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Vor der Küste Norwegens
untersuchen Forscher an Bord der ‘Star Atlantik’ ein seltsames Phänomen.
Die einst sehr großen Kabeljaus werden kleiner und kleiner...
Forscher wollen herausfinden, warum dies so ist.
Der Fall des schrumpfenden Kabeljaus
Jahrhundertelang war Bergen in Norwegen das Zentrum des Fischhandels in Nordeuropa.
Viele Generationen von Fischern haben Kabeljau aus dem Meer gefangen.
Kabeljau wurde zum Grundnahrungsmittel in Europa
und zur Lebensweise für die Menschen an der norwegischen Küste.
Aber in den 50er-Jahren geschah etwas.
Der Kabeljau, den die Fischer in ihren Netzen fanden, wurde kleiner.
Der große Kabeljau war verschwunden.
Die Forscher auf der ‘Star Atlantic’ holen für ihre Untersuchungen ein Netz voll Kabeljau ein.
Seit den 30er-Jahren erfassen Wissenschaftler Größe und Alter der Tiere.
Um das Alter der Fische zu bestimmen, werden die Gehörsteinchen, besser bekannt als ‘Otolithen’, untersucht.
Gehörsteinchen oder Otolithen wachsen ein wenig wie Bäume.
Wenn der Fisch wächst, bildet er Ringe aus.
An Hand der Ringe in den Otolithen kann man das Alter eines Fisches bestimmen.
Nach 1940 gab eine Zunahme der Fangintensität
und einen kontinuierlichen Rückgang von Alter und Größe bei Geschlechtsreife.
Und das ist die große Frage. Eine Hypothese ist, dass, wenn weniger Fische im Ozean sind,
es mehr Ressourcen für die verbleibenden Fische gibt.
So können diese schneller wachsen und früher geschlechtsreif werden.
Die ökologische Hypothese besagt, dass der Kabeljau schrumpft, da sich sein Lebensraum verändert hat...
Es wird mehr Fisch gefangen als je zuvor.
Der Kabeljau-Fang wurde streng reguliert damit sich die Fischbestände erholen. Durch vorgeschriebene Maschengrößen
und Fangquoten wurde die Menge an Fisch beschränkt, die die Fischer fangen durften.
Aber die Fische blieben klein. Der norwegische Kabeljaubestand war gefährdet.
Evolutionsbiologen haben jedoch eine geniale Theorie:
Der Kabeljau ist evolviert, und entkommt damit den Netzen der Fischer.
Es wurde erwartet, dass sich der Kabeljau bald erholen würde.
Und das hätte er auch, wäre es nur ein ökologischer Einfluss gewesen, aber er tat es nicht.
Daraufhin begann man in Betracht zu ziehen, dass es tatsächlich evolutionäre Effekte sein könnten, die hier eingetreten sind, (ein evolutionärer Wandel.)
Mit dieser Spezialkamera, die an einem Fischernetz befestigt wurde,
können wir sehen, dass nur die großen Fische gefangen werden.
Die kleinen Fische können leicht durch die Maschen entkommen.
Kleine Fische können in der Regel entfliehen und das ist auch der Sinn dieser großmaschigen Netze.
Man möchte sicherstellen, dass die kleinen Fische entkommen und heranwachsen können.
In einer natürlichen Situation ist es in der Regel ein Vorteil groß zu sein, da man weniger Feinde hat.
Kleine Fische werden von fast jedem gefressen, aber große Fische können entkommen.
Der Fischfang kehrt diese Situation um.
Wir zielen vorzugsweise auf große Fische ab, da diese wertvoller als Nahrung und Rohstoffquelle sind.
Dies macht es gefährlich groß zu sein, da man zum Ziel wird.
Es zahlt sich also aus ein wenig kleiner zu bleiben, da man so weniger der Fischerei ausgesetzt ist.
Falls diese Forscher recht haben, verursacht Fischfang Evolution, Evolution hin zu kleinerem Kabeljau.
Und je mehr wir auf diese Weise fischen, desto kleiner wird der Kabeljau.
Wenn wir fischen, tun wir das Gegenteil von dem, was in der Viehzucht getan wird.
Eine interessante Art zu verstehen, wie Fischfang den Fischbestand beeinflusst, ist der Vergleich mit der Viehzucht.
In der Viehzucht wählen Züchter die besten Tiere als Zuchttiere aus.
So werden die Gene weitergegeben und mit der Zeit bekommt man immer bessere Rinder oder was auch immer.
In der Fischerei hingegen ist es genau umgekehrt.
Wir fischen die besten Individuen, die großen Fische, und hindern sie so daran zu laichen.
Stattdessen bekommen die weniger attraktiven Fische die Chance sich fortzupflanzen und damit ihre Gene zu verbreiten.
Für eine Nation, deren Wirtschaft stark von der Fischindustrie abhängt, ist der kleiner werdende Kabeljau ein Problem.
Immerhin erzielt der größte Kabeljau den höchsten Preis.
Da der Kabeljau wirtschaftlich wichtig ist, wollen wir herausfinden, wie groß der ökonomische Einfluss der Fischerei ist.
Sie werden früher geschlechtsreif, sie sind kleiner, hat das wirtschaftliche Auswirkungen?
Da jeder den größtmöglichen Gewinn erzielen will, der Fisch jedoch immer kleiner wird, hat dies Auswirkungen auf den Ertrag?
Und für die ökonomischen Auswirkungen sind evolutionäre Veränderungen besonders schlecht, da dies bedeuten könnte, dass der Kabeljau klein bleibt.
Wird dies nur von der Ökologie verursacht, oder spielen auch evolutionäre Einflüsse eine Rolle?
Sollte es evolutionäre Auswirkungen geben, sind diese viel schwerer rückgängig zu machen.
Die Evolutionsforscher stehen kurz davor ihre Theorie zu beweisen,
ihre Kritiker erwidern jedoch, dass sie ohne genetischen Beweis nicht von der Theorie überzeugt seien.
Evolutionärer Wandel ist immer ein genetischer Wandel, aber im Falle des Kabeljaus ist nicht viel über die Genetik bekannt.
Wir sind gerade dabei das Erbgut des Kabeljaus zu entschlüsseln, und das ist an sich schon interessant.
Aber es könnte uns auch helfen die genetische Grundlage hierfür zu verstehen.
Wir haben derzeit noch kein genetisches Verständnis davon, aber wir arbeiten daran -
und andere Gruppen weltweit arbeiten auch daran.
Deshalb ist meine Erwartung, dass wir in einigen Jahren ein viel besseres Wissen über die genetischen Grundlagen diesbezüglich haben werden.
Es bleibt abzuwarten, ob Norwegens Kabeljau je wieder die Größe wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlangen wird.
Die Untersuchung der Evolutionstheorie wird Forschern jedoch helfen, besser zu verstehen was in den nordeuropäischen Meeren geschieht
und sicherzustellen, dass zukünftige Kabeljaubestände geschützt werden.