihm daf�r preu�ische Milit�rlieder bei.
AlIe in CheImno kannten ihn. Die poInischen Bauern, aber auch die deutschen Einwohner, denn diese poInische Provinz war sofort nach dem FalI von Warschau annektiert, germanisiert und in WartheIand unbennant worden. So wurde aus CheImno Kulmhof, Lodz wurde zu Lltzmannstadt, KoIo zu Warthbr�cken usw.
Die deutschen Siedler hatten sich �berall im Wartheland niedergelassen, in Chelmno selbst gab es sogar eine deutsche Volksschule. In der N#acht zum 18. Januar 1945, zwei tage vor Eintreffen der sowjetischen Truppen, t�teten die N#azis die letzten � Arbeitsjuden � mit Genickschu�.
Auch Simon Srebnik wurde so hingerichtet. Die Kugel traf kein lebenswichtiges Organ. Als er wieder zu sich gekommen war., kroch er in einen Schweinestall. Ein polnischer Bauer nahm ihn auf. Ein Stabsarzt der Roten Armee behandelte ihn und rettete ihm das Leben. Einige Monate sp�ter reiste Simon Srebnik mit anderen �berlebenden nach Tel Aviv aus.
Und in lsrael habe ich ihn auch wiederentdeckt. Ich konnte den singenden Jungen von einst davon �berzeugen, mit mir nach Chelmno zur�ckzukehren. Er war 47 Jahre alt.
Er war 13 1/2 Jahre alt. Er hatte eine gute Stimme.
Er sang sehr sch�n. Und wir h�rten ihn.
Als ich seine Stimme h�rte, schlug mein Herz st�rker.
Denn was hier geschah, war Mord.
Die Vergangenheit lebte wieder in mir auf.
Die Deutschen lie�en ihn wohl absichtlich auf dem Flu� singen.
Sie am�sierten sich �ber ihn.
Er mu�te das machen.
Er sang, aber sein Herz weinte.
Weint auch ihr Herz, wenn sie daran denken?
Nat�rlich, sehr.
Wenn die Familie zusammenkommt, sprechen sie noch davon.
Es war ja bekannt, jeder konnte es sehen.
Er meint, das war der Sarkasmus der Deutschen:
Sie brachten Menschen um, und er mu�te singen.
So sah ich es.
Was ist in Chelmno in ihm gestorben?
Alles starb in ihm.
Aber wir waren nur Menschen, wir wollten leben.
Also mu�ten wir vergessen.
Der andere �berlebende: Mordechai PODCHLEBNlK lsrael
Er dankt Gott f�r das, was blieb, und da� er vergi�t.
Man sollte nicht dar�ber sprechen.
lst es nicht gut, dar�ber zu sprechen?
Nein, f�r mich ist es nicht gut.
Und warum spricht er trotzdem dar�ber?
Weil er jetzt dar�ber sprechen mu�.
Er hat sogar B�cher �ber den Eichmann-Proze� bekommen,
bei dem er als Zeuge aussagte, aber er liest sie nicht.
Hat er einfach so �berlebt, oder...
Er hat damals gelebt wie ein Toter.
Er hat nie geglaubt, da� er �berleben w�rde.
Aber... er ist am Leben.
Warum l�chelt er immer?
H�tten Sie es lieber, wenn er weinen w�rde?
Mal l�chelt man eben, und mal weint man.
Wenn man lebt, ist l�cheln besser.
Warum interessierte sie sich so sehr f�r diese Geschichte?
Hanna ZAlDL, lsrael Tochter von Motke ZAlDL, �berlebender von WlLNA (Litauen)
Das ist eine lange Geschichte.
Als kleines M�dchen hatte ich wenig Kontakt zu meinem Vater.
Er arbeitete ausw�rts, ich sah ihn selten.
Und er war ein stiller Mensch, er sprach kaum mit mir.
Sp�ter, als ich �lter und stark genug war,
fragte ich ihn immer und immer wieder,
bis er mir nach und nach alles sagte - was ihm schwerfiel.
Anfangs antwortete er mir nur in Halbs�tzen.
lch mu�te ihm jede Einzelheit entrei�en.
Und schlie�lich, als dann Herr Lanzmann kam,
h�rte ich die Geschichte noch einmal am St�ck.
Motke ZAlDL
Wald von Ben Shemen lsrael
Hier sieht es wie in Ponari aus, der Wald, die Gr�ben,
man meint fast, die Leichen w�ren hier verbrannt worden.
Nur war der Boden in Ponari nicht so felsig.
lm Wald von Ponari wurden die meisten Juden aus Wilna umgebracht.
Aber die W�lder in Litauen sind doch dichter als die in lsrael?
Das stimmt.
Es waren �hnliche B�ume, aber h�her und breiter.
Wald des Vernichtungslagers von Sobibor (Polen)
Wird heute im Wald von Sobibor gejagt?
Ja, hier wird immer gejagt, es gibt viel Wild hier.
Wurde damals auch gejagt?
Nein, damals wurde hier nur Jagd auf Menschen gemacht.
Jan PlWONSKl
Manche versuchten zu fliehen.
Aber die Opfer kannten die Gegend nicht.
Ab und zu h�rte man Minen explodieren.
Dann fand man entweder ein Reh
oder einen armen Juden, der zu fliehen versuchte.
Das ist der Reiz unserer W�lder, diese Ruhe und Sch�nheit.
Aber so ruhig war es hier nicht immer.
Damals hallte der Wald hier wider von Schreien,
Sch�ssen,
Hundegebell.
Und besonders jene Zeit
hat sich in das Ged�chtnis der Menschen eingegraben,
die damals hier lebten.
Nach dem Aufstand beschlossen die Deutschen,
das Lager aufzul�sen.
Und im Winter Anfang 1943
pflanzten sie hier junge Tannen,
um alle Spuren zu verwischen.
Diese B�ume dort?
Ja.
Hier waren �berall Massengr�ber?
Ja.
Als er 1944 zum ersten Mal hierherkam,
war nicht mehr zu erkennen, was hier geschehen war.
Man sah dem Wald nicht an,
da� er das Geheimnis eines Vernichtungslagers verbarg.
Was ging in ihm vor, als er die ersten Leichen auslud,
als sich zum ersten Mal die T�ren des Gaswagens �ffneten?
Was konnte er tun? Er weinte.
Am dritten Tag sah er seine Frau und seine Kinder.
Er legte seine Frau in die Grube und bat um seinen Tod.
Die Deutschen sagten, er k�nne noch arbeiten,
man werde ihn noch nicht t�ten.
War es sehr kalt?
Es war Winter, Anfang Januar 1942.
Verbrannte man die Leichen nicht, begrub man sie nur?
Man begrub sie und bedeckte jede Schicht mit Erde.
Man verbrannte sie noch nicht.
Es waren vier oder f�nf Schichten.
Die Gruben waren trichterf�rmig.
ln diese Gruben warfen sie die Leichen.
Sie mu�ten sie wie die Heringe legen.
Sie haben also all die Juden von Wilna ausgegraben
und verbrannt?
Ja.
Anfang Januar 1944 begann man, die Leichen auszugraben.
Als man das letzte Grab �ffnete,
fand ich darin meine ganze Familie.
Welche Familienmitglieder hat er damals erkannt?
Seine Mutter und seine drei Schwestern mit ihren Kindern.
Sie lagen alle dort.
Wie hat er sie erkannt?
Yitzhak DUGlN �berlebender von Wilna
Da sie nur vier Monate in der Erde lagen und es Winter war,
waren sie noch nicht verwest.
So erkannte ich sie an ihren Gesichtern und Kleidern.
Wurden sie erst kurz zuvor umgebracht?
Ja.
Und das war die letzte Grube?
Ja.
Die Nazis lie�en die Gruben also bewu�t so �ffnen,
da� mit den �ltesten begonnen wurde?
Ja.
Die letzten Gruben waren die j�ngsten.
Mit den �ltesten wurde begonnen, vom ersten Getto.
ln der ersten Grube lagen 24.000 Leichen.
Je tiefer man grub, um so flacher waren die Leichen.
Es war wie eine platte Scheibe.
Wollte man eine Leiche aufnehmen, zerfiel sie.
Man konnte sie nicht festhalten.
Man zwang uns, die Gruben ohne Werkzeuge zu �ffnen.
Sie sagten: ''Gew�hnt euch daran, mit den H�nden zu arbeiten!''
Sie fingen mit den H�nden an zu graben?
Ja.
Als wir begannen, die Gruben zu �ffnen,
brachen wir alle in Tr�nen aus.
Da kamen die Deutschen und schlugen uns fast tot.
Wir mu�ten zwei Tage in einem Wahnsinnstempo arbeiten,
ohne Werkzeuge. St�ndig wurden wir geschlagen.
Alle haben geweint?
Die Deutschen verboten uns auch Worte wie ''Tote'' oder ''Opfer''.
F�r sie waren das nur Holzst�cke oder Dreck.
F�r sie hatte das keine Bedeutung, es war nichts!
Sagte man ''Toter'' oder ''Opfer'', schlugen sie einen.
Die Deutschen zwangen uns, die Leichen ''Figuren'' zu nennen,
also Marionetten, Puppen
oder ''Schmattes'', das sind Lumpen.
Sagte man lhnen, wie viele ''Figuren'' in den Gruben waren?
Der Leiter der Gestapo in Wilna sagte uns:
''Da liegen 90.000 Leute drin.''
''Von denen darf keine Spur �brigbleiben!''
Richard GLAZAR Basel (Schweiz)
Treblinka
Nachdem alles vorbereitet war,
wurde eine brennbare Fl�ssigkeit dar�bergegossen.
Dann z�ndete man es an.
Man wartete, bis ein starker Wind wehte.
Gew�hnlich brannte der Scheiterhaufen 7 oder 8 Tage.
Sie sind nie nach Polen zur�ckgekehrt? - Nein.
lch hatte es oft vor.
Aber was w�rde ich dort sehen?
Wie sollte ich dem gegen�bertreten?
Meine Gro�eltern sind in Lodz begraben.
Einmal h�rte ich von jemandem, der in Polen war,
da� sie den Friedhof einebnen, beseitigen wollten.
Was soll ich also dort?
Wann starben lhre Gro�eltern?
Meine Gro�eltern starben im Getto, ziemlich fr�h.
Sie waren schon alt, nach einem Jahr
starb mein Gro�vater und ein Jahr sp�ter meine Gro�mutter.
lm Getto.
Paula BlREN Cincinnati (USA) �berlebende von Auschwitz
Der j�dische Friedhof von Lodz heute
Die Stadt Auschwitz
Frau Pietyra, Sie sind aus Auschwitz?
Ja, ich bin hier geboren.
Sie haben Auschwitz nie verlassen?
Nein, nie.
Gab es vor dem Krieg Juden in Auschwitz?
80 % der Bev�lkerung waren Juden.
Es gab sogar eine Synagoge.
Nur eine?
Ja, nur eine, glaube ich. - Existiert sie noch?
Nein, sie wurde zerst�rt. Jetzt steht da was anderes.
Gab es in Auschwitz einen Judenfriedhof?
Der Friedhof existiert immer noch, aber er ist geschlossen.
Es gibt ihn noch? - Ja.
Was hei�t, er ist geschlossen?
Es wird niemand mehr dort beerdigt.
Gab es in Wlodawa eine Synagoge?
Ja, sogar eine sehr sch�ne.
Schon als der Zar noch �ber Polen herrschte,
existierte diese Synagoge.
Sie ist sogar �lter als die katholische Kirche.
Sie wird nicht mehr genutzt.
Es gibt keine Gl�ubigen mehr.
Die Geb�ude haben sich nicht ver�ndert?
�berhaupt nicht. Hier standen die Heringsf�sser.
Die Juden verkauften Fische.
Hier waren die St�nde, kleine L�den,
j�dische H�ndler, sagt der Herr.
Das war das Haus von Barenholz.
Er handelte mit Holz.
Dort war der Laden von Lipschitz, dem Tuchh�ndler.
Hier war der von Lichtenstein.
Und was war dort dr�ben?
Ein Lebensmittelladen. - Ein j�discher?
Ja.
Hier kaufte man Kurzwaren,
Faden, Nadeln usw.
Und dort waren drei Friseure.
Pan FlLlPOWlCZ
Ein sch�nes Haus. - Ein j�disches.
Und das kleine hier? - Das auch.
Und das da hinten? - Alles H�user von Juden.
Und das da links? - Das auch.
Und hier wohnte Borenstein?
Ja, er handelte mit Zement.
Er sah gut aus und war sehr gebildet.
Hier war Tepper, der Schmied.
Das war ein j�disches Haus.
Hier war ein Schuhmacher.
Wie hie� der?
Yankel? - Ja.
Man hat den Eindruck, in Wlodawa gab es nur Juden.
Das stimmt auch.
Die Polen waren weiter drau�en, im Zentrum lebten nur Juden.
Was ist mit den Juden von Auschwitz geschehen?
Sie wurden vertrieben und umgesiedelt.
Aber wohin, wei� ich nicht.
Wann war das?
Das fing 1940 an, damals bin ich hier eingezogen.
Diese Wohnung hat auch Juden geh�rt.
Aber nach unserer lnformation
wurden die Juden ''umgesiedelt'', wie man sagte,
nach Benzin - ganz in der N�he -
und Sosnowiecze in Oberschlesien.
Ja, das waren auch j�dische St�dte.
Wei� sie, was sp�ter mit den Juden von Auschwitz geschah?
lch glaube, sie kamen alle ins Lager.
Sie kamen also nach Auschwitz zur�ck?
Ja.
Auschwitz-Birkenau
Alle m�glichen Leute von �berallher
wurden hierhergebracht.
Alle Juden, die hierherkamen, mu�ten sterben.
Was haben sie sich gedacht,
als alle Juden aus Wlodawa nach Sobibor deportiert wurden?
Wlodawa - Sobibor 15 km
Was sollte man schon denken?
Das bedeutete ihr Ende, sie haben es selbst vorhergesehen.
Warum?
Schon vor dem Krieg, wenn man mit Juden sprach,
sahen sie ihr Ende nahen. Weshalb, wei� der Herr nicht.
Sie f�hlten es schon vor dem Krieg.
Wie wurden sie nach Sobibor gebracht? Zu Fu�?
Es war schrecklich. Er war selbst dabei.
Man trieb sie zum Bahnhof Orkrobek.
Zun�chst brachte man die Alten dorthin,
wo schon Viehwaggons auf sie warteten.
Dann kamen die j�ngeren Juden dran.
Zum Schlu� die Kinder.
Das war das Schlimmste.
Man warf sie auf die anderen, die schon eingesperrt waren.
Gab es in Kolo selbst viele Juden?
Sehr viele.
Mehr Juden als Polen.
Was geschah mit den Juden von Kolo? Hat er das selbst gesehen?
Pan FALBORSKl
Ja, es war schrecklich.
Nicht einmal die Deutschen wollten es mit ansehen.
Man trieb die Juden zum Bahnhof und schlug auf sie ein.
Viele wurden get�tet.
Hinterdrein fuhr ein Karren, auf den man die Leichen legte.
Wer nicht gehen konnte, wurde get�tet?
Ja, jeder der umfiel. - Wo war das?
Die Juden wurden in der Synagoge von Kolo gesammelt.
Dann trieb man sie zum Bahnhof.
Von dort kamen sie mit der Bahn nach Chelmno.
Die Juden von Kolo. Aber die anderen aus der Gegend?
Denen ging es allen genauso.
Es wurden auch Juden in den W�ldern bei Kalisz umgebracht,
nicht weit von hier.
Da war ein Schild, ein kleines Schild am Bahnhof Treblinka.
lch wei� nicht, ob wir wirklich ganz am Bahnhof waren.
An dem Gleis, wo wir waren, stand ''Treblinka''.
Abraham BOMBA �berlebender von Treblinka Tel Aviv
lch hatte noch nie was von Treblinka geh�rt.
Niemand kannte es, da ist keine Stadt,
nicht einmal ein kleines Dorf.
Treblinka �ber die Landstra�e
Die Juden tr�umten immer.
Das geh�rte zu ihrem Leben,
zu ihrem Hoffen auf Erl�sung,
da� sie davon tr�umten, eines Tages frei zu sein.
Das galt vor allem f�rs Getto.
Jeden Tag, jede Nacht
tr�umte ich, es w�rde besser werden.
Es war nicht nur der Traum, sondern die Hoffnung im Traum.
Der erste Transport von Czestochowa
ging am Tag von Jom Kippur ab.
Am Tag vor dem Laubh�ttenfest ging der zweite Transport ab.
Da war ich dabei.
ln meinem Herzen sp�rte ich, da� das nicht gut war.
Wenn sie Kinder und Alte mitnehmen,
bedeutet das nichts Gutes.
Es hie�, sie w�rden an einen Ort gebracht, wo es Arbeit gab.
Aber eine alte Frau oder ein Kind von ein paar Wochen
oder auch 5 Jahren - was sollen die arbeiten?
Das war verr�ckt.
Aber wir hatten keine Wahl, wir glaubten es.
Er ist 1923 hier geboren.
Er wohnt heute noch hier.
Wohnte er genau hier? - Ja, genau hier.
Dann sa� er sozusagen in der ersten Reihe.
Nat�rlich.
Man konnte hingehen und zusehen.
Czeslaw BOROWl
Ein Teil ihrer Felder lag jenseits des Bahnhofs.
Zum Arbeiten mu�te er �ber die Gleise r�ber.
So konnte er alles sehen.
Erinnert er sich an die Ankunft des ersten Judentransports
aus Warschau am 22.Juli 1942?
Ja.
Daran erinnert er sich sehr gut.
Als all die Juden hierhergebracht wurden,
fragten sich die Leute: ''Was wird man mit ihnen machen?''
Da� sie umgebracht w�rden, ahnte man, nur noch nicht, wie.
Als man anfing zu begreifen,
waren sie entsetzt und sagten,
so lange die Welt besteht,
habe man noch nie so viele Menschen so umgebracht.
Als all das vor ihren Augen geschah,
lebten und arbeiteten sie da ganz normal weiter?
Nun... Nat�rlich arbeiteten sie weiter,
aber ohne rechte ***.
Sie mu�ten arbeiten.
Aber als sie das alles sahen, fragten sie sich,
ob sie nicht vielleicht als n�chste dran w�ren.
Hatten sie Angst um die Juden?
Er sagt: ''Na ja, schneide ich mich in den Finger,''
''tut es dem anderen nicht weh.''
Aber sie sahen, was mit den Juden geschah.
Die Leute kamen mit den Transporten in die Lager
und verschwanden.
Er hatte 100 m vom Lager entfernt ein Feld.
Nur 100 m vom Lager!
Er arbeitete dort auch w�hrend der Besatzung.
Auf seinem Feld? - Ja.
Da sah er, wie man sie umbrachte.
Er h�rte sie schreien, er sah alles.
Da war ein kleiner H�gel, von dem aus man alles sehen konnte.
Was sagt der andere?
Man durfte nicht zuschauen.
Das war verboten, und die Ukrainer schossen sofort.
Aber sie durften 100 m vom Lager entfernt auf dem Feld arbeiten?
Das durfte man.
Manchmal warf er einen Blick hin,
wenn die Ukrainer nicht schauten.
Und sonst sah er bei der Arbeit zu Boden?
Ja.
Er arbeitete direkt am Stacheldraht.
Er h�rte f�rchterliche Schreie. - War dort sein Feld?
Ja, gleich daneben.
Es war nicht verboten, dort zu arbeiten.
Und dort bestellte er den Boden?
Ja, selbst das, wo jetzt das Lager ist,
war mal zum Teil sein Feld.
Dort hatte er ein Feld?
Man durfte nicht rein, aber man h�rte alles.
St�rte es ihn nicht, so nah bei den Schreien zu arbeiten?
Am Anfang war es unertr�glich. Sp�ter gew�hnte man sich daran.
Gew�hnt man sich an alles?
Ja.
Heute scheint es ihm, als w�re das alles nicht wahr.
Und doch war es so.
Er sah, wie die Transporte ankamen.
Jeder bestand aus 60 bis 80 Waggons.
Es gab zwei Lokomotiven.
Sie brachten den Transport ins Lager,
immer 20 Waggons auf einmal.
Und diese 20 Waggons kamen dann leer zur�ck?
Ja. - Erinnert er sich noch...
Es lief so ab:
Eine Lokomotive nahm 20 Waggons
und brachte sie ins Lager.
Es dauerte etwa eine Stunde.
Dann kamen die leeren Waggons wieder heraus.
Dann nahm man die n�chsten 20 Waggons.
lnzwischen waren die aus den ersten Waggons schon tot.
Sie warteten, sie weinten,
sie bettelten um Wasser, sie starben...
Oft waren sie v�llig nackt,
bis zu 1 70 Personen in einem Waggon.
Hier gab man den Juden Wasser.
Wo gab man ihnen Wasser?
Hier. Wenn die Transporte hier ankamen.
Wer gab ihnen Wasser?
Wir Polen.
Da war ein kleiner Brunnen, man nahm eine Flasche...
War das nicht gef�hrlich?
Es war sehr gef�hrlich.
Man konnte get�tet werden, wenn man ihnen Wasser gab.
Aber wir haben es trotzdem getan.
lst es hier im Winter sehr kalt?
Es kommt drauf an.
Manchmal haben wir sogar -25, -30 Grad.
Was war schlimmer f�r die Juden, der Sommer oder der Winter,
wenn sie hier warten mu�ten?
Er meint, der Winter, weil es so kalt war.
Aber in den Waggons war es so eng,
da� die K�lte vielleicht nicht einmal das Schlimmste war.
Und im Sommer erstickten sie fast, weil es so hei� war.
Sie hatten schrecklichen Durst, sie versuchten rauszukommen.
Gab es schon Tote in den Waggons, als sie hier ankamen?
Nat�rlich.
Sie waren so zusammengepfercht,
da� die noch Lebenden sogar auf den Leichen sa�en.
Aber konnte man vom Bahnsteig aus
denn durch die Ritzen in die Waggons sehen?
Ja, man konnte manchmal im Vorbeigehen hineinsehen.
Manchmal konnte man ihnen auch Wasser geben.
Wie versuchten die Juden aus den Waggons zu kommen?
Die T�ren blieben doch zu?
Durch die Fenster. - Ah, durch die Luken!
Sie machten den Stacheldraht ab. - Es war Stacheldraht davor?
Ja. Sie sprangen aus den Fenstern.
Manche setzten sich dann einfach auf den Boden
und lie�en sich von den Wachen in den Kopf schie�en.
Sie sprangen heraus, man mu�te das sehen,
wie sie aus den Fenstern sprangen.
Da war eine Mutter mit ihrem Kind...
Eine J�din?
Ja, sie rannte mit ihrem Kind weg.
Man scho� auf sie.
Sie haben der Mutter ins Herz geschossen.
Der Herr lebt schon lange hier. Er kann es nicht vergessen.
Er sagt, er versteht nicht,
wie ein Mensch dem anderen so etwas antun kann.
Das ist einfach unbegreiflich.
Einmal bettelten die Juden um Wasser, da kam ein Ukrainer
und verbot, ihnen welches zu geben.
Die J�din, die danach verlangte,
warf ihm den Topf an den Kopf.
Daraufhin trat der Ukrainer etwas zur�ck,
etwa 10 m, und scho� einfach in den Waggon.
Alles war voller Blut und Hirn.
Viele �ffneten die T�ren
oder sprangen aus den Fenstern.
Manchmal schossen die Ukrainer durch die W�nde der Waggons.
Das geschah vor allem nachts.
Denn wenn die Juden redeten - wie es der Herr vormacht -,
und die Ukrainer wollten ihre Ruhe,
sagten sie, sie sollten still sein.
Dann schwiegen die Juden, und die Wache ging weg.
Und dann redeten sie weiter in ihrer Sprache,
wie es der Herr vormacht, ''rarara''...
Was meint er mit ''lalala''? Was macht er da nach?
lhre Sprache. - Frag ihn!
Klang das irgendwie besonders, als die Juden redeten?
Sie sprachen Jiddisch.
Versteht Herr Borowi Jiddisch?
Nein.
Wir waren in diesem Waggon und der rollte und rollte...
lmmer weiter nach Osten.
Es sah wohl komisch aus...
Vielleicht sollte ich es nicht sagen.
Aber f�r die meisten Leute,
f�r 99 % der Polen, die die Transporte sahen,
waren wir wie Tiere in unseren Waggons.
Nur unsere Augen waren zu sehen.
Und sie lachten und waren...
Sie freuten sich, die Juden wurden weggeschafft!
ln den Waggons
gab es ein Gedr�nge und Geschrei:
''Wo ist mein Kind?'', ''Wo ist dies und jenes?'', ''Wasser!''
Die Leute verhungerten nicht nur, sie erstickten!
Es war hei�. Das typische Gl�ck der Juden!
lm September, wo es normal regnet und k�hl ist,
war es hei� wie in der H�lle.
Wir hatten nichts.
Ein Kind wie meines, drei Wochen alt,
und kein Tropfen Wasser!
Weder f�r die Mutter noch sonst jemanden.
H�rte er auf der Lokomotive die Schreie hinter sich?
Nat�rlich, die Lokomotive war ja direkt vor den Waggons.
Sie schrien nach Wasser.
Die Schreie aus den Waggons gleich hinter der Lokomotive
h�rte man sehr gut.
Hat man sich daran gew�hnt?
Nein.
Nein, das war schrecklich f�r ihn.
Er wu�te, das waren Menschen wie er.
Aber er und seine Kollegen
bekamen von den Deutschen Wodka zu trinken.
Ohne Alkohol w�re es unm�glich gewesen.
Es gab eine Art Pr�mie.
Und diese Pr�mie bestand nicht in Geld, sondern in Alkohol.
Die auf den anderen Z�gen erhielten keine solche Pr�mie.
Henrik GAWKOWSKl
Er sagt, sie tranken, soviel sie kriegen konnten.
Ohne Alkohol h�tte man den Gestank nicht ertragen.
Sie kauften sogar noch selbst Alkohol,
um sich zu betrinken.
Wir kamen morgens an,
so gegen 6 Uhr, 6.30 Uhr.
Auf den anderen Gleisen sah ich noch mehr Z�ge.
Und ich beobachtete,
wie etwa 18, 20 oder noch mehr Waggons wegfuhren.
Nach etwa einer Stunde
sah ich, wie die Waggons zur�ckkamen, aber leer.
Mein Zug stand dort bis etwa 12 Uhr.
Vom Bahnhof bis zu der Rampe im Lager,
wie viele Kilometer waren das?
6 Kilometer.
Als wir da auf dem Bahnhof warteten,
bis wir ins Lager Treblinka fuhren,
kamen SS-Leute
und fragten, was wir h�tten.
Wir sagten, wir h�tten... einige der Leute h�tten...
Sie h�tten Gold und Diamanten. Aber wir wollten Wasser.
Sie sagten:
''Gut, gebt uns die Diamanten, wir geben euch Wasser.''
Sie nahmen alles, aber sie brachten kein Wasser.
Wie lange dauerte die Fahrt?
Von Czestochowa nach Treblinka, etwa 24 Stunden.
Mit dem Aufenthalt in Warschau
und dem Warten vor dem Lager Treblinka.
Abraham BOMBA
Wir fuhren mit dem letzten Zug rein.
Aber wie ich schon sagte,
ich sah viele Z�ge herauskommen, aber ohne Menschen.
lch fragte mich, was mit den Menschen geschehen war.
Die Z�ge waren ja leer.
Richard GLAZAR
Einmal kamen Juden aus dem Ausland, ziemlich dicke.
Sie kamen in Personenwaggons.
Es gab einen Speisewagen, sie hatten zu trinken.
Sie durften auch herumgehen.
Sie sagten, sie f�hren in eine Fabrik.
Als sie in den Wald kamen, sahen sie diese ''Fabrik''.
Wir machten diese Geste... - Welche Geste?
Da� man sie umbringen wird. - Und sie sahen diese Geste?
Ja, aber die Juden glaubten es nicht.
Was bedeutete diese Geste?
Da� sie der Tod erwartete.
Wer Juden zu Gesicht bekam,
machte diese Geste, um sie zu warnen,
da� man sie umbringen wollte.
Auch ausl�ndische Juden, aus Belgien, der Tschechoslowakei,
auch aus Frankreich,
aus Holland.
Die wu�ten es nicht.
Die polnischen Juden wu�ten Bescheid.
ln den kleinen St�dten in der Umgebung
sprach man schon dar�ber.
Die polnischen Juden waren gewarnt, die anderen nicht.
Wen warnten sie, die polnischen Juden oder die anderen?
Sie warnten die einen wie die anderen.
Er sagt, die aus dem Ausland kamen in Pullmanwagen,
gut gekleidet, in wei�en Hemden,
mit Blumen in den Waggons,
sie spielten Karten...
Soviel ich wei�, war das recht selten,
da� ausl�ndische Juden in Personenwaggons kamen.
Meistens wurden auch sie in Viehwaggons transportiert.
Nein, das stimmt nicht.
Das stimmt nicht?
Was sagt Frau Gawkowkska?
Sie sagt, ihr Mann habe vielleicht nicht alles gesehen.
Er sagt, er hat es gesehen.
Zum Beispiel sei am Bahnhof Malkinia
einmal ein ausl�ndischer Jude ausgestiegen.
Er wollte etwas in der Bar kaufen.
Der Zug fuhr an - da rannte er hinterher...
Seinem Waggon? - Ja.
Er ging also an diesen Pullmanwagen entlang
und machte vor diesen ahnungslosen ausl�ndischen Juden
diese Geste?
Ja.
Vor allen Juden.
Er ging einfach den Bahnsteig entlang? Frag ihn!
Ja, der Weg war wie heute.
Wenn die Wache nicht schaute,
machte er diese Geste.
Eva, frag Herrn Gawkowski, warum er so traurig schaut.
Weil ich sah, wie die Menschen in den Tod gingen.
Wo sind wir hier genau?
Es war nicht weit von hier, nur etwa 2, 2 1/2 km.
Das Lager? - Ja.
Was ist das f�r ein Feldweg, auf den er zeigt?
Da war das Gleis, das ins Lager f�hrte.
Hat Herr Gawkowski au�er den Z�gen mit Deportierten,
die er von Warschau oder Bialystok nach Treblinka fuhr,
auch Waggons mit Deportierten
vom Bahnhof Treblinka ins Lager selbst gebracht.
Ja.
H�ufig?
Zwei- oder dreimal die Woche.
Wie lange?
Etwa anderthalb Jahre lang.
Das hei�t, solange das Lager existierte?
Ja.
Hier ist die Rampe.
Er f�hrt mit seiner Lokomotive bis zum Ende
und hat 20 Waggons hinten dran?
Nein, er hat sie vor sich. - Er schiebt sie also?
Richtig, er schiebt sie.
Ab Februar 1942
arbeitete ich hier als Hilfsweichensteller.
Der Bahnhof, die Gleise, die Bahnsteige,
das ist alles noch so, wie es 1942 war?
Seit 1942 hat sich hier nichts ver�ndert?
Nichts.
Wo fing das Lager genau an?
Am besten gehen wir hin.
lch zeige es lhnen genau.
Jan PlWONSKl
Hier.
Hier war ein Zaun, bis zu den B�umen dort.
Ein weiterer Zaun ging bis zu den B�umen dort dr�ben.
Also bin ich hier innerhalb der Lagergrenzen,
im lnnern des Lagers?
Ganz recht.
Und hier, 15 m vom Bahnhof weg,
bin ich schon au�erhalb des Lagers?
Ja.
Hier durften die Polen...
Das hier war also alles polnisch, und dort war der Tod?
Auf Befehl der Deutschen mu�ten wir die Z�ge aufteilen.
Die Lokomotive fuhr mit 20 Waggons Richtung Chelmno
bis zu einer Weiche.
Dann wurden die Waggons ins Lager hineingeschoben,
auf dem Gleis dort dr�ben.
Dort begann die Rampe.
Dann ist man hier also au�erhalb des Lagers,
und dort geht es ins Lager rein.
lm Unterschied zu Treblinka ist der Bahnhof Teil des Lagers.
Hier sind wir schon im Lagerinnern.
Dieses Gleis war schon im Lager drin.
Und es ist immer noch dasselbe?
Ja.
Seit damals hat sich nichts ver�ndert.
Das hier nennt man die ''Rampe'', nicht wahr?
Ja, hier stiegen die Opfer aus, die vernichtet werden sollten.
Wo wir jetzt stehen,
stiegen 250.000 Juden aus, bevor sie vergast wurden?
Kamen hier die ausl�ndischen Juden
auch in Personenwaggons an wie in Treblinka?
Nicht immer.
Die reichsten Juden
aus Belgien, Holland, Frankreich
kamen oft in Personenwaggons,
manchmal sogar in Pullmanwagen.
Die Wachen behandelten sie im allgemeinen auch besser.
Ja, besonders wenn Transporte aus Westeuropa kamen
und hier warteten, bis sie drankamen,
sahen die polnischen Eisenbahner,
wie sich die Frauen schminkten und frisierten.
Sie ahnten nicht, was ihnen in wenigen Minuten bevorstand.
Sie machten sich sch�n.
Die Polen konnten sie nicht warnen wegen der Wachen.
Jeder Kontakt mit den k�nftigen Opfern war verboten.
War das Wetter manchmal so sch�n wie heute?
Ja, oft noch sch�ner.
Rudolf VRBA New York �berlebender von Auschwitz
Man nannte das ''die Rampe'',
wo die Judentransporte ankamen, in Auschwitz.
Tag und Nacht kamen welche an,
manchmal einer, manchmal f�nf pro Tag,
aus allen Richtungen.
lch arbeitete dort vom 18.August 1942
bis zum 7.Juni 1943.
lch sah, wie die Transporte nacheinander ankamen,
es waren bestimmt mindestens 200 Z�ge.
lch sah das so oft, es wurde zur Routine.
Mitten in Europa verschwanden st�ndig Menschen.
Und alle kamen am selben Ort an,
keiner kannte das Schicksal der fr�heren Transporte.
Rudolf VRBA New York �berlebender von Auschwitz
lch wu�te nat�rlich, da� wenige Stunden nach ihrer Ankunft
90 % der Menschen vergast wurden.
Aber irgendwie fiel es mir schwer zu begreifen,
da� auf diese Weise so viele Menschen verschwinden konnten,
einfach so. Und dann kam der n�chste Transport,
und niemand ahnte, was mit dem davor geschah.
Und das ging �ber Monate immer so weiter.
Auschwitz-Birkenau
Es lief so ab:
Ein Judentransport war z.B. f�r 2 Uhr nachts angek�ndigt.
Erreichte der Transport die letzten Stationen vor Auschwitz,
wurde die SS benachrichtigt.
Ein SS-Mann weckte uns. Wir mu�ten aufstehen
und zu dieser Rampe gehen.
Wachen begleiteten uns nachts
auf dem Weg zur Rampe.
Wir waren etwa 200 M�nner.
Die Lichter gingen an.
Da war die Rampe, und au�en herum lauter Scheinwerfer.
Unter diesen Scheinwerfern standen die SS-M�nner.
Alle 10 m stand einer mit dem Gewehr in der Hand.
Wir Gefangene waren in der Mitte.
Und wir warteten auf den Zug, auf den n�chsten Befehl.
Wenn alles bereit war,
rollte der Transport ein.
Ganz langsam
n�herte sich die Lokomotive, die immer vorne war,
dieser Rampe.
Hier endeten die Gleise.
Hier endete alles f�r die, die in diesem Zug waren.
Dann hielt der Zug.
Die Gangsterelite marschierte auf die Rampe.
Und vor jedem zweiten oder dritten Waggon,
manchmal vor jedem,
stand einer dieser Unterscharf�hrer
und schlo� die Schl�sser auf.
Die Waggons waren ja verschlossen.
Und darin waren Menschen.
Man sah sie aus den Fenstern schauen.
Sie wu�ten nicht, was geschah. Sie hatten schon oft gehalten.
Die einen waren zehn Tage, die anderen zwei Tage unterwegs.
Sie wu�ten nicht, was dieser Halt bedeutete.
Nun wurde die T�r ge�ffnet.
Der erste Befehl, den sie bekamen, war: ''Alle heraus!'',
alles aussteigen!
Und um dem Befehl Nachdruck zu verleihen,
schlug man sie mit St�cken, als sie herauskamen.
Sie waren wie die Sardinen in diesen Waggons.
Wurden an diesem Tag vier, f�nf, sechs Transporte erwartet,
machten sie mehr Druck beim Aussteigen.
Dann schlugen sie mit St�cken und Kn�ppeln zu und fluchten...
Manchmal, bei sch�nem Wetter, verhielt sich die SS anders.
lch war nicht �berrascht, da� sie dann gute Laune hatten
und Humor zeigten. Dann sagten sie z.B.:
''Guten Morgen, Madam. W�rden Sie bitte aussteigen...''
Kam das vor? - O ja!
Oder auch: ''Sch�n, da� Sie da sind.''
''Entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten,''
''aber das wird sich nun �ndern.''
Als wir in Treblinka ankamen,
wu�ten wir nicht, was das f�r Leute waren.
Manche hatten Armbinden,
die einen rote, die anderen blaue. J�dische Kommandos.
Wir fielen aus dem Zug,
dr�ngten heraus,
verloren einander.
Es gab ein Geschrei und Gebr�ll.
Drau�en
kamen die einen nach links, die anderen nach rechts,
die Frauen links, die M�nner rechts.
Uns blieb nicht mal Zeit f�r einen Blickkontakt,
denn sie schlugen uns auf den Kopf
mit allen m�glichen Dingen.
Das war sehr schmerzhaft.
Wir wu�ten nicht, was los war.
Wir konnten nicht klar denken, wir h�rten nur das Geschrei,
das Gebr�ll dieser Leute.
Bei meinem Transport warteten wir, schon nackt.
Ein Mann kam und sagte: ''Du, du und du, raustreten!''
Wir traten vor.
Man nahm uns zur Seite.
Einige aus dem Transport ahnten,
was da geschah und wu�ten,
sie w�rden nicht mehr lange leben.
Die Menschen, die z�gerten, wurden vorw�rtsgesto�en.
Sie wu�ten schon, wo es hinging,
zu diesem gro�en Tor.
Von dort h�rte man Gebr�ll, Weinen und Schreie.
Es war unertr�glich.
Die Schreie und das Gebr�ll
klangen einem tagelang im Ohr,
auch in der Nacht.
Und man konnte n�chtelang nicht schlafen.
Und dann, pl�tzlich, h�rte alles auf,
wie auf Befehl.
Wo die Menschen hingegangen waren, war es ganz still.
Wie auf Befehl.
Wie wenn alles tot w�re.
Dann befahlen sie uns, alles zu s�ubern.
Etwa 2.000 Menschen
hatten sich im Freien ausziehen m�ssen.
Wir mu�ten alles wegr�umen und den Boden s�ubern,
und zwar innerhalb von Minuten.
Die Deutschen oder andere, die Ukrainer,
br�llten rum und schlugen uns.
Wir sollten uns beeilen,
die B�ndel schneller zum Sammelplatz schaffen.
Dort lagen riesige Haufen von Kleidern,
Schuhen und anderen Dingen.
ln Sekundenschnelle war alles aufger�umt,
als w�re nichts geschehen, als w�re nie jemand dort gewesen.
Es blieb keine Spur zur�ck,
wie durch Zauberei war alles verschwunden.
Die Rampe
Nach jedem Transport wurde die Rampe total ges�ubert.
Es durfte keine Spur zur�ckbleiben,
nichts.
Als wir damals anfingen, dort zu arbeiten,
in Treblinka,
konnte ich nicht glauben, was dort passiert war,
jenseits des Tores.
Die Menschen waren hineingegangen und verschwunden,
dann war alles still.
Wir wurden schnell aufgekl�rt, als wir die fragten,
die schon l�nger hier arbeiteten.
Sie fragten: ''Wi�t ihr nicht, was dort geschieht?''
''Dort werden alle vergast, umgebracht.''
Wir brachten keinen Ton heraus,
wir waren wie versteinert.
Wir fragten: ''Was ist mit der Frau, dem Kind?''
Sie sagten: ''Frau? Kind? Die leben nicht mehr.''
''Was soll das hei�en?''
''Wie k�nnen sie so viele Menschen auf einmal umbringen?''
Aber sie hatten ihre eigene Methode daf�r.
Der Tag ging vor�ber
ohne irgend etwas, ohne etwas zu trinken,
24 Stunden ohne Wasser.
Wir konnten nichts trinken, nichts zu uns nehmen.
Es war unm�glich
bei dem Gedanken, da� man eine Minute, eine Stunde zuvor
noch eine Familie, eine Frau oder einen Mann hatte
und da� jetzt pl�tzlich alle tot waren.
Wir kamen in eine extra Baracke,
ich lag direkt neben dem Gang.
Und diese Nacht dort
war f�r uns alle die schrecklichste Nacht.
Man dachte an all das, was man miteinander erlebt hatte,
die Freuden, das Gl�ck, die Geburten, die Hochzeiten...
All das war auf einen Schlag, in einer Sekunde zu Ende,
ohne da� irgend jemand von uns Schuld daran h�tte.
Diese Menschen waren unschuldig,
ihre einzige ''Schuld'' war, da� sie Juden waren.
Die meisten von uns konnten die ganze Nacht nicht schlafen.
Sie versuchten, miteinander zu reden. Das war verboten.
Und die Wache schlief auch in der Baracke.
Wir durften nicht miteinander reden
oder unsere Gedanken austauschen.
Um 5 Uhr morgens
mu�ten wir aus den Baracken raus.
An diesem Morgen,
als wir zum Appell aus den Baracken antreten mu�ten,
waren aus unserer Gruppe
mindestens vier oder f�nf tot.
lch wei� nicht, wie sie es gemacht haben.
Wahrscheinlich hatten sie...
Zyankali oder ein anderes Gift bei sich,
mit dem sie sich vergifteten.
Unter ihnen waren...
Zwei von ihnen waren enge Freunde von mir.
Sie hatten nichts gesagt.
Wir wu�ten nicht mal, da� sie Gift bei sich hatten.
Berlin
Das ist nicht mehr meine Heimat.
Besonders, wenn sie mir erkl�ren,
sie h�tten nichts gewu�t,
sie h�tten nichts gesehen.
''Ja, da lebten Juden in unserem Haus''
''und eines Tages waren sie weg. Wir wu�ten nicht, was geschah.''
Sie mu�ten es gesehen haben. Das war ja kein Einzelfall.
Das ging ja fast zwei Jahre lang so.
Alle zwei Wochen wurden Menschen verschleppt.
Wie konnte ihnen das entgehen?
lch erinnere mich an den Tag,
an dem sie ihr Berlin ''judenrein'' machten.
Die Menschen fl�chteten von der Stra�e,
die Stra�en waren wie leergefegt.
Sie wollten nicht hinsehen, machten hastig ihre Besorgungen.
Es war ein Samstag, sie mu�ten ihre Wochenendeink�ufe machen.
Sie kauften rasch ein und verschwanden in ihre H�user.
Dieser Tag ist mir lebhaft in Erinnerung,
wir sahen Polizeiautos,
die durch die Stra�en von Berlin rasten.
Menschen wurden aus ihren H�usern gezerrt
und �berall zusammengetrieben, aus Fabriken, Wohnh�usern,
�berall, wo sie Juden fanden.
Sie steckten sie in ein Restaurant namens ''Clou'',
ein sehr gro�es Tanzlokal.
Von dort wurden sie in mehreren Transporten abtransportiert.
Die fuhren hier ganz in der N�he vom Bahnhof Grunewald ab.
Von diesem Tag an
f�hlte ich mich pl�tzlich so allein,
so verlassen.
lch wu�te, wir geh�rten zu den wenigen, die noch �brig waren.
lch wu�te nicht, wie viele sonst noch versteckt waren.
An diesem Tag f�hlte ich mich auch schuldig,
da� ich nicht mit ihnen ging,
da� ich einem Schicksal entkommen wollte,
dem die anderen nicht entkommen konnten.
Es gab keine W�rme mehr,
keine Verwandten mehr, verstehen Sie?
Wir sprachen nur �ber...
''Was geschah mit Elsa? Was geschah mit Hans?''
''Wo ist er? Wo ist sie?''
''Mein Gott, was haben sie mit dem Kind gemacht?''
Dar�ber sprachen wir an diesem schrecklichen Tag.
Wir f�hlten uns schrecklich allein und schuldig,
da� wir nicht mit ihnen gegangen sind.
Warum versuchten wir es?
Warum wollten wir dem uns bestimmten Schicksal entgehen,
dem Schicksal unseres Volkes?
lnge DEUTSCHKRON geboren in Berlin
Sie wohnte w�hrend des ganzen Krieges in Berlin,
in einem Versteck ab Februar 1943.
Lebt heute in lsrael.
Franz SUCHOMEL SS-Unterscharf�hrer
Die ''Schwarze Wand'' im Hof von Block 1 1 in Auschwitz l, dem urspr�nglichen Lager
Filip M�LLER �berlebender der 5 Liquidationen des ''Sonderkommandos'' von Auschwitz
Treblinka