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MOSFILM
Vierte Filmproduktionsvereinigung
Wie heißt du?
Ich heiße Shary Juri.
Wo kommst du her?
Aus Charkow.
Wo lernst du?
In einer Berufsschule.
Nun können wir beginnen.
Sieh nur mich an.
Direkt in die Augen.
Nach vorne.
Drehe dich um.
Konzentriere dich auf meiner Hand.
Die Hand zieht dich zurück.
Drehe deine Hände.
Konzentriere dich.
Spanne deine Hände an.
Die Hände sind angespannt!
Dein ganzer Wille
zum Sieg
ist in deinen Händen.
Die Hände spannen sich
immer mehr an.
Noch mehr.
Sieh deine Finger an.
Die spannen sich auch an.
Die ganze Spannung geht
in deine Finger über.
Sieh deine Hände an.
Konzentriere dich.
Nun sage ich «drei»
und deine Hände erstarren.
Eins, zwei, drei!
Die Hände sind erstarrt.
Du kanst sie nicht bewegen.
Du willst, aber du kannst deine
Hände nicht bewegen.
Präzise Bewegungen sind
unmöglich.
Nun werde ich dich davon befreien
und du wirst deutlich,
leicht und fließend reden.
Du wirst immer
laut und deutlich reden.
Sieh mich an.
Ich entspanne deine Hände
und deine Rede.
Eins, zwei, drei!
Laut und deutlich:
«Ich kann reden!»
DER SPIEGEL
In der Rolle der Mutter und Natalja
Margarita TERECHOWA
Drehbuch Alexander MISCHERIN,
Andrej TARKOWSKI
Regie Andrej TARKOWSKI
Kamera
Georgi RERBERG
Szenengestaltung
Nikolai DWIGUBSKI
Musik Eduard ARTEMJEW
Ton Semjon LITWINOW
Deutsche Untertitel
Alexander KOZLOW
In den Rollen:
I.DANILTSEW,
L.TARKOWSKAJA, A.DEMIDOWA
A.SOLONITSYN,
N.GRINKO
T.OGORODNIKOWA,
J.NASAROW, O.JANKOWSKI
F.JANKOWSKl,
J.SWENTIKOW, T.RESCHETNIKOWA
Vorleser
I.SMOKTUNOWSKI
Gedichte von Arseni TARKOWSKI
vom Autor vorgetragen
Im Film erklingt die Musik von
Bach, Pergolesi, Purcell
DER SPIEGEL
Der Weg von der Station
verlief durch Ignatjewo,
bog unweit vom Hof ab,
wo wir vor dem Krieg
jeden Sommer verbrachten,
und führte durch den dichten Wald
weiter nach Tomschino.
Gewöhnlich erkannten wir
unseren Vater aus der Ferne.
Er bog am Busch zum Hof ein.
Sonst war es kein Vater.
Und es blieb unklar,
ob er noch kommen würde.
Gehe ich richtig nach Tomschino?
Sie hätten am Busch nicht
abbiegen sollen.
- Und das... hier...
- Was denn?
Was tun Sie da?
- Ich wohne hier.
- Wo? Auf dem Zaun?
Was interessiert Sie denn?
Wo ich wohne?
Ich habe alles mitgenommen,
nur keinen Schlüssel.
Haben Sie einen Nagel
oder einen Schraubenzieher?
Ich habe keine Nägel.
Wieso sind Sie so nervös?
Keine Angst. Ich bin Arzt.
Sie stören mich.
Soll ich meinen Mann rufen?
Sie haben keinen Mann.
Sie haben keinen Ehering.
Jedoch Ringe tragen heute wohl
nur die Alten.
Haben Sie eine Zigarette?
Warum sind Sie so traurig?
Warum sind Sie so froh?
Es ist angenehm, eine schöne
Frau mitzureißen.
Ich bin gestürzt...
Und hier sind Sträuche, Wurzeln...
Haben Sie nie daran gedacht,
daß die Pflanzen fühlen,
sogar denken können...
Die Bäume, dieser Nußstrauch...
- Das ist eine Erle.
- Egal.
Die laufen nirgendwo hin.
Wir tun es und reden Unsinn.
Wir trauen unserer eigenen
Natur nicht.
Wir haben es eilig.
Wir haben keine Zeit,
um nachzudenken.
Sie sind nicht ganz...
Gar nicht. Ich bin ja ein Arzt.
Und die «Kammer Nr.6»?
Das hat Tschechow ausgedacht!
Kommen Sie nach Tomschino.
Es geht dort lustig zu.
Sie bluten!
- Wo?
- Hinter dem Ohr!
Jedes Treffen feierten wir
wie eine Erscheinung Gottes.
Wir waren vöIlig allein.
Du warst schnell und leicht
wie ein Vogel.
Du kamst die Treppe runter
und führtest mich durch nasse
Fliedersträuche
in dein Reich
jenseits des Spiegels.
Als die Nacht kam,
wurde mir Gnade erwiesen.
Die heilige Pforte öffnete sich
und drüben in der Dunkelheit
erschien dein nackter Körper.
Und morgens flüsterte ich:
«Sei gesegnet!»
Nichts störte deinen Schlaf.
Um deine Augen zu berühren,
neigte sich der Flieder.
Deine Augenlider zuckten nicht
und deine Hand war warm.
Und im Kristallglas flossen Flüsse,
ragten Berge, tobten Meere.
Du hieltst die Kristallkugel
und schliefst auf dem Thron.
Großer Gott! -
Du gehörtest mir.
Du wachtest auf
und Worte aus dem Alltag
erhielten neuen Sinn.
Das Pronomen «du» bekam nun
andere Bedeutung.
Es hieß der «Zar».
Die Welt veränderte sich prompt.
Alles ringsum wurde anders,
als harte Wasserschichten
uns von einander trennten.
Wir gingen einfach weg.
Vor uns entstanden und
verschwanden Märchenstädte.
Kräuter lagen uns zu Füßen.
Vögel begleiteten uns.
Fische schwamen flußauf.
Auch der Himmel wurde breiter,
als der Schicksal uns
wie ein Amokläufer folgte.
Mein Gott! Dunja!
Was soll das, Pascha?!
Es brennt, seid still.
Verdammt!
Ist Vitka nicht dort?
Ist er nicht verbrannt?
Und wo ist Klanka?
Was denn?
Vater.
- Alexej?
- Hallo, Mutter.
Was ist mit deiner Stimme?
Nichts Besonderes.
Wahrscheinlich Angina.
Ich habe drei Tage mit
niemandem gesprochen.
Das Schweigen hat mir
sogar gefallen.
Worte können unsere Gefühle
nicht ausdrücken.
Sie sind schlaff.
Ich habe eben von dir geträumt.
Als ob ich noch ein Kind bin...
Wann hat uns der Vater verlassen?
In 1935. Warum fragst du?
Und das Feuer in der Scheune?
Erinnerst du dich daran?
Auch 1935.
Na gut, laß den Quatsch.
Weißt du... Lisa ist gestorben.
Die von der Druckerei.
- O Gott... Wann?
- Heute Morgen, um 7 Uhr.
Und wie spät ist es jetzt?
Was haben wir?
- Etwa sechs Uhr.
- Morgens?
Was ist mit dir? Abends.
Mutter, warum streiten wir?
Ich bitte um Entschuldigung.
Druckerei. Die nächste Station:
Serpuchowskaja.
Wo eilen Sie denn so hin?
Guten Tag.
Wo sind Texte, die ich
gestern gelesen habe?
Ich weiß nicht. Moment.
Hier ist Jelisaweta Pawlowna.
Marusja, was ist los?
Etwas mit der Korrektur?
In der Sonderausgabe?
Sei nicht nervös!
Sieh im Setzschrank nach.
Es ist nicht so schlimm.
Das ist ja eine Sonderausgabe!
Jede Ausgabe muß ohne
Druckfehler sein.
Halte den Mund.
- Was ist passiert?
- Nichts Besonderes.
Ich möchte nachschauen...
Vielleicht irre ich mich...
Gut, fangen wir an.
Ich tu's lieber selber.
Alle haben es eilig!
Denken Sie, ich habe Angst?
Ich weiß, die anderen müssen
Angst haben.
Lassen wir die einen arbeirten
und die anderen fürchten.
Na, was ist passiert?
Auch wenn schon.
Man hat die ganze Nacht gedruckt...
Ich habe dich gestern erwartet.
Du bist nicht gekommen.
Erinnerst du dich an das Wetter?
Wie auf Bestellung!
Sonnig und warm.
Heute bist du da,
aber das Wetter ist trüb.
Es regnet. Es ist sehr spät.
Kahle Bäume sind naß.
Das Wasser rinnt runter und
ist nicht zu stoppen...
Na, ist denn nicht alles
in Ordnung?
Doch... Aber es wäre
ein fataler Fehler gewesen.
Warum weinst du denn?
Ich habe dieses Wort sogar
deutlich gesehen.
Was für ein Wort?
Sehr gut!
Das istAIkohol.
Nicht viel, aber doch.
Du bist ja vöIlig durchnäßt!
Wirklich, bis auf die Haut.
Ich muß unter die Dusche.
Wo ist mein Kamm?
Weißt du, an wen du mich erinnerst?
- An wen?
- An Maria Timofejewna.
Was für Maria Timofejewna?
Hier. Nimm den Kamm.
Was für Maria Timofejewna?
Die Schwester vom Kapitän
Lebjadkin.
Du bist ihr sehr ähnlich.
Wieso?
Das ist Fjodor Michailowitsch...
Was immer du sagst...
Was denn?
«Lebjadkin, bring Wasser!»
Im Gegensatz zu dir wurde sie
von ihrem Bruder verprügelt.
Ich verstehe dich nicht.
So ist dein ganzes Leben.
Nur Anschein der Unabhängigkeit.
Wenn dir etwas nicht paßt,
tust du so, als ob das gar nicht
existiert.
Was soll der Quatsch?!
Die Geduld deines ehemaligen
Gatten ist zu bewundern.
Er hätte dich viel früher
verlassen müssen.
Was willst du von mir?
Würdest du deine Schuld bekennen?
Niemals!
Du hast ja diese Situation
selber geschaffen!
Wenn du deinen lieben Gatten
in diesen blöden emanzipierten
Zustand nich versetzt hast,
dann hat er sich gerettet.
Und die Kinder machst du
bestimmt unglücklich.
Hör auf!
Was ist denn? Mascha!
Laß mich in Ruhe!
Auf halbem Wege meines Lebens
verlief ich mich im dunklen Wald...
Du bist meiner Mutter sehr ähnlich.
Wohl deshalb trennten wir uns.
Ich finde es entsetzlich, daß
Ignat dir immer mehr gleicht.
Wieso entsetzlich?
Wir konnten niemals normal
miteinander reden.
In meinen Erinnerungen
erscheint mir meine Mutter stets
mit deinem Gesicht.
Und ich weiß auch warum.
lhr beide tut mir leid.
Warum?
Ignat, stelle das Glas zurück!
Du wirst mit niemandem
zusammenleben können.
Vielleicht.
Nimm's nicht übel.
Aber du glaubst,
daß allein die Tatsache
deiner Existenz
alle glücklich machen soll.
Du verlangst nur.
Ja, weil ich von
Frauen erzogen wurde.
Willst du Ignat davor schützen,
heirate möglichst bald.
- Wen?
- Das weiß ich nicht.
Oder muß Ignat bei mir bleiben.
Warum hast du dich mit deiner Mutter
nicht versöhnt?
Sollte ich?
Sie glaubt besser zu wissen,
wie ich leben muß
und was mich glücklich macht.
Ich verstehe es besser, als du.
Was denn?
Wir driften auseinander
und ich kann nichts dagegen.
Natalja, lenk ihn ab!
Er redet wieder über Spanien.
Das endet mit einem Skandal.
Ich wollte dich fragen...
Wir machen eine Renovierung.
Ignat möchte für eine Woche
bei dir bleiben.
Das würde mich freuen.
Was will er sagen?
Er stellt den berühmten Matadoren
Palomo Linares dar.
Der Abschied war für ihn
besonders aufregend.
Die ganze Stadt war dabei.
Alle sangen und tanzten.
Seine Mutter konnte nicht
kommen, sie war krank.
Und der Vater war stumm
und traurig.
Die beiden hatten dieselben
Gedanken.
Sie wußten nicht mehr,
ob sie sich wiedersehen werden.
Verhöhnst du mich etwa?
Es hat niemals geklappt,
aber du kannst es doch!
Spanien muß man fühlen.
Wollten Sie nicht nach
Spanien zurück?
Unmöglich. Mein Mann ist ein Russe.
Und die Kinder auch.
Ich werde mit ihr reden!
Ignat!
Komm her! Ich gehe.
Immer wieder dasselbe...
Laß das!
- Ein komisches Gefühl.
- Was für ein?
Als ob es schon gewesen wäre...
Ich bin hier zum ersten Mal.
Gib das Geld her und
hör auf zu phantasieren.
Mach hier sauber.
Rühre da nichts an.
Wenn Maria Nikolajewna kommt,
sag ihr, sie soll warten.
Komm rein. Guten Tag.
Eine Tasse für den jungen Mann.
Nimm aus dem Schrank das Heft
vom dritten Regal.
Lies die Seite vor,
wo das Band ist.
«Auf die Frage, wie beeinflussen
Kunst und Wissenschaft
den Menschen, hat Rousseau
geantwortet: «Negativ».
Lies nur das vor,
was rot unterstrichen ist.
«Abgesehen davon...»
Oh, nein.
«Die Teilung der Kirchen spaltete
uns von Europa ab.
Bei keinem der großen Ereignisse,
welche es erschütterten,
waren wir dabei.
Aber wir hatten eine besondere
Vorbestimmung.
Rußland stoppte die Invasion
von Mongolenhorden.
Die Tataren trauten sich nicht
weiter nach Westen.
Sie zogen sich zurück
und die christliche Zivilisation
war gerettet.
Um dieses Ziel zu erreichen,
mußten wir eine besondere
Existenz führen.
Zwar blieben wir Christen,
aber die christliche Welt
wurde uns fremd.
Wir sind aber keine historische
Winzigkeit.
Da bin ich nicht einverstanden.
Finden Sie in der jetzigen Lage
Rußlands
nichts Bedeutendes
für künftige Historiker?
Ich mag unseren Zaren sehr.
Aber ich bin nicht von allem
begeistert, was ich sehe.
Als Literat fühle ich mich
beleidigt,
aber ich schwöre, daß ich
kein anderes Vaterland,
keine andere Geschichte
haben will.
Ich will nur das, was uns
der liebe Gott gegeben hat».
Aus dem Brief von Puschkin an
Tschaadajew. Am 19. Oktober 1836.
Mach auf.
Ich bin wohl falsch geraten.
Na, was gibt's?
War Maria Nikolajewna da?
Nein... Nur eine...
Sie wäre falsch geraten.
Tue etwas oder lade
jemanden ein.
Kennst du Mädchen?
Aus der Kalsse? Ich mag sie nicht!
In deinem Alter habe ich mich
verliebt... Während des Krieges...
Sie war rothaarig...
Sie hatte geplatzte Lippen.
Unser Militärlehrer machte
ihr den Hof.
Hörst du mich?
Was hast du getan?
Meinst du, ich sehe nichts?
Du hast in die Luft geschossen!
Na und?
Da ist ja niemand.
Und wära da jemand gewesen?
Da sind Bäume.
Und hätte jemand darauf geklettert?
Kehrt! Kehrt, war befohlen!
Leg das Gewehr zurück.
Ich habe ja mich gekehrt.
Kennst du die Dienstvorschrift?
Kehren bedeutet genau das,
was ich gemacht habe.
Man dreht sich um 360 Grad um.
Welche Grade? Kehrt!
In Feuerstellung, marsch!
Du bringst mir deine Eltern.
Welche Eltern?
Du weißt schon welche.
Was heißt Feuerstellung?
Leg dich auf die Matte!
Seine Eltern sind in der Blockade
gestorben.
Eine Feuerstellung ist...
eine Feuerstellung.
- Markow.
- Ich.
Woraus besteht ein Klein...
Ein Gewehr.
Aus einem Kolben.
- Einem Rohr.
- Du bist selber ein Rohr.
Was ist dann ein Rohr?
Jungs! Eine Granate!
Eine Handgranate!
Nicht doch!
Auf den Boden!
Sie kann explodieren!
Das ist ja eine Attrappe.
Was bist du für ein Leningrader...
Ich glaube an keine Vorahnung.
Ich fürchte keine Omina.
Keine Verleumdungen, kein Gift.
Es gibt keinen Tod.
Alle sind unsterblich.
Alles ist unsterblich.
Man braucht den Tod
nicht zu fürchten,
weder mit 17, noch mit 70...
Es gibt nur uns und Licht.
Es gibt kein Finsternis und
keinen Tod.
Wir sind alle am Meeresufer.
Und ich helfe, Netze zu stellen,
um Unsterblichkeit zu fangen.
Lebt im Haus und es stürzt
nicht ein.
In jedem Jahrhundert
kann ich mir ein Haus bauen.
Deswegen sind eure Kinder
und eure Frauen an meinem Tisch,
am Tisch der Generationen.
Hier entsteht die Zukunft.
Ich *** meine Hand
und euch bleiben fünf Strahlen.
Ich habe jeden vergangenen Tag
mit meinen Schultern gestützt.
Ich habe die Zeit gemessen
und die wie ein Gebirge
durchgedrungen.
Mein Jahrhundert paßt mir genau.
Wir gingen nach Süden, wirbelten
Staub auf.
Es war heiß, Heupferde zirpten.
Und das verhieß mir...
Das verhieß mir meinen Tod.
Ich nahm mein Schicksal mit.
Nun reite ich durch die Zukunft
und bin noch jung.
Ich bin unsterblich
und reise durch Jahrhunderte.
Für Wärme und Gemütlichkeit
würde ich sogar sterben,
aber mein Leben führt mich
wie eine Nadel den Faden.
Marusja! Und die Kinder?
Wo sind die Kinder?
Du hast ein Buch gestohlen.
- Was?
- Ich gebe dich an.
- Laß mich!
- Geh, sag's!
Ich werde es trozdem tun!
Marina!
Du könntest öfter kommen.
Er vermißt dich sehr.
Laß Ignat bei mir bleiben.
Meinst du das ernst?
Du hast ja selber gesagt,
daß er das möchte.
Man soll dir nichts sagen...
Habe ich das etwa erfunden,
um mich zu amüsieren?
Wollen wir ihn fragen.
Wie er entscheidet...
Auch für dich eine Erleichterung.
Was für eine?
Hast du Lehrbücher eingepackt?
Verabschiede dich vom Vater.
Wir wollten dich fragen...
Wonach?
Würdest du nicht lieber
bei mir bleiben?
Wieso?
Du könntest hier wohnen.
War es nicht dein Wunsch?
Mein Wunsch? Seit wann?
Nein, ich will nicht.
Wir sind einander wirklich
sehr ähnlich.
Gar nicht!
Was willst du von deiner Mutter?
Welche Beziehungen?
Kindheit kommt nicht mehr zurück.
Du redest über irgendwelche
Schuldgefühle,
weil sie alles euch geopfert hat...
Davon kommst du nicht weg.
Und sie will,
daß du wieder ein Kind bist,
um dich auf den Arm zu nehmen
und zu beschützen.
Wieso mische ich mich ein?
Wie immer...
Was heulst du? Sag's mir.
Soll ich ihn heiraten
oder nicht?
- Kenne ich ihn?
- Nein...
Ist er ein Ukrainer?
Spielt das eine Rolle?
- Was tut er?
- Er ist ein Schriftsteller.
Heißt er zufäIlig Dostojewski?
Dostojewski.
Er hat bisher nichts geschrieben
und ist unbekannt.
Etwa 40 Jahre alt?
Also, talentlos.
Du hast dich sehr gerändert.
Er schreibt nichts.
Er veröffentlicht nichts.
Unser Bengel hat etwas
in Brand gesteckt.
Seine Leistungen in der Schule
sind miserabel.
Absolviert er die Schule nicht,
muß er in die Armee.
Und du wirst alles tun müssen,
um das zu verhindern.
Das sind Folgen deiner Erziehung.
Der Wehrdienst wäre für ihn
gar nicht so schlimm.
Warum rufst du deine
Mutter nicht an?
Nach dem Tod der Tante Lisa
lag sie drei Tage krank...
Sie sollte ja hierher um fünf
Uhr kommen.
Kannst du den erten Schritt
nicht selber tun?
Wir reden jetzt über Ignat.
Vielleicht bin ich auch schuld.
Oder haben wir uns verbürgerlicht?
Und zwar auf irgendeine wilde,
asiatische Weise.
Es gibt kein Privateigentum,
aber der Wohlstand wächst.
Man kann nichts begreifen.
Warum regst du dich auf?
Ein 15-jähriger Sohn meiner
Bekannten sagte seinen Eltern:
«Ich verlasse euch.
Es ist widerlich zuzusehen,
wie ihr euch bemüht,
für alle gut zu sein».
Ein braver Junge.
Unser Bengel sagt das leider nie.
Ich kann mir die beiden vorstellen!
Leute wie du und ich.
Er arbeitet in einer Zeitung.
Er meint auch,
er sei ein Schriftsteller.
Aber er kann nicht begreifen,
daß es eine Tat ist,
ein Buch zu schreiben.
Ein Dichter muß
Gefühle aufrütteln,
und kein Abgott sein.
Was soll ich denn tun?
Heiraten.
Vor wem ist ein brennender
Busch erschienen?
Ein Engel im Dornbusch.
Ich weiß nicht.
Vor Ignat bestimmt nicht.
Wäre eine Militärschule für ihn
nicht der bessere Ausweg?
Es war Moses, der im brennenden
Dornbusch den Gott sah.
Er führte sein Volk durch die Wüste.
Warum habe ich keine solche
Visionen?
Ich habe immer wieder
denselben Taum.
Ich sehe mich
in meinem Heimatsort
vor dem Haus meines Opas,
wo ich vor 40 Jahren direkt
auf dem Eßtisch geboren bin.
Wenn ich hinein will,
häIt mich immer etwas auf.
Ich habe oft diesen Traum.
Und wenn ich Holzwände
und den dunklen Flur sehe,
weiß ich sogar im Traum,
daß ich bloß träume.
Doch die Freude wird durchs
Erwachen getrübt.
Manchmal geschieht etwas,
und ich träume nicht mehr
vom Haus und von den Kiefern
ringsum.
Dann werde ich traurig.
Und ich warte mit Ungeduld
auf diesen Traum,
in dem ich mich wieder
als Kind sehe
und mich wieder glücklich fühle,
weil alles noch bevorsteht
und möglich ist...
Mutter.
- Da macht jemand auf.
- Was ist mit dir?
Guten Tag.
Guten Tag.
- Sind Sie Nadeshda Petrowna?
- Ich habe Sie früher...
Ich bin Stieftochter von Matwej
Iwanowitsch.
Er und lhr Mann waren Freunde.
Was für Matwej?
Ein Arzt, er wohnte hier früher.
Dann ging er nach Jurjewetz
und wurde zum Gerichtsmediziner.
Sind Sie aus der Stadt?
Wir sind aus Moskau, aber in
Jurjewetz haben wir ein Zimmer.
Wir wurden im Herbst evakuiert.
Ich wollte das Leben meiner
Kinder nicht riskieren.
Und hier gibt's viele Bekannte...
Mein Mann ist nicht da.
Hör auf dich zu kratzen!
Ich wollte zu Ihnen.
Ich habe etwas für Sie.
Kommen Sie 'rein.
Hier, bitte...
Füße abtreten.
Mascha hat hier sauber gemacht.
Bleib hier.
Wir sind gleich zurück.
Was tust du im Dunkel?
Ist das Licht aus?
Wieso hast du nichts gesagt?
- Wie heißt du?
- Aljoscha.
Ich habe auch einen Sohn,
er ist aber noch klein.
Das Leben ist schwer. Es ist Krieg.
Ich hätte gerne noch eine Tochter.
Wollen Sie hinsehen? Er schläft.
Wir tun es leise.
Er ist wunderbar.
Neulich fragte er den Vater:
«Warum ist ein Fünfer größer,
als andere Münzen?»
Ich staunte, aber mein Mann
sagte nichts.
Er wollte ja eine Tochter.
Ich habe für den Säugling
alles in rosa vorbereitet.
Dann mußte ich alles umnähen.
Er machte uns viel zu schaffen.
Haben wir dich aufgeweckt?
Deine Mutter ist
eine Plaudertasche.
Na, wer ist da?
Unbekannte Leute?
Willst du nicht aufwachen?
Dann schlaf weiter, Kleiner.
Stehen sie mir gut? Und der Ring?
- Was ist mit Ihnen?
- Mir ist nicht gut.
Sie sind wohl müde
nach dem langen Weg.
Trinken Sie, das tut Ihnen gut.
Ich werde gleich den Tisch decken.
Machen Sie sich keine Sorgen.
- Wie kann ich Sie gehen lassen?
- Wir haben gegessen.
Er hustet so schlimm!
Er ist immer draußen...
Mein Mann könnte ihn untersuchen.
Wir können nicht warten.
Wir müssen gehen.
Und die Ohrringe?
Das Geld ist beim Mann.
Wir schlachten einen Hahn.
Aber ich habe eine Bitte...
Ich bin im vierten Monat.
Mir ist stets übel.
Sogar wenn ich die Kuh melke,
wird es unerträglich...
Und den Hahn...
Könnten Sie das nicht tun?
Ich bin selber...
Auch schwanger?
Nein, aber ich habe keine
Erfahrung.
Das ist ganz leicht.
Man muß schlachten, um zu essen.
Ich mache das hier,
auf diesem Klotz.
Da ist das Beil.
Es ist scharf.
- Hier im Zimmer?
- Wir stellen eine Schale unter.
Und morgen gebe ich Ihnen
das Hähnchen mit.
Ich kann nicht.
Sollen wir Aljoscha bitten?
Er ist ja ein Mann.
Wieso Aljoscha?
Dann halten Sie fest,
sonst läuft er weg.
Mir ist aber... Na?
Beruhige dich! Alles wird gut sein.
Schade, daß ich dich sehe,
nur wenn es mir
sehr schlecht ist.
- Hörst du mich?
- Ja.
Nun fliege ich zum Himmel.
Was ist mit dir, Marusja?
Ist dir schlecht?
Wundere dich nicht.
Ich liebe dich.
Gehen sie schon? Und die Ohrringe?
Mein Mann kommt gleich.
- Er bringt das Geld.
- Wir haben's uns anders überlegt.
Es wird bald dunkel.
Wo wollen Sie denn hin?
Machen Sie sich keine Sorgen.
Der Mensch lebt in seinem Körper
wie in einer Einzelzelle.
Die Seele haßt diese HüIle
mit Ohren und Augen,
mit der geplatzten Haut
auf den Knochen.
Sie fliegt durch die Hornhaut
zum Himmel,
wo der Vögelwagen rollt.
Sie hört in ihrem lebenden
Gefängnis
das Rauschen der WäIder und
das Brausen des Meeres.
Die Seele braucht einen Leib,
sonst ist sie nackt.
Sonst kann sie nicht denken
und nicht schaffen.
Ein Rätsel ohne Lösung:
Wer kommt zurück
und tanzt, wo niemand
tanzen kann?
Ich träume von einer anderen Seele
in anderem Leib.
Sie brennt, sie fürchtet und
sie hofft.
lhr Feuer kann fließen.
Sie geht leise weg
und hinterläßt zum Andenken
Flieder auf dem Tisch.
Lauf, mein Kind.
Weine der Eurydike nicht nach
und laß deinen Reifen
durch die Welt rollen,
solange du bei jedem Schritt
irdische Geräusche
vernehmen kannst.
Mutter, die ÖIlampe qualmt.
Was?
Alles hängt von ihm selber ab.
Könnte Angina solche
Komplikationen hervorrufen?
Warum denn Angina?
- Alles ist viel einfacher.
- Einfacher?
Man verliert die Mutter, die Frau,
das Kind...
Nach ein paar Tagen ist man
vöIlig zerstört.
Aber bei ihm ist ja niemand
gestorben.
Es gibt auch Gewissen...
Erinnerungen...
Wieso Erinnerungen?
- Glauben Sie, er sei schuld?
- Er glaubt das.
Lassen Sie mich in Ruhe!
- Was haben Sie gesagt?
- Lassen Sie mich in Ruhe!
Ich wollte nur glücklich sein.
Und was wird mit deiner Mutter,
wenn du nicht aufstehst?
Keine Sorge...
Alles wird gut sein...
Wen hättest du lieber - einen Sohn
oder eine Tochter?
Ende