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Das ist aber ein anderes Projekt, ein politisches Projekt.
Wir können nicht damit warten, politisch aktiv zu werden.
Wir können nicht warten, bis alle fehlenden Teile der Marxschen Theorie aufgearbeitet sind.
Jetzt gerade stehen wir vor sehr dringenden Problemen.
Es ist schon ausreichend, dass Marx uns hier einen Spiegel vorhält.
Dadruch können wir sofort anfangen, neue Formen politischer Aktion zu überlegen.
Hier kommt ein wichtiger Teil der Marxschen Analyse wieder in Spiel: der Klassenkampf.
Ein politisches Problem der letzten 30 Jahre war zu behaupten, "Klasse" existiert nicht mehr.
Oder auch nur zu sagen, der Klassenkampf sei nicht relevant.
Hier sagt Marx, man kann mit diesem System nicht umgehen, ohne Klassenkampf zu führen.
Unsere Aufgabe ist es, uns irgendwie zu einigen, was dies bedeuten könnte.
Auch Marx war zu seiner Zeit nicht sehr klar darüber, was das bedeutete.
Aber wenn der politische Kampf sich entfaltet, gibt es die Notwendigkeit, sich zu beteiligen.
Es gibt die Notwengidkeit zu handeln, auch wenn man nicht alle Teile der Theorie kennt.
Auch wenn nicht alles bekannt ist, weiss man genug über die Dynamik des Systems.
Man weiss genau: Die Frage des Klassenkampfes ist grundlegend.
Die Leute werden sicher gleich sagen: "Ihr versucht, die Probleme zu reduzieren!"
"Ihr reduziert die Natur, Sexualität, Geschlecht und Rassismus etc. auf Klassenkampf."
Und die Antwort ist: Nein, das passiert keineswegs!
Das sind Kämpfe, die auch sehr kritisch und akut sind, an den man sich auch beteiligen muss.
Aber man schaue sich aktuelle finanzielle Krisen wie die Krise des Immobilienmarktes.
Schaut euch an, wen es am meisten betrifft.
Sie trifft am schwersten Schwarze und arme Frauen.
Und sie ist ein Klassenphänomen.
Und es ist sehr auffällig, wie oft diese Kategrien sich überlappen, einschließlich Ethnizität, etc.
Was wir tun müssen, ist keine Angst vor dem Wort "Klasse" zu haben.
Ich denke, es gibt eine Nervosität im Umgang mit dem Wort.
Natürlich gibt es für die Nervosität einen guten Grund.
Die kapitalistische Klasse ist gerade sehr leicht auszumachen.
Sie will nicht, dass wir uns Gedanken über die Klasse machen.
Ich weiss nicht, ob Sie es bemerkt haben.
Sobald man das Augenmerk darauf richtet, geht das Wall Street Journal an die Decke.
Sie sagen: "Ah, ihr sprecht von der Entzweiung durch den Klassenkampf!"
Als würden sie sagen wollen, wir sollten das nicht tun.
Der Klassenkampf wird als etwas die Gesellschaft Spaltendes gesehen.
Das ist eine der Marxschen ideologischen Lektionen.
Das einzige worüber die Bourgeoisie nicht sprechen will, ist die Rolle, die sie selbst spielen.
Zum ersten ist es sehr schwer, herauszufinden, wo das Geld ist.
Sie haben Daten über alles andere, über uns, wohin wir uns bewegen, etc.
Können wir herausfinden, wo ihr Geld ist?
Sie sagen immer, nein, es ist nicht möglich, es herauszufinden.
Aber die Anti-Terrorismus-Maßnahmen haben gezeigt: Sie können es, wenn sie es wollten.
Sie wollen es nicht wissen.
Das ist das Einzige, was man versteckt - woher das Geld kommt, und wohin es geht.
Man versteckt was die kapitalistische Macht und die Klassenmacht ist, und wie sie funktioniert.
Das könnte bedeuten, dass die beiden in einen Kampf, einen Widerspruch treten könnten.
Also ist das Einzige, wovor sie sich fürchten, der Klassenkampf.
Dinge wie Identitätspolitik wiederum begeistern sie.
Ich sage jedoch nicht, dass Identitätspolitik ganz falsch ist.
Ich sage, sie sind begeistert von Mulitkulturalismus und Identitätspolitik.
Der einzige Multikulturalismus, über den sie nichts hören wollen, ist derjenige der Klasse.
Was Marx also lehrt, ist: Man muss dahin gehen!
Man muss dort sein! Wie wir es machen, ist eine große Frage.
Falls es Klassenkampf um Akkumulation durch Enteignung und ursprüngliche Akkumulation gibt,
muss er mit dem traditionellen Klassenkampf auf dem Arbeitsplatz verbunden werden.
Dies ist nicht immer einfach. Und gerade gibt es viele Kämpfe gegen Enteignung.
Manchmal will die traditionelle Bewegung der Arbeitsklasse nichts davon wissen.
Und manchmal ist es auch umgekehrt.
Also schadet uns die Entzweiung um diese Frage politisch.
Das kann man Marx wirklich abgewinnen: Man muss zum Kern des Problems vordringen.
Dieser Kern ist, dass sie Kapital über euren Rücken akkumulieren.
Sie machen es enweder durch Enteignung, oder durch Ausbeutung der Arbeitskraft.
Was auch immer sie tun: Sie werden stinkreich, während ihr leiden werdet.
Das kann nicht weiter gehen.
Was Marx sagt, während er uns seinen Spiegel vorhält, ist: Beschäftigt euch damit!
"Hic Rhodos, hic salta" - übernehmt den Ball, schafft den Klassenkampf!
Wie man es tut ist eine große Frage. Aber wir müssen es tun!
Es gibt eine Notwendigeit, es zu tun.
Diese Notwendigkeit besteht nicht nur für die Arbeitsklasse, sondern für die Menschheit.
Inwieweit wir gerade überhaupt ein anständiges und gutes Leben haben wollen;
Es ist direkt verbunden mit der Dynamik des Klassenkampfes der letzten über 100 Jahre.
Die Tatsache, dass wir ihn gerade nicht effektiv vagen, ist ein echtes Problem.
Wir müssen hinausgehen, und es machen, und es richtig machen!
Marx' Kapital Lesen - Ein Semesterkurs von David Harvey, New York, Herbst 2007