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Meditieren ist wie Wasser trinken
Ein großer Teil meiner Inspiration für dieses Buch
waren die vielen Menschen, die zu meinen Vorträgen kamen
und ein allgemeines Interesse an Meditation hatten, sehr neugierig waren,
und gleichzeitig viele vorgefasste Meinungen mitbrachten.
Jede Menge Gedanken darüber, was Meditation wohl sein könnte.
Und ich war oft damit beschäftigt, der Meditationspraxis etwas von dem Geheimnis zu nehmen, das sie umgibt.
Zu vermitteln, dass es eine sehr einfache Ü*** ist, die nicht sonderlich kompliziert sein muss.
Gleichwohl muss man sie aber auch lernen, muss ihr aktiv nachgehen,
und es gibt eine Menge zu lernen und zu erforschen,
denn beim Meditieren erforschen wir unser eigenes Denken und Fühlen, sozusagen.
Und daher betone ich in Sachen Meditation
meine Überzeugung, dass jeder einzelne Mensch
die Fähigkeit und das Potenzial zur Meditation hat,
ganz egal, wo man im Leben steht,
solange man einige wenige Grundlagen begreift
und die Praxis in sein Leben integriert.
Ein wesentlicher Punkt ist, die Meditation kurz zu halten,
nur jeweils fünf oder zehn Minuten. Es muss wirklich kein langwieriger Prozess sein.
Und ich glaube, man hat oft eine bestimmte Vorstellung davon, was Meditation ist
vielleicht denken Sie an jemanden, der in einer Höhle sitzt
oder in eine tiefe Trance verfällt, und dergleichen.
Aber Meditation ist weit mehr als das,
und solch ein Herangehen ist nicht notwendig.
Wer möchte, kann gerne in eine Höhle verschwinden,
aber ganz egal ob man in einer Höhle sitzt oder hier,
man ist stets dasselbe Wesen mit demselben Geist.
Man gibt viel Geld aus, um nach Indien oder irgendeinem anderen exotischen Ort zu reisen
um nach einem Lehrer zu suchen und zu meditieren. Und dann raten Sie mal, wen man findet?
Die Person, die man ist. Und dann sagt man sich, "Mensch,
das hätte ich auch billiger und einfacher haben können."
Und manchmal machen wir uns viele Gedanken darüber, was Meditation ist
und dann wird es reichlich spirituell.
Aber das Interessante am Meditieren ist,
und so wurde ich auch an die Praxis herangeführt, dass es ziemlich alltäglich und normal ist.
Es ist wie Wasser trinken, etwas, das man jeden Tag tut.
Und ich sage, meditieren ist wie Wasser trinken, etwas Alltägliches,
weil ich es einfach als eine Beziehung zum eigenen Denken und Fühlen begreife.
Das tibetische Wort für Meditation ist "Gom", und dieses Wort
kommt von "Kom", und das heißt Vertrautheit.
Im Tibetischen haben wir viele verschiedene Wörter für Meditation,
während wir im Deutschen meist dieses eine Wort verwenden,
oder auch Konzentration, Achtsamkeit, Kontemplation, und so weiter.
Aber meistens sprechen wir von Meditation,
während es im Tibetischen kein bestimmtes Wort dafür gibt,
nur verschiedene Weisen, die Praxis zu beschreiben.
Aber im Allgemeinen sagen wir "Kom", Vertrautheit.
Im Sinne von "sich mit etwas vertraut machen".
"Meditieren" bedeutet demnach "ich sitze still und mache mich mit etwas vertraut".
Und je vertrauter mir etwas wird,
desto mehr durchdringt mich das Verständnis und die tieferen Aspekte dessen, woran ich arbeite,
sei es Weisheit, oder Mitgefühl,
oder einfach auf meinen Atem zu achten und mich zu entspannen.
Einfach entspannt zu sein mit dem, was wir sind.
Die Idee dahinter ist also stets, dass wir uns mit etwas vertraut machen.
Und die entscheidende Frage ist,
womit sollten wir uns beim Meditieren vertraut machen, was hilft uns weiter?
Und oftmals kommt man zur Meditation,
weil man zuviel Stress hat, und Meditation hilft uns zu entspannen.
Daher nutzen wir als Anfänger oft den Atem. Der Atem ist beständig,
und beim Ausatmen können wir unsere Anspannung loslassen.
Und Atmen, wenn wir es im Rahmen einer Meditation tun,
hat sehr viel mit Bewusstheit zu tun.
Und es hilft uns dabei, unseren Geist, unser Denken und Fühlen, zu entspannen.
Es hilft auch dabei, den Körper zu entspannen.
Also, als erstes machen wir uns mit unserem Atem vertraut.
Und ich glaube, unser Atem ist sehr wirksam in dieser Hinsicht.
Aber die Hauptsache hier ist, zur Ruhe zu kommen,
ein Gefühl der Entspannung und der Kraft zu haben.
Und danach, wenn wir den nächsten Schritt tun wollen,
können wir als Buddhisten zum Beispiel Mitgefühl oder Weisheit oder Selbstlosigkeit zum Gegenstand unserer Meditation machen.
Wir konzentrieren uns auf diese Prinzipien,
wir versenken uns in diese Worte und ihre Bedeutung.
Wir werden immer vertrauter mit ihnen.
Von dieser Warte aus betrachtet, wenn Menschen mir sagen,
"Ich meditiere", oder "Ich meditiere nicht",
dann sage ich, "Nun, im Grunde meditieren Sie immer."
Weil Sie sich immer mit irgendetwas vertraut machen.
Sie wachen morgens auf und sind bereits am meditieren.
Wir können natürlich da hinschauen und uns fragen: "Ist diese Meditation hilfreich?"
Im Sinne von "Mit welchem Fuß stehen wir auf?"
Oft stehen wir morgens auf und sind voller Angst, Ärger, oder Neid.
Auf diese Weise werden wir ganz natürlich vertraut mit Neid.
Jemand hat etwas, das wir wollen, und nach einer Weile wird unsere Meditation darüber richtig gut.
Unsere Aufmerksamkeit schweift nicht ab. Wir sind vollkommen konzentriert.
Also wissen wir bereits, wie man meditiert. Genauso ist es mit Ärger,
wir fangen an, darüber nachzudenken und uns in ihn hineinzuversenken,
und unser Denken kommt stets zurück zum Ärger, selbst wenn wir versuchen, uns abzulenken.
"Der Kerl da drüben, ich weiß nicht...
der hat mir die Vorfahrt genommen und jetzt zeig ich's ihm."
Und dann fangen wir an, hinter ihm herzujagen
oder wir lassen unseren Ärger an jemand anderem aus.
Das ist der andere Aspekt von Meditation. Meditation beginnt mit Versenkung,
sich mit einem Thema vertraut machen, und dann schreiten wir zur Tat und werden aktiv.
Auf Tibetisch heißt ersteres "Gom", und was dann kommt, nennen wir "Chingle" oder "Aktivität".
Wir werden aktiv,
denn der ganze Sinn und Zweck von Meditation ist ja, dass wir etwas aufbauen und stärken,
etwas Wichtiges und Wertvolles, mit dem Ziel, es in die Tat umzusetzen.