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Ohne Vorwarnung wurden wir auf die Ladefläche eines Lastwagens verfrachtet.
Da waren ein oder zwei bewaffnete Nazis
die uns im Stehen bewachten.
Es wurde nicht gesprochen, kein Laut, nichts.
Sie brachten uns in einen Vorort
ausserhalb Berlins.
Ich fand heraus, dass dort einst ein Altersheim war, das abgebrannt war.
Dort befanden sich Hunderte von Juden,
die den gelben Stern trugen.
Die meisten glücklicherweise zusammen
mit ihren Familien: Mann, Frau,
Kinder, Enkel, manchmal Großeltern und Geschwister.
Ich war auf mich allein gestellt.
Nachdem ich zirka einen Tag dort war,
wußte wir immer noch nicht, warum wir dort waren oder...
wie unsere Zukunft aussah. Jedenfalls hat es mir keiner gesagt.
Ob die Älteren es wußten?
Ich weiß es nicht.
Am kommenden Tag brachte man uns zu einem nahegelegenen Bahnhof.
Dort befand sich ein sehr langer Zug.
Güterwagen...
Wagen, wie wir sie hier in Neuseeland
zum Viehtransport ins Schlachthaus oder zum Gütertransport verwenden.
Wir wurden hineingepfercht, 150-160 Menschen, Männer, Frauen, Kinder.
Nur genug Platz zum Stehen. Die Türen wurden von aussen verriegelt.
Geschrei, Gebrüll, Namen wurden gerufen, um Familienmitglieder zu finden.
Ich war still, denn ich war alleine. Ich suchte niemanden.
Mir fiel keiner ein.
In den jeder Ecke der Waggondecke waren kleine Belüftungsöffnungen,
die mit Stacheldraht verdeckt waren.
Nicht, dass sie zur Flucht geeignet gewesen wären
sie dienten als Hinweis:
"Du bist ein Gefangener." Um einen zu erniedrigen.
Dann begann sich der Zug zu bewegen. Zweieinhalb Tage und zwei Nächte.
Während dieser Zeit
gab es weder Nahrung, noch Wasser.
und keine Toiletten.
Für ein Kind, das sich in solch einer Umgebung befindet,
war es eine unangenehme, schmerzliche Erfahrung.
Es war alles, was man nie erleben möchte.
Konnten Sie im Zug schlafen?
Wenn man Glück hatte, konnte man sich hinknien.
Manchmal wurde jenen, denen es nicht gut ging, Platz gemacht.
Sicher haben wir gedöst,
Was geschah dann?
Als der Zug anhielt...
Wußten Sie, wohin Sie fahren? -Nein, nein, nein.
Es war früh am Morgen.
Die Zugtüren wurden von aussen geöffnet.
Wir sahen Scheinwerfer, ein erleuchteter Platz,
in der Ferne hohe Schornsteine,
deutsche Wachposten,
deutsche Schäferhunde. Die Wächter schrien und brüllten
grobe Anweisungen.
Und wir sahen Männer, nur Männer, in blau-weiß gestreiften Anzügen.
Man sagte uns, dass wir in Polen sind,
dass wir in Ausschwitz sind.
Ich hatte weder Ahnung, wo Polen lag, noch wo Ausschwitz war.
Aber ich konnte die blau-weiß gestreiften Uniformen sehen und ich wußte,
dass ich in meiner Fantasie
Bilder von solchen Menschen gesehen hatte. Dass es ein Gefängnis war.
Sie gaben uns eindeutig, in sehr grober Sprache, zu verstehen,
dass wir möglichst schnell aus dem Zug springen sollten. In der obszönsten Sprache.
Frauen, Kinder, Alte nach links. Männer nach rechts.
Von diesem Moment an waren die Familien getrennt.
Ich war alleine.
Als ich noch auf dem Zug war
und gerade springen wollte,
flüsterte mir ein fremder Mann zu:
"Sag ihnen, dass du älter bist".
Ich verstand nicht, was er meinte, ich war es nicht gewohnt, zu lügen.
Aber er sagte: "Sag ihnen, dass du älter bist."
Die Familien wurden also getrennt
und ich stellte mich auf die rechte Seite.
Als ich an der Reihe war, stand mir ein hochrangiger Nazioffizier gegenüber.
Er schaute mich an und fragte nach meinem Alter.
Ich sagte ihm: "fünzehneinhalb"
Das war eine kleine Lüge. Es war nicht wahr.
Ich konnte kein höheres Alter angeben, da klein gewachsen war.
Er fragte mich, wieviele Ziegelsteine ich tragen könnte.
Ich war zuvor in einem Arbeitslager, also verstand ich etwas von Arbeit.
Schnell antwortete ich: "Fünf."
Er trat mir in den Hintern, da nach mir noch eine Schlange Männer wartete.
Ich bestieg rechts einen Lastwagen.
Wir fuhren 20 Minuten und erreichten Ausschwitz Nr. 3,
das auch Ausschwitz-Monowitz und Ausschwitz Buna genannt wurde.